Depression Patient

Relevanz der Komorbidität von Depression und Adipositas

Eine schwere Depression (Major Depressive Disorder, MDD) und Adipositas gehören weltweit zu den führenden Erkrankungen und treten häufig gemeinsam auf. Ihre gegenseitige Beeinflussung erhöht das Risiko für chronische Verläufe, Therapieresistenz sowie somatische Komplikationen. Trotz des Bedarfs an effektiveren Therapien für diese Komorbiditäten bleibt die pharmakologische Evidenz begrenzt.

Potenzieller Nutzen von Statinen bei depressiven Störungen

Statine wie Simvastatin senken nicht nur Cholesterin, sondern wirken auch antiinflammatorisch und neuroprotektiv – Mechanismen, die in der Pathophysiologie der Depression eine Rolle spielen. Kleinere Studien und Beobachtungsanalysen ließen positive antidepressiv wirkende Effekte vermuten. Insbesondere der pleiotrope Einfluss auf Entzündungsmarker und neuroendokrine Systeme begründete Hypothesen zur antidepressiven Potenz.

Simvastatin plus Escitalopram bei komorbider Patientengruppe

Um einen möglichen Zusatznutzen zu klären, untersuchte eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Multicenter-Studie unter Leitung der Charité – Universitätsmedizin Berlin mit 160 Patienten die Wirkung von Simvastatin (40 mg/Tag) als Add-on zu dem Antidepressivum Escitalopram (20 mg/Tag) über 12 Wochen. Einschlusskriterien waren unter anderem ein MADRS (Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale )-Wert ≥18 sowie ein BMI (Body Mass Index) ≥30. Primärer Endpunkt war die Veränderung des MADRS-Scores nach 12 Wochen.

Ergebnisse: Keine Verbesserung der depressiven Symptomatik durch Simvastatin

Der Rückgang der Depressionssymptomatik im MADRS war in beiden Gruppen vergleichbar (Simvastatin: −13,97; Placebo: −13,50 Punkte). Die Analyse ergab keinen signifikanten Gruppenunterschied (p = 0,71). Auch sekundäre Endpunkte wie Selbstauskunft der Patienten gemessen mittels BDI-II (Beck Depression Inventory II), Remission oder Response-Raten bestätigten diesen Befund. Explorativ erhobene Parameter zur Lebensqualität, sozialen Funktionsfähigkeit oder globaler Verbesserung zeigten ebenfalls keine Unterschiede.

Kardiovaskuläre Parameter und CRP verbessern sich signifikant unter Simvastatin

Trotz ausbleibender Effekte auf die Psyche der Teilnehmer, führte Simvastatin erwartungsgemäß zu deutlichen Verbesserungen in LDL-Cholesterin (−40,4 mg/dL), Gesamtcholesterin (−39,1 mg/dL) und dem Entzündungsmarker CRP (−1,04 mg/L) verglichen mit Placebo – bei guter Verträglichkeit und ohne erhöhte Nebenwirkungsraten.

Simvastatin: Keine antidepressive Wirkung, aber relevante kardiometabolische Effekte

Die Studie bestätigt, dass Simvastatin keinen akuten antidepressiven Zusatznutzen bei Patienten mit MDD und Adipositas bietet. Frühere positive Studienergebnisse aus kleineren, methodisch schwächeren Untersuchungen konnten nicht repliziert werden. Ein möglicher Nutzen für spezifische Subgruppen mit kardiovaskulärer Indikation kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. Die lipidsenkenden und antiinflammatorischen Effekte unterstreichen dennoch die Bedeutung von Statinen in der Primärprävention bei psychisch erkrankten Patienten.

Statine ohne Zusatznutzen bei Depressionen und Adipositas

„Was die Behandlung von Depressionen angeht, haben Statine demnach keinen zusätzlichen Nutzen. Klassische Antidepressiva bleiben nach jetzigem Kenntnisstand der Goldstandard“, so das Fazit von Erstautor Prof. Christian Otte, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité am Campus Benjamin Franklin und Leiter der Studie, in einer Meldung der Charité – Universitätsmedizin Berlin.

Auch wenn Simvastatin depressive Symptome nicht lindert, sollte es bei bestehender kardiovaskulärer Indikation gemäß Leitlinie verordnet werden – gerade bei psychiatrischen Patienten, die oft unterversorgt sind. 

Folgestudien zur Beurteilung von Statinen bei Subgruppen über längeren Zeitraum

Künftige Studien sollten gezielter Subgruppen analysieren und längere Behandlungszeiträume sowie andere Wirkmechanismen berücksichtigen. Die Ergebnisse könnten zu einer evidenzbasierten Differenzierung additiver Therapieansätze in der Psychopharmakologie beitragen.

Die Studie wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie der Charité—Universitätsmedizin Berlin gefördert und ist bei ClinicalTrials.gov unter der Nummer NCT04301271 registriert.