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Die Rechercheure und ihre Profiteure: (v.l.) Karl Hahn, Paul Athmann, Hermann Greve, Stefan Rathjen und Heiner Riehn greifen auf Zeitungsberichte als historische Quellen zurück. © Dierck Wittenberg
Um mehr über die Geschichte Weyhes und der Vorgängergemeinden zu erfahren, digitalisieren drei Leester historische Zeitungen. Sie leisten damit auch Vorarbeit für andere.
Leeste – Wegen Ansteckungsgefahr wird insbesondere Kindern und Jugendlichen davon abgeraten, Massenveranstaltungen zu besuchen; vorübergehend lässt die Kreisverwaltung Schulen Gemeinden schließen. Diese Nachrichten stammen aus dem Jahr 1952. Eine grassierende Epidemie der spinalen Kinderlähmung hatte auch die Gemeinden in der Grafschaft Hoya erreicht. Die Zeitungen vermeldeten aktuelle Zahlen zu Verdachtsfällen und Neuinfektionen.
Indem die Redaktionen über ihre damaligen Leser über diese und andere Ereignisse informiert haben, haben sie diese auch für die Nachwelt festgehalten. Denn fast alles wurde archiviert. Was auch heißt: In den Archiven schlummert riesiger Vorrat an Informationen zur Lokalgeschichte. Der allerdings erschlossen werden muss.
„Ein von frevelhafter Hand angelegtes Verbrechen“: Bericht über das Eisenbahnunglück, das sich 1912 in Erichshof ereignete. © Hahn, Rathjen, Riehn (Repro)
Genau das haben sich Karl Hahn, Stefan Rathjen und Heiner Riehn für die Gemeinden vorgenommen, aus denen später Weyhe wurde, also für Leeste, Kirchweyhe und Sudweyhe. Einmal in der Woche steigen Hahn und Riehn vormittags ins Archiv der Mediengruppe Kreiszeitung am Ristedter Weg in Syke hinab, um die großformatig gebundenen Ausgaben der Brinkumer Zeitung nach oben zu holen. Die ist von 1884 bis 1924 erschienen. Bis ins Jahr 1953, sein Geburtsjahr, wolle er sich vorarbeiten, sagt Riehn. Was bedeuten würde, auf auch Nachfolgezeitungen zurückzugreifen.
Rathjen, der noch im Berufsleben steht, arbeitet anschließend bei der Nachbereitung mit. Für jeweils vier Stunden sind die beiden Rentner jeweils im Verlagshaus. Die Nachbereitung nehme die doppelte bis dreifache Zeit in Anspruch. Hahn und Riehn digitalisieren die historischen Zeitungen, indem sie die Artikel, aber auch Anzeigen, abfotografieren.
Sie fotografieren historische Zeitungen und versehen sie mit Schlagwörtern
Anschließend versieht das Trio die Bilddateien mit Schlagwörtern. Je vollständiger die Stichwörter, desto ergiebiger können spätere Suchen ausfallen. Werten sie nur die interessanten Artikel oder alles aus? „Da haben wir lange drüber gestritten“, sagt Riehn. Sich aber dann für die Vollständigkeit entschieden. Als Beispiel nett er eine Zeitungsanzeige: „Zu verkaufen: 4 gute Ferkel. Gastwirt Böttcher, Erichshof.“ Für sich genommen ein Kuriosum. Aber auch ein Teil des Gesamtbilds von der Geschichte der Gaststätte.
Im Juni dieses Jahres war das Trio bei seiner Erschließung des Archivs in den 1910er-Jahren angekommen. Die Kleinbahn zwischen Bremen und Thedinghausen hatte zum Zeitpunkt dieser Berichte und Meldungen ihren Betrieb aufgenommen; der Bau war keineswegs unumstritten gewesen. Immer wieder ergeben sich Verbindungen in die Gegenwart: Auf den Gleisen der Kleinbahn soll schließlich die Straßenbahnlinie 8 bis Leeste verkehren. Die Zeitungen dokumentieren darüber hinaus ein großes Infrastrukturprojekt, mehr als hundert Jahre vor dem Glasfaserausbau: die Elektrifizierung. Die anfangs den Betrieb einiger weniger Glühlampen pro Haushalt bedeutete.
„Es ist interessant, die Zeitungen zu durchforsten“, sagt Heiner Riehn. Die Motivation ist also, möglichst viel über die Geschichte der Ortsteile herauszufinden. Die, wie etwa das Großprojekt der Elektrifizierung, ansonsten größtenteils in Vergessenheit geraten ist.
Am Anfang stand die Geschichte der alten Ziegelei in Leeste
Für Hahn, Rathjen und Riehn ist die Recherchetätigkeit, mit der sie Anfang 2024 begonnen haben, bereits die zweite Runde. Vor 20 Jahren hatte alles damit begonnen, dass sie ihrer Siedlung in Leeste buchstäblich auf den Grund gegangen sind. Dort, wo ihr Häuser beziehungsweise Elternhäuser stehen, an der Straße Im Wiesengrund, befand sich einst die Leester Ziegelei.
Um Antworten auf offene Fragen zu finden, haben sie nicht zuletzt auf Zeitungsberichte zurückgegriffen, die sie im Syker Stadtarchiv fanden. Die Ergebnisse haben sie in einem Buch – „De ole Tegelee. Von der Leester Ziegelei zum Wiesengrund“ – gesammelt.
Wichtige Vorarbeit für das Gemeindearchiv und Historie-Seite
Eine eigene Veröffentlichung haben sie bei ihrer aktuellen, auf die gesamte Geschichte der Weyher Vorgängergemeinde zielende Recherche nicht im Sinn. Aber sie wollen damit Vorarbeit für andere leisten, unter anderem für das Gemeindearchiv. Laut Archivar Hermann Greve gibt es Zeiträume, in denen die Zeitungsberichte die Quelle sind – weil es die Sitzungsprotokolle nicht mehr gibt. Und wo die Protokolle erhalten sind, können die Zeitungsartikel eine wichtige Ergänzung sein: „Wenn‘s gut läuft, berichten die mehr, als im Beschlussprotokoll drin steht.“
Ein weiterer Abnehmer der Rechercheergebnisse ist Paul Athmann mit der Internetseite zur Weyhe-Historie. In mehrere Einträge sind die Ergebnisse der Recherchetätigkeit von Hahn, Rathjen und Riehn bereits eingeflossen und nachzulesen. Laut Athmann konnten so etwa die Liste der Höfe und die Chronik der Vereine vervollständigt werden. Weitere Beispiele, die er nennt, sind besagte Gaststätte Böttcher in Erichshof, die Elektrifizierung und die Kleinbahn.
Recherche-Ergebnisse im Internet
Viele Recherche-Ergebnisse sind in Einträge auf der Internetseite zur Weyher Geschichte eingeflossen: www.weyhe-historie.de.