Der Neukölln-Komplex um eine rechtsextremistische Anschlagsserie ist zumindest bei zwei Brandanschlägen auf Autos strafrechtlich abgeschlossen. Das vom Landgericht Berlin im Dezember gegen zwei Neonazis verhängte Berufungsurteil zu mehreren Jahren Haft ist rechtskräftig. Das Kammergericht verwarf jetzt in dritter und letzter Instanz die Revision der Angeklagten. Das bestätigten die Verteidiger dem Tagesspiegel.
Tagesspiegel Checkpoint: Berlins beliebtester Newsletter
Der schnellste Berlin-Überblick von Montag bis Samstag.
Damit kommt auf die beiden Verurteilten nun eine Ladung zum Haftantritt zu. Der Beschluss des Kammergerichts (4 ORs 29/25) erging am vergangenen Freitag ohne nähere Begründung. Das Gericht störte sich nicht daran, dass die Staatsschutzkammer des Landgerichts in ihrem Urteil selbst festgestellt hatte, es lägen keine Beweise für die Tatbeteiligung der beiden Neonazis vor, sondern lediglich zusammengeführte Indizien.
Im Urteil des Landgerichts heißt es, „dass unmittelbare Beweismittel für die Täterschaft der beiden Angeklagten, etwa eindeutige Standortdaten, Fahrzeugbewegungsdaten, Zeugen, die die Angeklagten in Tatortnähe gesehen haben, oder aber Finger- oder DNA-Spuren, nicht vorhanden sind“.
Trotziger Auftritt. Die Neonazis Sebastian T. (links) und Tilo P. im Amtsgericht Tiergarten.
© Frank Jansen
Der erste Prozess begann vor drei Jahren am Amtsgericht Tiergarten. Es hatte die beiden Angeklagten noch vom Vorwurf der Brandstiftung an den Autos des Linke-Politikers Ferat Koçak und des Buchhändlers Heinz Ostermann Anfang 2018 freigesprochen – aus Mangel aus Beweisen. Nachdem der Fall vor dem Landgericht neu aufgerollt worden war, sagte die Vorsitzende Richterin bei der Urteilsbegründung sogar, es habe sich um einen politischen Prozess gehandelt.
Bezirke-Newsletter: Neukölln
Mehr Neuigkeiten zum Bezirk gibt es in unserem Newsletter — jede Woche per E-Mail.
Der frühere NPD-Kader und polizeibekannte Neonazi Sebastian T. war unter anderem wegen zweifacher Brandstiftung, aber auch wegen Sozialbetrugs, Bedrohung und Sachbeschädigung zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Der frühere AfD-Politiker Tilo P. hatte wegen zweifacher Brandstiftung zwei Jahre und zehn Monate Haft bekommen.
Nach Ansicht des Gerichts hatte die rechtsextremistische Gesinnung der beiden Männer für die Taten eine wesentliche Rolle gespielt. „Das waren politische Straftaten“, sagte die Vorsitzende Richterin. Vom Bundesgerichtshof (BGH) kann das Urteil nicht überprüft werden.
Der Fall bleibt in Berlins Justiz und landet nicht beim Bundesgericht
Die Staatsanwaltschaft hatte die Anklage so erhoben, dass der Fall in den Berliner Instanzen bleibt und maximal vor dem Kammergericht endet. Aktuell verfasst der Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses zum Neukölln-Komplex seinen Abschlussbericht.
Neonazis und Rechtsextremismus in Berlin Wieder beim Berlin-CSD festgenommen Neonazi-Anführer Julian M. lief trotz Hafturteil vier Monate frei herum Es geht um Liebesbeziehungen und Techno Warum sich junge Neonazi-Gruppen gerade gegenseitig bepöbeln Gezielte Rekrutierung? Wie alte Neonazi-Kader bei der rechtsextremen Jugend mitmischen
Die beiden Anschläge auf die Autos von Koçak und Ostermann gelten als trauriger Höhepunkt einer Anschlagsserie insbesondere in Süd-Neukölln. Insgesamt rechnen die Behörden der Serie mindestens 72 Straftaten zu, darunter weitere Brandanschläge, Morddrohungen und andere Einschüchterungsversuche.