Autonome Robotik in der Chirurgie
4. August 2025, 16:15 Uhr |
Der Robo-Chirurg konnte während der Operation auch mit ungeplanten Ereignissen umgehen, arbeitete wie ein erfahrener Chirurg und brauchte insgesamt nur fünf Minuten länger für den laparoskopischen Routine-Eingriff.
Eine Gallenblasenentfernung ganz ohne menschliche Hilfe. Mit dem Surgical Robot Transformer-Hierarchy (SRT-H) operiert an der amerikanische Johns Hopkins University der erste autonom arbeitende Chirurgie-Roboter der Welt. Die Gallenoperation am toten Schwein ist ein neuer Meilenstein für Robo-OPs.
▶
Diesen Artikel anhören
17 präzise Schnitte – mehr braucht es nicht für eine medizinische Sensation. An der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore hat ein KI-gesteuerter OP-Roboter völlig selbstständig die Gallenblase eines Schweinekadaver entfernt. Das chirurgische System brauchte für den operativen Eingriff keinerlei menschliche Hilfe, weder durch unmittelbares Eingreifen noch durch direkte Kontrolle am Instrument.
Der KI-Roboter reagierte während der Operation auf Sprachbefehle des Teams unter Leitung des deutschen Juniorprofessors Axel Krieger und lernte daraus wie ein angehender Chirurg in einer angeleiteten Operation unter Aufsicht. Die komplexe laparoskopische Robo-Operation an der Galle markiert somit einen weiteren wichtigen Schritt hin zu autonom durchgeführten Eingriffen am Menschen und bietet weitreichende Perspektiven für Routineeingriffe, die an Kliniken künftig von Robotern übernommen werden könnten.
»Unser Ziel ist, dass ein Chirurg bei diversen Operationen nur noch beobachtet – und der Roboter die Handarbeit macht«, sagte Krieger der Bild-Zeitung. Er setzt mit der Technik auf eine Entlastung für Ärzte, die am Ende auch den Patienten nutze.
Axel Krieger konzentriert sich auf die Entwicklung neuer Werkzeuge, Bildgebungs- und Steuerungstechniken für die medizinische Robotik. Er arbeitet daran, die Intelligenz und Autonomie von Medizinrobotern zu erhöhen.
Große Sprachmodelle: Roboter lernt in Echtzeit dazu
Der Surgical Robot Transformer-Hierarchy (SRT-H) basiert auf einer mehrstufigen künstlichen Intelligenz und wurde zunächst mit ausführlichen Operationsvideos trainiert, in denen erfahrene Chirurgen alle Einzelschritte der Entfernung einer Gallenblase erklärten. Der Roboter-Chirurg lernte damit die Eigenheiten anatomischer Strukturen sowie typische Abfolgen kennen und konnte den Operationsablauf in einzelnen Segmenten eigenständig planen, ausführen und auch anpassen. So wurde der Roboter ganz dediziert auf die standardisierte laparoskopische Gallenblasenentfernung am Schwein vorbereitet. Am wichtigsten sind bei dieser Operation das Klammern, das korrekte Greifen von Gängen und Arterien, präzise Schnitte und auch Gewebemanipulationen – komplett eigenständig und in der richtigen Reihenfolge. Die Maschine schlug sich erstklassig durch die mehrminütige Prozedur aus 17 Schritten und konnte sogar unvorhergesehen Ereignisse und Unterbrechungen – klaren Sprachkommentaren folgend und daraus lerndend – ebenfalls selbstständig lösen.
»Das ist ein entscheidender Unterschied, der uns klinisch-brauchbaren, autonomen Chirurgie-Robotern, die in der chaotischen, unvorhersehbaren Realität der klinischen Patientenversorgung arbeiten, deutlich näher bringt.
Laut der Baltimorer Forscher wurde die Operation mit 100 prozentiger Genauigkeit durchgeführt und dauerte nur fünf Minuten länger als die Arbeit eines erfahrenen Chirurgen.
Die Evolution der Chirurgie-Roboter
Das neue SRT-H baut auf Kriegers jahrelanger Forschung auf: 2022 führte ein Vorgängersystem, der Smart Tissue Autonomous Robot, STAR, die erste autonome Roboteroperation an einem lebenden Tier durch – eine laparoskopische Operation an einem Schwein. Der damalige Roboter benötigte jedoch speziell markiertes Gewebe, operierte in einer hochgradig kontrollierten Umgebung und folgte einem starren, vorgegebenen Operationsplan. Die sei so, als würde man einem Roboter beibringen, auf einer sorgfältig kartierten Route zu fahren, verdeutlicht Krieger den Unterschied. Das neue System dagegen »ist so, als würde man einem Roboter beibringen, auf jeder Straße und unter allen Bedingungen zu navigieren und intelligent auf alles zu reagieren, was ihm begegnet.«
»Unsere Arbeit zeigt, dass KI-Modelle zuverlässig genug für die autonome Chirurgie sein können.«
Das SRT-H-System, welches an einer KI-Architektur ähnlich wie ChatGPT trainiert wurde, bewies, dass es variabler Situationen robust bewältigen konnte, etwa bei abweichender Gewebeanordnung oder Fake-Einblutungen. Dies ist besonders bedeutsam, um mit einer adäquaten Reaktion des Roboters medizinische Standards auch in schwierigen anatomischen Verhältnissen gewährleisten zu können. Bis zum Einsatz am Menschen sind weitere Studien erforderlich, insbesondere zur Erkennung von Feinstrukturen, zum Umgang mit Komplikationen und zur Anpassung an die Variabilität menschlicher Anatomie. (uh)
Lesen Sie mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Weitere Artikel zu DLR Luft und Raumfahrt
Weitere Artikel zu Robotik
Weitere Artikel zu Automation, Robotik
Weitere Artikel zu Medizintechnik
Weitere Artikel zu eHealth / Medizin 4.0
Weitere Artikel zu Software als Medizinprodukt
Weitere Artikel zu Künstliche Intelligenz (KI)