Die Maut auf französischen Autobahnen gehört zu den höchsten Europas – und wird jedes Jahr teurer. Viele deutsche Urlauber machen in diesem Sommer die Erfahrung, dass man auf den meisten Strecken inzwischen mit rund zehn Euro je 100 Kilometer kalkulieren muss. Das summiert sich schnell zu stattlichen Beträgen, unabhängig davon, ob freie Fahrt herrscht oder man unterwegs oder vor der Mautstelle im Stau steht. 89,40 Euro werden im Auto beispielsweise für die knapp 880 Kilometer zwischen der Rheinbrücke Ottmarsheim und der französisch-spanischen Grenze südlich von Perpignan fällig. Die rund 470 Kilometer zwischen Lyon und Nizza schlagen mit Mautkosten von 49,20 Euro zu Buche.
Zudem wird wie in Österreich an einigen Bauwerken gesondert zur Kasse gebeten. Dazu gehört in Südfrankreich das Viadukt von Millau, für dessen Überfahrt Autofahrer im Sommer 13,70 Euro zahlen müssen, oder die Fréjus- und Mont-Blanc-Straßentunnel zwischen Frankreich und Italien, für die 54,80 Euro respektive 55,80 Euro fällig werden. Der Zustand der mautpflichtigen Autobahnen ist in Frankreich dafür besser als in Deutschland. Es gibt viel weniger Fahrbahnschäden und Baustellen. Auch ist an den Raststätten die Toilettennutzung gebührenfrei, der Sprit nicht exorbitant teuer und das Gastronomieangebot größer.
Die Mautgebühren stechen nicht nur ausländischen Touristen ins Auge. Auch in Frankreich sind sie ein Aufregerthema. So ist der Eindruck weit verbreitet, dass sich die Konzessionäre mit ihren Quasigebietsmonopolen die Taschen vollmachen, also deutlich weniger in die Autobahnen investieren, als sie an Gebühren kassieren. Eine Maut gab es in Frankreich zwar auch schon früher. Doch seit der Privatisierung in den 2000er-Jahren kümmern sich gewinnorientierte Unternehmen um Ausbau, Instandhaltung und Betrieb von knapp 9200 Kilometer Strecke, was etwa drei Viertel des französischen Autobahnnetzes sind. Nur hier und da sind Zubringer und Stadtautobahnen zur Verkehrslenkung oder Abschnitte zur regionalen Wirtschaftsförderung gebührenfrei.
Des eines Freud ist des anderen Leid
Wie viel Maut die Konzessionäre erheben und wie stark sie diese jedes Jahr zum 1. Februar „anpassen“ dürfen, ist in den bei der Privatisierung unterzeichneten Verträgen sowie in einem Dekret aus dem Jahr 1995 geregelt. Maßgebliche Bestimmungsgröße für die Anhebung ist demnach die Inflationsrate. Da sie im Zuge der Energiekrise sehr hoch war, fiel der Anstieg 2023 und 2024 mit durchschnittlich 4,75 und drei Prozent entsprechend kräftig aus. Dieses Jahr waren es „nur“ 0,92 Prozent. Dass die Konzessionäre die Tarifstrukturen vor der jährlichen Mauterhöhung dem Staat zur Prüfung vorlegen müssen, ist reine Formsache. Nur über neue, ursprünglich nicht geplante Investitionen finden zwischen dem Staat und den Konzessionären Verhandlungen statt.
Doch des eines Freud ist des anderen Leid. Was Autofahrer teuer zu stehen kommt, erfreut die Konzessionäre. Der größte von ihnen ist mit rund 4400 Kilometern der französische Bau- und Infrastrukturkonzern Vinci, dessen Gesellschaften ASF, Cofiroute und Escota fast alle Autobahnen in den Urlaubsgebieten Süd- und Westfrankreichs bewirtschaften. Die beiden anderen großen Konzessionäre sind Vincis Wettbewerber Eiffage und die australische Bank Macquarie mit ihrer Gesellschaft APRR sowie Sanef, das zum spanischen Infrastrukturkonzern Abertis gehört. Mindestens in die 2030er-Jahre reichende Vertragslaufzeiten sorgen dabei nicht nur für einen langfristig stabilen Cashflow. Auch die Rentabilität des Autobahngeschäfts gilt als stattlich.
Die dem französischen Finanzministerium unterstellte Generalinspektion für Finanzen schätzte die Eigenkapitalrendite der Vinci-Gesellschaften ASF und Escota in einem Gutachten von 2021 auf 11,77 Prozent. Bei APRR, Herr über Autobahnen in Ostfrankreich, und ihrem Ableger Area, der den Südosten von Lyon bewirtschaftet, seien es gar 12,49 Prozent. Beides liege deutlich über den bei der Privatisierung erwarteten 7,67 Prozent.
Politisch sorgte das zwei Jahre lang unter Verschluss gehaltene Gutachten für Sprengstoff, sprachen die Inspektoren doch von einer Rentabilität, die „dem Grundsatz einer angemessenen Vergütung widerspricht“. Privatisierungskritiker sahen sich bestätigt. Zumal der französische Rechnungshof schon 2013 darauf hinwies, dass die Mautanhebungen „deutlich“ über der Inflationsrate liegen und Untersuchungen der französischen Wettbewerbsbehörde und des Senats in die gleiche Kerbe schlugen.
Sagenhafte Umsatzrendite
Die französische Regierung nahm die Zahlen im vergangenen Jahr zum Anlass, die Konzessionäre mit einer Rentabilität von mehr als zehn Prozent mit einer neuen Abgabe zur Kasse zu bitten. 4,6 Prozent des Umsatzes schöpft der Staat nun ab. Die Konzessionäre protestierten und kritisierten die in den diversen Gutachten ermittelten Zahlen als unvollständig und verzerrt. So bleibe unter anderem unberücksichtigt, dass die Vermögenswerte ja erst einmal erworben werden mussten und am Ende der Vertragsdauer kostenlos und entschuldet an den Staat zurückgegeben werden – während bei der Privatisierung auch die staatlichen Altschulden übernommen werden mussten.
Dabei ist das Autobahngeschäft auch unter Berücksichtigung dieser Elemente und nach Abzug der neuen Abgabe sehr rentabel. Das zeigen die Geschäftszahlen von Vinci. Dessen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen für die Bewirtschaftung der französischen Autobahnen hat sich zwischen 2006 und 2024 von 2,4 auf 4,7 Milliarden Euro nahezu verdoppelt. In den diese Woche veröffentlichten Halbjahreszahlen weist Vinci für diese Aktivitäten eine Umsatzrendite von sagenhaften 73,2 Prozent aus.
Vinci ist mit einem Jahresumsatz von zuletzt rund 71,6 Milliarden Euro der weltgrößte Baukonzern, sieht man von chinesischen Unternehmen wie CSCEC oder CRCC ab. Mit einem Reingewinn von 4,9 Milliarden Euro waren die Franzosen 2024 hochprofitabel und blieben es im ersten Halbjahr dieses Jahres mit 1,9 Milliarden Euro trotz leichter Rückgänge und der neuen Konzessionsabgabe, die sich für Vinci im vergangenen Jahr auf 284 Millionen Euro und im ersten Halbjahr dieses Jahres auf rund 120 Millionen Euro belief.
Führender Konzessionär in Deutschland
Bei Anlegern und Analysten sind die Franzosen seit Langem gleichermaßen beliebt. Der Börsenwert hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Trotz dieses steilen Anstiegs raten in einer aktuellen Bloomberg-Umfrage rund 85 Prozent der Analysten zum Kauf der Vinci-Aktie. Zur Beliebtheit bei tragen stetig wachsende Dividendenzahlungen bei. 2020 zahlte der Konzern 2,04 Euro je Aktie, vergangenes Jahr waren es schon 4,75 Euro.
So gewinnträchtig das Autobahngeschäft auch ist, für den Konzern sinkt seine Bedeutung. Inzwischen steht es nur noch für knapp zehn Prozent des Gesamtumsatzes von Vinci. Anteilsmäßig stark wachsend ist hingegen das Konzessionsgeschäft auf Geschäftsfeldern wie Flughäfen, Energieinfrastruktur und Autobahnen außerhalb des französischen Heimatmarkts. Vinci ist durch seine Diversifizierungsstrategie in den vergangenen Jahren zum weltgrößten privaten Flughafenbetreiber aufgestiegen.
In Deutschland ist der Konzern wiederum der führende Konzessionär bei Ausbau, Instandhaltung und Betrieb von Autobahnen in öffentlich-privater Partnerschaft. Zu den fünf Projekten gehören je 60 Kilometer auf der A 5 südlich von Karlsruhe und auf der A 7 zwischen Göttingen und Bockenem.