Bis zum 28. Spieltag der vergangenen Saison sah es so aus, als könne sich Borussia Mönchengladbach für einen der drei Europapokal-Wettbewerbe qualifizieren. Nach einem 1:0 über RB Leipzig lag das Team von Chef-Trainer Gerardo Seoane gar nur zwei Punkte hinter Champions-League-Platz vier. Es sollte jedoch der letzte Sieg der Spielzeit gewesen sein, es folgten zwei Unentschieden sowie fünf Niederlagen und mit Rang zehn am Ende sogar das Verfehlen des vor der Saison als Ziel gesteckten einstelligen Tabellenplatzes. Sofort rückte Seoane in die Kritik, die Feiern zum 125-jährigen Vereinsjubiläum verhinderten vielleicht die ganz große Unruhe um den Verein.

Warum ist die Borussia auf der Zielgeraden derart abgerutscht?

Hauptursache für den Einbruch war der zum Schluss fehlende Sprit im Tank. Durch verletzungsbedingte Ausfälle wie von Franck Honorat (verpasste in der Rückrunde zwölf Spiele), Rocco Reitz, Philipp Sander und Nathan Ngoumou ließ sich die Belastung im qualitativ zu dünn besetzten Kader nicht ausgewogen verteilen. Alassane Pléa musste auch ob des die Erwartungen nicht voll erfüllenden Kevin Stöger sowie des sich im Training kaum aufdrängenden Florian Neuhaus ebenso permanent ran wie der sogar mit muskulären Beschwerden auf dem Platz stehende Robin Hack, überdies zollte Youngster Lukas Ullrich seiner ersten echten Bundesliga-Saison zum Schluss merklich Tribut. Durch diesen Substanzverlust verlor das bis dahin oft ohnehin über seinem Limit agierende Team sowohl die spielerische Linie als auch die bis dahin vorhandene defensive Kompaktheit, mental gab es zudem plötzlich etwas zu verlieren.

Wie lange hat Trainer Gerardo Seoane Kredit?

Vier Plätze nach oben, sechs Siege und elf Punkte mehr sowie zehn Gegentreffer weniger. Gegenüber der freilich äußerst schwachen Saison 2023/24 konnte der Schweizer die Borussia im zweiten Jahr verbessern. Dennoch forderten nicht wenige Fans auf Grund des negativen Saison-Endes seinen Rauswurf und hofften auf den mit Lokalkolorit versehenen Horst Steffen. Der hätte allerdings selbst bei einer Entlassung Seoanes schon lange bei Werder Bremen im Wort gestanden. Gladbach entschied sich nach einer gründlichen Saison-Analyse dazu, am 46-Jährigen festzuhalten. Es sollte nicht im fünften Jahr in Folge bereits zum vierten Mal ein neuer Trainer installiert werden, vielmehr soll durch Kontinuität auf der Bank Entwicklung stattfinden. Seoane arbeitet ruhig sowie akribisch, kennt die finanziellen Möglichkeiten des Vereins und hat den Mut, junge Spieler einzusetzen. Das anspruchsvolle Auftakt-Programm etwa mit Stuttgart, Leverkusen und Frankfurt könnte die Geduld des Vereins jedoch auf eine harte Probe stellen.

Wo lauert die größte Gefahr?

Die Verletzung von Tim Kleindienst und der Abgang von Alassane Pléa zur PSV Eindhoven bedeuten mit Blick auf die vergangene Saison den Verlust von 27 der 55 erzielten Treffer (49 Prozent) sowie 15 Vorbereitungen ebendieser. Kleindienst soll nach einer Operation am Knie wohl Ende Oktober/Anfang November wieder auf dem Platz stehen können – die große Unbekannte ist aber, wie lange der 29-Jährige nach dann rund einem halben Jahr Ausfallzeit bis zum Wiedererlangen seiner Top-Form benötigen wird. Für Pléa konnte mit Shuto Machino von Absteiger Holstein Kiel zwar der Wunschkandidat geholt werden – allerdings weist der Japaner (25) gegenüber dem sieben Jahre älteren Franzosen sechs Jahre sowie 177 Spiele weniger Bundesliga-Erfahrung auf. Es droht zumindest in der Hinrunde eine Flaute im Angriff und der Borussia dadurch, dem Feld hinterherzulaufen.

Was wird aus Florian Neuhaus?

Einer, der den von der TSG 1899 Hoffenheim ausgeliehenen Kleindienst-Ersatz Haris Tabakovic (31), Machino oder eventuell sogar Youngster Shio Fukuda (21) in Szene setzen könnte, ist Florian Neuhaus. Der inzwischen 28-Jährige besitzt die technischen Fähigkeiten, im zentralen offensiven Mittelfeld feine Pässe zu spielen sowie auch selber Abschlüsse zu generieren. Allerdings hat Neuhaus nach seiner mit von ihm nun selbst genannten vier Millionen Euro Jahresgehalt versüßten Vertragsverlängerung 2023 im Training den nötigen Willen vermissen lassen, um sich für die Start-Elf zu empfehlen. Hinzu kamen Disziplinlosigkeiten wie der eigenmächtig geschnappte Elfmeter bei Werder Bremen im Mai 2024 sowie im Juni dieses Jahres auf Mallorca im alkoholisierten Zustand die Verunglimpfung des Vorgesetzten Roland Virkus. Dieser gibt ihm nach verbüßter Strafe eine neue Chance, für den falsch Abgebogenen und offenbar selbst von den Eltern nicht wieder Eingefangenen wohl die letzte. Entweder Neuhaus besinnt sich endlich auf die ihm vor zwei Jahren zugedachte Rolle des prägenden Regisseurs oder er landet (bei Fortuna Düsseldorf?) auf dem Verleih-Abstellgleis 2. Liga.

Wie sieht die Zukunft aus?

In dieser Saison kann die Zielsetzung eigentlich nur lauten, eine stabile Saison zu spielen. Es gibt wie oben beschrieben zu viele Fragezeichen, zudem könnten im Kader nach Pléa und wohl auch Ko Itakura (Wechsel zu Ajax Amsterdam bei Verfassung dieses Textes noch nicht bestätigt) weitere Abgänge drohen. Finanziell steht die Borussia stabil da, große Ausgeben allerdings lassen sich trotzdem erst nach Einnahmen tätigen. Für den Abstieg sollten die „Fohlen“ zu gut sein, zur Qualifikation für den Platz in einem Europapokal-Wettbewerb aber müsste schon alles optimal laufen. Hoffnung auf mittelfristig wieder mehr machen indes die aktuell starken Nachwuchs-Teams. In Tiago Pereira-Cardoso, Niklas Swider, Kilian Sauck, Noah Pesch (Leihe zum 1. FC Magdeburg) sowie besonders dem erst 16-Jährigen Wael Mohya schlummert viel Talent.

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