Braunschweig. Christian Malak arbeitet schon mit einem Chatbot und organisiert sich rein digital. Wie sich sein jahrhundertealter Beruf verändert.
„Wir üben ein sehr altes Handwerk aus, das wir alle erlernt haben, weil wir mit unseren Händen etwas schaffen wollen“, sagt Christian Malak. Doch das traditionsreiche Tätigkeitsfeld der Schornsteinfeger, in unserer folkloristischen Vorstellung geprägt von Besen und schwarzem Ruß, hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. „Die Aufgaben haben sich durch die Energiewende verändert, oder besser: erweitert“, erklärt der Obermeister der Braunschweiger Schornsteinfeger-Innung und wirft einen Blick auf das, was ihn und viele Kollegen heute beschäftigt: Wärmepumpen.
In den betreffenden Haushalten haben Schornsteinfeger per se erst einmal nichts zu tun, könnten aber bei der Umrüstung betreuen und regelmäßige Effizienzüberprüfungen der neuen Anlagen durchführen, so Malak. „Das erfordert jedoch, dass wir uns anpassen: Wir brauchen neue Kenntnisse, Werkzeuge und Fähigkeiten“, betont der 40-Jährige. „Das ist wiederum ein Weg, den viele ältere Kollegen nicht mehr mitgehen wollen.“
Briefe an tausende Braunschweiger Haushalte
Doch nicht nur die Technik rund ums Heizen hat das Schornsteinfegerhandwerk revolutioniert. „Die größte technische Entwicklung der letzten zehn bis 15 Jahre ist für uns ganz klar die Digitalisierung“, sagt Malak. Zwei- bis dreitausend Haushalte betreut ein durchschnittlicher Schornsteinfegerbetrieb. Und während der Termin noch immer oft per Kärtchen im Briefkasten angekündigt wird, läuft dahinter vieles automatisiert ab. „Früher habe ich Berichte und Messergebnisse handschriftlich auf Karteikarten notiert“, erinnert sich Malak, „eine Bürokraft musste das abtippen. Die Datei wurde ausgedruckt, eingetütet und die Briefmarke angeleckt.“
Mittlerweile hat er ein papierloses Büro und dokumentiert alles direkt in einer App. Dank dieser branchenüblichen Tools bleibt mehr Zeit für die eigentliche Arbeit und Kundenkontakt.
„Wir setzen modernste Technik ein und darauf sind wir stolz.“
Christian Malak
In Braunschweig wurden Schüttelflaschen eingesetzt, jetzt smarte Tools
Auch bei der technischen Ausrüstung hat das Handwerk Modernisierungssprünge erlebt. „In den 70er Jahren verwendeten wir Schüttelflaschen zur Abgasmessung“, erzählt Malak. In diesen musste der Sauerstoff- und Kohlenstoffanteil regelrecht „ausgewaschen“ werden, um die Ergebnisse zu ermitteln. Die aktuellen Messgeräte seien schneller, zuverlässig und präzise.
Malak selbst zeigt sich begeistert von den technischen Möglichkeiten, die es inzwischen gibt. „Das ist ein bisschen das innere Kind in mir“, sagt er lächelnd. „Von der Apple Watch über Wärmebildkameras und multifunktionale Messgeräte bis hin zur Drohne – wir setzen modernste Technik ein, und ja, darauf sind wir auch stolz.“ Diesen Enthusiasmus nutzt er auch, um dringend benötigten Nachwuchs für seine Branche zu gewinnen.
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„Unser ältestes Schätzchen“, sagt Malak und zeigt in seinem Arbeitszimmer auf ein etwas klobiges, graues, vielleicht 20 mal 10 Zentimeter großes Gerät, „hat jetzt 20 Jahre auf dem Buckel. Heute hat man Touchscreens, Farben, Symbole. Und Messgeräte erfassen nicht nur eine größere Bandbreite an Daten, sondern kombinieren zugleich verschiedene Funktionen. Unsere Arbeit wird dadurch schneller und effizienter.“
Doch die Digitalisierung sei nur ein Aspekt der Transformation. Einen entscheidenden Treiber sieht Malak in Künstlicher Intelligenz. Sie verändere das Handwerk unter anderem bei der Überwachung von Verbrennungsprozessen, was bislang fest in den Aufgabenbereich der Schornsteinfeger gehörte. „Durch smarte Sensoren und KI reduzieren sich die Überprüfungsintervalle, das merken wir immer mehr“, sagt Malak und deutet voraus auf Entwicklungen, die sein Berufsbild nachhaltig prägen könnten.
Christian Malak hat einen eigenen Chatbot für die Bedürfnisse der Schornsteinfeger-Zunft in Braunschweig und Region programmiert.
© Funke Medien Niedersachsen | Torben Dietrich
Dabei bleibt er selbst nicht bloß Nutzer, sondern gestaltet aktiv mit. Für die Braunschweiger Schornsteinfegerinnung entwickelt er einen Chatbot auf Basis von ChatGPT, trainiert mit Gesetzen, technischen Verordnungen und Bedienungsanleitungen für Heizungsanlagen, ergänzt mit Bildmaterial und Sprachausgaben. „Schornsteinfeger 5.0“ nennt er das Projekt.
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Erleichtern, im wahrsten Sinne des Wortes, könne Künstliche Intelligenz zudem die Energieberatung. „Ein Beispiel? Die DIN 18599“, erläutert Malak. Diese Norm, rein physisch ein kaum handhabbares Monstrum aus 4400 kommentierten Seiten, ist die Grundlage für die energetische Bewertung eines Gebäudes. Statt den analogen Schmöker zu wälzen, ließ Malak ihn als PDF in einen weiteren selbst modifizierten Chatbot einlaufen. Nun kann er, statt stundenlang zu suchen, gezielte Fragen stellen. „Im Ergebnis habe ich dann immer einige Punkte, die sich darauf beziehen und mit denen ich arbeiten kann.“
Ein weiteres Szenario: Der Schornsteinfeger macht ein Foto einer Raumecke, lädt es in den Bot und fragt, welche Voraussetzungen für einen Kamin an dieser Stelle erfüllt werden müssen. „Die KI wird keine Schornsteine fegen. Aber Wissen lässt sich ersetzen“, gibt Malak zu bedenken. Bewerten wolle er diese Entwicklung gar nicht, er verstehe sie als Chance. „Allerdings muss ich die Technologie in meine Abläufe integrieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“
Ruß bleibt Ruß – auch in Braunschweig
Und beim Fegen der Schornsteine? Dem Job, der den Ruß im Gesicht verteilt? „Seit Jahrhunderten nutzen wir dazu mehr oder weniger identisches Werkzeug. Das ist noch heute so, das wird auch immer so bleiben“, ist Malak überzeugt. „Der notwendige Blick auf den Ruß, der Widerstand im Abzug, das Geräusch – all das müssen wir wahrnehmen und richtig einschätzen. Keine Digitalisierung wird daran je etwas ändern.“
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