Wer mit dem Rad zur Party oder Kneipe fährt, muss auf Alkohol nicht verzichten: Mit bis zu 1,6 Promille dürfen Radfahrer unterwegs sein. Nach Ansicht von Experten ist das ein zu hoher Grenzwert. Die Deutsche Verkehrswacht (DVW) fordert seit Jahren, für Radler ähnliche Maßstäbe anzulegen wie für Autofahrer. DVW-Präsidentin Kirsten Lühmann hat sich gegenüber der „Welt“ und anderen Medien erneut für strengere Regeln ausgesprochen.
Welche Regeln gelten für Rad- und Autofahrer?
Bei mehr als 1,1 Promille gelten Autofahrer als absolut fahruntüchtig – sie machen sich strafbar, unabhängig vom Fahrverhalten. Für Radfahrer liegt dieser Wert bei 1,6 Promille. Diese Werte sind nicht im Gesetz festgelegt, sondern ergeben sich durch die Rechtsprechung. In beiden Fällen kann ein strafbares Verhalten bereits bei 0,3 Promille beginnen, sofern laut ADAC „alkoholbedingte Ausfallerscheinungen“ zu erkennen sind. Auch ohne Auffälligkeiten begehen Autofahrer eine Ordnungswidrigkeit, wenn sie mit 0,5 bis 1,09 Promille unterwegs sind. Beim erstmaligen Verstoß drohen 500 Euro Bußgeld, zwei Punkte in Flensburg und ein Monat Fahrverbot. Unauffällig fahrende Radfahrer haben hingegen keine Strafen zu befürchten, sofern sie die 1,6 Promille nicht überschreiten.
Was spricht für eine Anpassung?
Die DVW führt vor allem die Unfallzahlen an: Radfahrer stellen einen zunehmend größeren Anteil in der Statistik der alkoholisierten Unfallverursacher. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts waren sie 2024 erstmals – vor den Autofahrern – die am stärksten vertretene Gruppe. Blickt man nur auf Fahrradunfälle, hat Alkohol als Unfallursache in den vergangenen Jahren nach ADFC-Angaben ebenfalls zugenommen. Auf diese Entwicklung weist auch Sven Eckert hin, Geschäftsführer des ADFC in Bremen.
Wie positioniert sich der ADFC?
Der ADFC spricht sich für eine Anpassung aus. „1,6 Promille auf dem Rad sind deutlich zu viel“, sagt Eckert. Sein Verband plädiert dafür, einen Grenzwert von 1,1 Promille einzuführen. Dieser Wert entspreche dem Gefahrengrenzwert von 0,5 Promille im Autoverkehr. Heißt: Wer mit mehr als 1,1 Promille auf dem Rad kontrolliert wird, muss Bußgeld zahlen. Wer mehr als 1,6 Promille hat, gilt weiterhin als absolut fahruntüchtig und macht sich strafbar. Die Anpassung ist laut Eckert ein notwendiger Schritt in Richtung „Vision Zero“ – gemeint ist das Ziel, die Zahl der Verletzten und Toten im Straßenverkehr deutlich zu senken.
Wer ist noch dafür?
Auf Bundesebene fordern neben dem ADFC unter anderem der Tüv-Verband und die Gewerkschaft der Polizei strengere Alkoholregeln im Radverkehr. Der ADAC erhebt laut Nils Linge, Sprecher im Bereich Weser-Ems, keine entsprechenden Forderungen. Linge appelliert jedoch an das Verantwortungsbewusstsein der Radfahrer und weist auf die Gefahren von Alkohol im Straßenverkehr hin.
Welche Strafen sind zukünftig denkbar?
„Wenn ich beim Auto mehr als 500 Euro zahlen muss, ist die Hälfte, also 250 Euro, beim Fahrrad angemessen“, sagte DVW-Präsidentin Lühmann der „Rheinischen Post“. Sie orientiert sich dabei an dem Grundsatz, dass Radfahrer für größere Verkehrsverstöße die Hälfte des Betrags zahlen, der im Bußgeldkatalog für Kraftfahrer vorgesehen ist. Konkrete Vorschläge für Bußgelder müsse der Gesetzgeber machen, sagt Eckert.
Was spricht gegen gleiche Regeln für alle?
Es herrscht größtenteils Konsens, dass die Promille-Grenzwerte für Radfahrer angepasst werden sollen. Eine absolute Gleichsetzung mit anderen Verkehrsteilnehmern steht nicht zur Diskussion. Nach Ansicht des ADFC wäre das nicht gerechtfertigt. „Auch sonst orientieren sich die gesetzlichen Alkoholgrenzwerte an der Gefährdung, zum Beispiel null Promille beim Fahren von Taxis, Linienbussen und Gefahrguttransporten“, heißt es in einem Positionspapier. Für Eckert ist ebenfalls klar, dass betrunkene Radfahrer zwar zur Gefahr für andere werden können, die Fremdgefährdung durch Autofahrer aber größer bleibt.
Welche Vorstöße gab es bereits?
Über eine Anpassung wird seit Jahren diskutiert – 2015 hat der Verkehrsgerichtstag eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen. In Bremen hat die Bürgerschaft den Senat 2017 aufgefordert, sich auf Bundesebene für eine Gesetzesänderung einzusetzen. Gefruchtet haben alle Initiativen bislang nicht.