Sie verdanken sich nicht der Singularität, die auf den ersten Blicke auch als Kuriosität missverstanden werden könnte, sondern der Sensibilität, sich mit zwei gleichbleibenden Motiven auseinanderzusetzen und lediglich mit der Farbgebung aufs Behutsamste zu verändern: mit einer geografisch unbestimmten Hügellandschaft, «Pastorale» genannt (siehe oben), und flächigen Figuren, die sich als Mutter und Kind entschlüsseln lassen. Natur und Kreatur. Die Fülle der Variationen animiert, nach Abweichungen zu suchen und sie zu interpretieren. Eine Schule des genauen Sehens. Vorab allerdings malt Daniel Gallmann für sich: «Kunst ist letztendlich eine Übung für den Künstler selbst.» Das zeugt von Ehrfurcht vor dem musischen Prozess als einem meditativen Akt. Nicht selbstvergessen, sondern mit dem Ziel gesellschaftlicher Kritik.

Befreit vom Innovationsdruck

In den Bildern steckt der eindringliche Protest gegen eine Kunst, die nach den Worten des Künstlers «dienstfertig zu einem Bestandteil der Konsum- und Unterhaltungsindustrie geworden» sei, wogegen es gelte, eine «widerständige Haltung einzunehmen». Wenn «der Kunstmarkt ständige Innovation fordert, antworte ich mit Nullinnovation. Der Forderung nach immer neuen kreativen Hervorbringungen setze ich das immer Gleiche und immer schon Dagewesene entgegen.» Das geschieht fern jeder Ideologie und religiösen Konnotation. «Wir haben unseren selbst konstruierten Erzählungen von einer besseren Welt durch ‚Fortschritt‘ zu viel Glauben geschenkt. Es ist Zeit für mehr Demut.» Als standhaft gelebte Freiheit, wäre beizufügen.

Musikalisches Denken

Der Kunsttheoretiker Bazon Brock lobt Daniel Gallmann aus ökonomischen und ökologischen Gründen für den Entschluss, «dem Wachstumsgedanken Einhalt zu gebieten» mit der Selbstbeschränkung. Es gelinge dem Künstler, «das Unterlassen im höchsten Sinne zu kultivieren». Für den Dichter Eugen Gomringer manifestiert sich in den Bildern Daniel Gallmanns «das von Kandinsky, Josef Albers und Max Bill zur Reife gebrachte musikalische Denken, nämlich das Variieren eines Themas». 

Erfüllte Hoffnung

Für Daniel Gallmann ist es das Werden und Vergehen. Alles fliesst. Jetzt und in aller Ewigkeit. Ohne Pathos in die Bildsprache übertragen. Die Bewegungslosigkeit der Einzelbilder wird in der Serie zum Film. Als autobiografisches Dokument des Malers, als  eine Geschichte der Zeit für den Betrachter. Es ist schwer – und wäre obendrein unverdient – , diesem Werk die Innovation absprechen zu wollen und Daniel Gallmanns Behauptung zu teilen, mit «Nullinnovation» dem Neuheitsfuror des Kunstmarkts zu trotzen. Der Widerstand gilt dem kommerziellen Druck auf die Kunstschaffenden und deren Einschränkung auf konsumtaugliche Trends und bejubelte Eintagsfliegen. Die Verweigerung gelingt Daniel Gallmann mit seiner schöpferischen Energie und Disziplin souverän. 

Eugen Gomringer wünschte dem Künstler mit dem «starken Glauben an die Kunst, das heisst an etwas Positives und Fundiertes in der zweifelnden Welt», die «Möglichkeit, den eingeschlagenen Weg weiter gehen zu können.» Das war 1991. Die Hoffnung hat sich erfüllt und erfüllt sich weiterhin. Auch mit den vom Werk gelieferten Fragen für tieflotende Diskussionen. 

Die Zitate stammen aus dem von Kunstmuseum Singen und Daniel Gallmann herausgegebenen Buch «Bildaskese & Teil sein», mit Texten von Bazon Brock, Laura Vogt und Paolo Bianchi, deutsch und englisch, reich illustriert, Verlag für moderne Kunst, Wien 2025, 125 Seiten.

Das Zitat von Eugen Gomringer ist dem Heft zur 1991 von Bob Gysin und Philippe P. Rey kuratierten Ausstellung in der Stadtgalerie Dübendorf entnommen.