Eine Skulptur einer halb liegenden Meerjungfrau in Grün.

AUDIO: Kunsthalle Wilhelmshaven: Die mächtige Meerjungfrau (4 Min)

Stand: 04.08.2025 16:04 Uhr

„Die kleine Meerjungfrau“ von Hans-Christian Andersen hat das Bild der „Meerjungfrau“ stark geprägt. Die Schau „We are all Mermaids“ in der Kunsthalle Wilhelmshaven wirft einen neuen Blick darauf. 

von Nadia Yaqub

Mit ihrer Soundinstallation erweckt Tamara Göhringer einen Mythos zum Leben. Für die Ausstellung „Wir sind alle Meerjungfrauen – We are all Mermaids“ in der Kunsthalle Wilhelmshaven hat sich die Frankfurter Künstlerin auch in die Pose einer der bekanntesten Meerjungfrau-Skulpturen der Welt begeben – die kleine Meerjungfrau aus Bronze von Edvard Erikson.

Die Skulptur verbildlicht das dänische Kunstmärchen von Andersen und ist seit 1913 das Wahrzeichen von Kopenhagen. Die 31-Jährige hat davon einen Silikonabdruck mit Netzstoff gemacht, der jetzt in Wilhelmshaven zu sehen ist. Es ist eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper und seiner Sexualität, erzählt Goeringer. „Ich habe selber in der Skulptur gesessen. Sie hat sowohl diesen Fischwanst, als auch den weiblichen Oberkörper“, sagt sie. Den Wanst könne man auch als Phallus betrachten. Da komme das Fluide zutage. „Das ist für mich ein Thema, das wir irgendwie beides in uns tragen“, erklärt Goeringer.

„Dazwischen“ als Errungenschaft unserer Zeit

Ein Aquarell einer Frau mit nacktem Oberkörper und blauer Haut.

Klara Virnich spielt auf ikonische Frauenbilder an und verwandelt sie in eine persönliche Geschichte.

Die Meerjungfrau als Sinnbild heute nicht mehr nur für reine Weiblichkeit, sondern für den fließenden – „fluiden“, wie es in der Ausstellung heißt – Übergang zwischen den Geschlechtern. Ist die Rede von der Meerjungfrau, muss heute auch vom Meerjungmann gesprochen werden, sagt die Kunsthallen-Leiterin Petra Stegmann. „Ich glaube, das spiegelt unsere Zeit ganz gut wider. Ich finde, es ist eine ganz tolle Errungenschaft der letzten Jahre, dass nicht mehr alle Menschen sich immer so festlegen müssen und sich als Mann oder Frau definieren müssen, sondern, dass es eben dieses ‚Dazwischen‘ gibt – oder das ganz andere, oder wie auch immer.“

Meerjungfrau ist mehr als Disney-Arielle

Die Kuratorinnen Petra Stegmann und Liza Dieckwisch wollten Klischees aufbrechen. Sie schlagen mit den Werken von 14 bildenden Künstler*innen Brücken zu Themen wie Feminismus und Queerness. „Wir wollen mit der Ausstellung zeigen, dass Meerjungfrauen mehr sind, als die Disney-Arielle. Es gibt eine unglaubliche Bandbreite, die sehr viel mehr ist, als diese Mythologie, die wir primär kennen. Die sich eigentlich primär auf das Märchen von Hans-Christian Andersen bezieht, wo sich eine junge, jungfräuliche Meerjungfrau unsterblich in einen Prinzen verliebt.“

Schiffe sind im Hafen der Hallig Oland bei Niedrigwasser festgemacht.

Vor 150 Jahren starb Hans Christian Andersen. Als leidenschaftlicher Reisender hat er auch Norddeutschland besucht.

Wesen mit Macht über Sturm und Gezeiten

Zwei schwangere Seepferdchen mit Unterkörpern von Frauen und Socken an den Füßen

Um ein Gefühl der Verletzlichkeit einzufangen, versieht Heike Kabisch ihre Skulpturen oft mit Drähten, Rissen oder
rohem Material.

Im Märchen steht Undine vor drei Bedingungen für die Liebe auf festem Boden: Sie darf nie wieder nach Hause zurück, verliert ihre Stimme und wird unsagbare Schmerzen beim Gehen haben. Die Meerjungfrau diente in der Historie immer als Projektionsfläche für Ängste, Sehnsüchte und Weltvorstellungen. Doch der Jahrtausende alte Mythos erzählt auch von einer dunklen, mächtigen Seite, so Liza Dieckwisch: „Eigentlich waren diese Meerfrauen oder Meerwesen unglaublich starke Figuren. Bei den Inuit waren sie zum Beispiel für die Verteilung der Jagdbeute zuständig. Sie hatten Macht über Sturm und Gezeiten.“ In der Ausstellung will sie zeigen, dass dieses Thema sehr viel breiter ist. Das beweist auch die Vielfalt der Medien, die benutzt wurden. Von einem digital erstellten Wandbehang, der an die höfische Tapisserie des 18. Jahrhunderts erinnert über eine Porzellan-Skulptur, der über ein Video multimedial Leben eingehaucht wird, bis hin zur Fotokunst von Simon Ringelhan.

Kunst aus eigenen Tränen

Glänzende Kugeln, in denen sich ein Mensch spiegelt auf einem Schwarz-Weiß-Foto

Eine poetische Rückbesinnung auf das Meer als Ursprung allen Lebens von Simon Ringelhan.

Ringelhan hat mit seinen eigenen Tränen Abzüge gemacht! Dabei bedient er sich einer Technik, bei der neben anderen Chemikalien mit Salzwasser Fotos entwickelt werden. Die Geschichte der Sirene hat ihn dazu inspiriert. Das Meereswesen aus der griechischen Mythologie lockt vorbeifahrende Schiffer mit ihrem Gesang an, erzählt Ringelhan. „Wenn sie keinen Mann über Bord bekommen hat, also das quasi nicht geschafft hat, den Mann zu bekommen, hat sie sich aus Scham selbst versteinert“: Das schaffe sie, indem sie Wasser „ausweine“, bis sie zu Stein wird. „Wenn man dann von den Wesen, die damals aus dem Wasser an Land gestiegen sind, ausgeht, dann sehe ich diese Tränen als Ursuppe, aus der wir mal gestiegen sind“, erklärt der Künstler. Wieviel er dafür weinen musste, bleibt allerdings ein Rätsel.

Zusätzlich zur Ausstellung sind ein Kinderprogramm, Literatur- und Filmabende und ein Konzert gemeinsam mit der Musikreihe Klassik am Meer geplant.

Bild in Cartoon-Stil. Rechts eine Meerjungfrau unter Wasser. Links eine Krabbe mit durchgekreuzten Augen. (extra 3 vom 26.06.2025 im Ersten) (Bild hat KI-generierte Elemente)

Die kleine Meerjungfrau taucht ab in die Wahrheit über den Fischfang.

3d-Grafik zeigt das geplante Denkmal "Pavillon der Stimmen"

Der Pavillon der Stimmen ist eine Art Regenbogen mit Glasplatten in 60 Farben. Zum Christopher Street Day 2026 soll er an der Alster in Hamburg stehen.

.

Drag-Künstler:innen führen durch die Hamburger Kunsthalle – mit Fokus auf queere NS-Verfolgung.

Meermann Oliver von Sehlen macht einen Luftkringel unter Wasser.

Für den Wettkampf sind sie aus der ganzen Welt angereist. Mit 50 Jahren ist Meermann Oliver von Sehlen aus Celle der älteste.

Eine Skulptur einer halb liegenden Meerjungfrau in Grün.

Die Meerjungfrau als Sinnbild für fluide Geschlechter?

Die Ausstellung „We are all Mermaids“ in der Kunsthalle Wilhelmshaven wirft einen neuen Blick auf den Meerjungfrauen-Mythos.

Datum:
02.08.2025, 11:00 Uhr
Ende:
05.10.2025
Ort:

Kunsthalle Wilhelmshaven

Adalbertstraße 28

26382

Wilhelmshaven

Telefon:
(04421) 41 448
Öffnungszeiten:
Di, Mi, Fr, Sa, So 11 bis 17 Uhr
Do 11 bis 20 Uhr
Fr, 03.10. (Tag der Deutschen Einheit) 11 bis 17 Uhr

In meinen
Kalender eintragen