„Wer hat schon von der Burg Elberfeld gehört?“, fragt Stadtarchäologe Florian Odijk zu Beginn der Führung durch Elberfeld. Die Mehrheit der elf Teilnehmer hebt die Hand. Viele Wuppertaler wüssten aber gar nichts von dieser Burg, bedauert Odijk. Und auch die Wissenschaft weiß nicht sehr viel – kein Wunder, die Burg ist vor fast 500 Jahre, im Jahr 1536 abgebrannt und danach abgebaut worden. Die archäologischen Untersuchungen in Elberfeld durch die aktuellen Leitungsarbeiten bescheren den Geschichtswissenschaftlern derzeit aber einige neue Erkenntnisse. Das können sich Interessierte regelmäßig bei Führungen erklären lassen.
Der Rundgang am vergangenen Donnerstag beginnt im Baustellenbüro der Stadt in der Schwanenstraße 33. Hier veranschaulicht ein Modell aus den 1960er Jahren, wie Elberfeld kurz vor dem Brand 1536 ausgesehen haben könnte: Burg und Burghof bilden ein Fünfeck, an der größten Längsseite steht ein Saalbau mit mehreren Räumen. Daneben steht ein freistehender Turm – ein Bergfried oder Wohnturm. Das Ganze ist von einer Burgmauer mit einem Wachturm umschlossen. Drumherum ein Burgteich, der nochmals von Wassergräben umgeben ist – gefüllt durch den Mirker Bach. Südlich davon steht eine Kirche, die heutige Citykirche. Und Richtung Wupper bilden viele kleine Fachwerkhäuser: die Siedlung Elberfeld, als „Freiheit“ mit einigen stadtähnlichen Rechten ausgestattet. Sie ist gemeinsam mit dem Burggelände nochmal von einer Mauer umgeben.
„Das Modell ist aus heutiger Sicht ganz gut gemacht“, sagt Florian Odijk. „Aber es stimmt nicht ganz.“ Die Burg müsste aus heutiger Sicht anders ausgerichtet sein, so dass der Saalbau genau auf der heutigen Poststraße liegt. Das ist eine der wichtigsten Erkenntnisse der neuen Ausgrabungen – zuzüglich zahlreicher Funde von Alltagsgegenständen.
Poststraße verläuft über
den Grundmauern des Saalbaus
Die Ausrichtung der Burg erklärt der Archäologe noch deutlicher vor Ort an der Kreuzung Turmhof/Schöne Gasse/Poststraße/Alte Freiheit: „Wir stehen hier auf den Grundmauern des Saalbaus der Burg.“ Diese verlaufen in der Poststraße bis kurz vor die Kreuzung Poststraße/ Schwanenstraße – etwa in Höhe von Apollo Optik. Das alte Modell im Baustellenbüro zeigt diesen Saalbau fälschlich leicht schräg zur Poststraße.
In der Kreuzung, wo noch eine dunkle Teeroberfläche das Grabungsloch anzeigt, haben die Archäologen Mauerreste gefunden, 1,80 Meter dick und in der Ausrichtung, die ihnen den genauen Standort der Gebäude verrät. „Das ist wohl der äußerste Winkel der Burg“, so Odijk. Der Bergfried habe etwa dort gestanden, wo heute das Gebäude mit dem Lokal „Cigköfte“ steht, sei auch ähnlich hoch gewesen, sagt Odijk. Theoretisch sollten solche Türme letzte Zuflucht bei Belagerung sein, in der Praxis hätten sie wohl auch dazu gedient, die Mittel der Bauherren nach außen sichtbar zu machen. „Das war so etwas wie der Sportwagen der Burgherren.“ Der Burghof reichte wohl etwas weiter als bis zur Hälfte des Häuserblocks zwischen Post- und Burgstraße, der umgebende Burgteich fast bis an die Burgstraße heran.
Weiter oben, vor dem Geschäft Ernstings, haben die Archäologen Überreste eines ehemaligen Torhauses gefunden, das einen Grabenübergang schützte. „Darin gab es eine Wachstube“, so Odijk. Dass der Boden gepflastert ist und nicht aus Lehm bestand, lasse darauf schließen, dass hier höher gestellte Untergebene untergebracht waren, etwa Steuerbeamte.
Die Burg verschwand vollständig, weil man sie nach dem Brand 1536 nicht mehr aufbaute, sondern das Gelände einebnete. 1603 wurde das Areal neu parzelliert und bebaut. Nur die Straßennamen Turmhof und Burgstraße erinnern an die Vergangenheit. Es gab Überlegungen, die Umrisse der alten Burg künftig durch eine besondere Pflasterung kenntlich zu machen. Aber das werde zu unübersichtlich, erklärt Florian Odijk. Denn geplant ist bereits eine Entwässerungsrinne, dazu taktile Streifen für sehbehinderte Menschen.
Künftig soll es am Kirchplatz
Infos zur Historie geben
Dennoch soll in Zukunft Elberfelds Geschichte sichtbarer werden – auch wenn das noch bis nach Fertigstellung der Bauarbeiten dauert. Odijk wünscht sich etwa, dass die Apsis der Citykirche mehr ins Rampenlicht gerückt wird. Sie ist einer der ältesten Teile der Kirche, stammt aus dem 12. Jahrhundert, ist aber derzeit schmucklos graubraun verputzt und mit Graffiti verziert. „Das ist das älteste aufrecht stehende Gebäude Elberfelds“, betont Odijk. Er hofft, dass der Weg um sie herum wieder geöffnet wird.
Vorgängerbauten der Kirche stammen aus den 1930er Jahren, denn bei früheren Grabungen wurden Gräber aus dieser Zeit gefunden: Reste alter Baumsärge ließen sich auf diese Zeit datieren. An der Citykirche ist übrigens der Verlauf der alten Friedhofsmauer durch andersfarbige graue Pflastersteine zu erkennen. Der Kirchplatz soll in Zukunft auch zentraler Platz für historische Informationen zu Elberfeld werden, kündigt Odijk an. Bis dahin wird nur leider noch einige Zeit vergehen.
Neue Termine für archäologische Führungen gibt es nach der Sommerpause. Mehr zur Geschichte Elberfelds auf