Nach dem Ende der schier endlosen französischen Flaute bei der Tour de France gratulierte Emmanuel Macron nicht nur über die sozialen Netzwerke. Der Präsident griff selbst zum Hörer und rief bei Pauline Ferrand-Prévot an. Die „Königin“, wie sie die Zeitung „L‘Équipe“ nannte, hob ab und ließ sich im Gelben Trikot per Anruf beglückwünschen. „Ich habe bis zum Ende alles gegeben. Danke, vielen Dank für Ihren Anruf“, sagte sie.

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Seit dem Triumph von Bernard Hinault im Jahr 1985 wartet Frankreich auf einen Tour-Sieger bei den Männern. 40 Jahre sind seither vergangen. Bei den Frauen war die Durststrecke ähnlich lang. Vor 36 Jahren gewann Jeannie Longo ihren dritten Tour-Titel. Die heute 66-Jährige mit ihren 182 Siegen im Palmarès gewann die Vorgänger-Ausgabe der Frankreich-Rundfahrt in den Jahren 1986, 1987 und 1989. Nun hat sich Ferrand-Prévot, die im Vorjahr noch Olympiasiegerin auf dem Mountainbike wurde, den Status einer nationalen Sportheldin erarbeitet.

„Auf dem Gipfel! Pauline Ferrand-Prévot schreibt Tour-Geschichte. Bravo, Meisterin“, schrieb Macron auf „X“. Die vielseitige Französin ist im Alter von 33 Jahren endgültig im Radsport-Olymp angekommen. Elf Jahre nach ihrem WM-Titel auf der Straße hat sie gleich im ersten Anlauf die prestigeträchtige Tour de France Femmes mit neun Etappen im Programm gewonnen.

Ich bin zurück auf die Straße gekommen und habe gesagt, ich will die Tour innerhalb von drei Jahren gewinnen.

Pauline Ferrand-Prévot

„Ich bin zurück auf die Straße gekommen und habe gesagt, ich will die Tour innerhalb von drei Jahren gewinnen. Jetzt bin ich hier und habe es im ersten Anlauf geschafft“, sagte Ferrand-Prévot. Als Belohnung wollte sie sich nach den Strapazen der vergangenen Woche eine Pizza gönnen.

Die 33-Jährige lässt sich auf den letzten Metern bis zum Ziel feiern. Foto: AFP

Bei der vierten Ausgabe der Frauen-Tour in der aktuellen Form distanzierte sie die früheren Siegerinnen Demi Vollering (NL) und Katarzyna Niewiadoma (PL) um mehrere Minuten – und beeindruckte die Konkurrenz mit zwei dominanten Tagessiegen in den Alpen.

Mutter fährt Route im Wohnwagen ab

Ferrand-Prévot blickte auf eine akribische Vorbereitung zurück. „Jeder bereitet sich auf die Tour vor, das stimmt, aber ich denke, ich habe die Messlatte sehr hoch gesetzt. Es waren sehr viele Opfer, die ich gebracht habe“, sagte sie. Die Französin hatte die Mountainbike-Szene in der vergangenen Dekade geprägt und im fortgeschrittenen Sportlerinnen-Alter noch einmal nach einer neuen Herausforderung gesucht – diese hat sie mit dem Tour-Gesamtsieg in Châtel nach gerade mal einem Jahr gemeistert.

Pauline Ferrand-Prévot musste für ihren Erfolg viele Opfer bringen. Foto: AFP

In der Familie der Französin ist in den vergangenen Tagen eine wahre Euphorie ausgebrochen. Ihre Mutter Sylviane reiste dem Tour-Tross mit dem Wohnmobil hinterher. Schon als Kind verfolgte die Siegerin das größte Etappen-Radrennen der Welt voller Begeisterung – damals wünschte sie sich, ein Junge zu sein, um auch mal teilnehmen zu können.

Im Jahr 2025 geht das auch als Frau – und die Tour de France Femmes, die zahlreiche überwiegend erfolglos abgesetzte Vorgänger-Versuche hatte, wächst. Laut den Organisatoren wird das Rennen in 190 Länder übertragen. Die Frauen-Tour schließt an die Männer-Tour an und begann zuletzt an jenem Wochenende, an dem die Tour der Männer endet.

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Das bisher wichtigste Etappenrennen, der Giro der Frauen, reagiert bereits auf das wachsende Interesse an der Tour und hat seinen Termin verlegt. Weil immer mehr Top-Fahrerinnen ihre Saisonplanung auf die Tour ausrichten, findet der Giro 2026 Ende Mai statt. Diese Saison lagen keine zwei Wochen zwischen den beiden großen Rundfahrten.