Dresden/Berlin – In Dresden steht seit heute ein Lampen-Händler vor Gericht – und es zittern: China und die AfD! Denn der Mann, der einst LED-Lampen aus seiner Heimat in Deutschland vertickte, soll ein veritabler China-Spion gewesen sein: Jian Guo (44), enger Mitarbeiter von AfD-Europa-Star Maximilian Krah (48).
Im April 2024 wurde der Deutsch-Chinese vom Generalbundesanwalt bei einem nächtlichen Zugriff in Dresden eingebuchtet. Seit heute wird ihm vor dem Oberlandesgericht Dresden der Prozess wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit für China gemacht.
Der mutmaßliche Kommunisten-Zuträger hat eine irre Geheimdienst-Karriere hinter sich. Die Frage in Berlin: Wie gefährlich wird dieser Prozess für die AfD – und vor allem für einen ihrer schillerndsten Vertreter, Maximilian Krah?
Der Angeklagte Jian Guo L.) mit seinem Rechtsanwalt Dirk Sukow heute im Oberlandesgericht Dresden
Foto: Dirk Sukow
BILD dokumentiert die Spionage-Karriere anhand von Nachrichtendienst-Akten. Involviert: der deutsche Auslandsnachrichtendienst BND, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz
Die Akte Jian Guo
▶︎ 2001 kommt Jian Guo nach Dresden, studiert an der TU Germanistik/Deutsch als Fremdsprache, Sächsische Landesgeschichte und Neuere und Neueste Geschichte. Abschluss 2009 mit Magister-Titel.
▶︎ Im Auftrag seiner Tante Liu Minglei und finanziert durch seine Familie baut Guo eine Firma auf – die G & K Vertriebs GmbH, ein Handelsunternehmen für den Import und Vertrieb chinesischer LED-Leuchten und LED-Paneele. Bis 2012 war die Tante die Chefin, dann er. Die Firma wird in LEUDUS Electronics GmbH umbenannt. Verdacht: Alles nur Tarnung!
Mehr zum ThemaDer Informant
▶︎ Anfang 2007: Der Bundesnachrichtendienst (BND) weist das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen auf Jian Guo hin. Jian Guo hatte sich zuvor dem BND als Informant angeboten. Der BND hatte kein Interesse.
▶︎ März 2007: Guo wird zum ersten Mal von Verfassungsschützern angesprochen.
▶︎ Dezember 2007: Jian Guo wird als Informant eingetragen.
23. April 2024: Fahnder vor dem Wohnhaus von Jian Guo in Dresden
Foto: Olaf Rentsch
▶︎ Jian Guo lieferte Informationen zu angeblichen Aktivitäten Pekings gegen in Deutschland lebende chinesische Oppositionelle, später auch Personen, Firmen, Vereinen und Gruppierungen mit möglichen Kontakten zu chinesischen Nachrichtendiensten.
Die offene Frage: Waren die Informationen gezielte Leaks der Chinesen, um ihren Mann dichter an die deutschen Geheimdienste und in andere Jobs zu bringen?
▶︎ Ausdrücklich heißt es in der Akte: Man habe ihm keine Aufträge erteilt. Jian Guo sei lediglich, wie es bei Nachrichtendiensten heißt, „abgeschöpft“ worden. Man hat also notiert, was er erzählt hat.
Der Doppelagent
Acht Jahre nach seiner Anwerbung als Informant war man sich sicher: Jian Guo arbeitet doch für China. Die Information, dass Guo ein Peking-Spitzel ist, kam vom Bundesamt für Verfassungsschutz. Das Blatt wendet sich: Jian Guo wird beobachtet.
▶︎ Ab 2014 macht sich Guo an den Jungpolitiker und Anwalt Maximilian Krah ran. Krah übernimmt Mandate. Krah ist damals noch in der CDU, Jian Guo in der SPD.
Die Frage für die Geheimdienstler heute: Hat Peking seinen Mann an Krah herangeführt – oder war der eingeweiht und willig (was der bestreitet)?
▶︎ 2015 und 2016: Über Monate führen die Spionageabwehr (Referat 4A4) des Bundesamtes sowie das Landesamt für Verfassungsschutz operative Maßnahmen gegen Jian Guo durch. Heißt: Er wird überwacht. Verdacht: Er arbeitet für China.
Krah wechselt im September 2016 von der CDU in die AfD. Und er fällt immer häufiger mit einem auf: China-Lob!
▶︎ 2016: Jian Guo wird in die Mangel genommen, d.h. „konfrontativ befragt“. Der Verdacht konnte weder entkräftet noch erhärtet werden. Aber: Jetzt wird der Lampen-Händler als Verdachtsfall geführt.
In diesem Plattenbau hatte der frühere Lampen-Händler Guo eine Eigentumswohnung gekauft
Foto: Olaf Rentsch
▶︎ Um ihn unter Kontrolle zu behalten, wird zu Guo „pro forma“ die Verbindung gehalten. Gründe für die „weitere scheinbare Zusammenarbeit“: Er wollte seinen Doktor machen und einen Job „in einem für chinesische Nachrichtendienste interessanten Bereich“ finden. Man wollte ihm auf der Spur bleiben („berufliche Entwicklung, Aktivitäten, Reisen, Kontakte“).
Abschaltung
▶︎ August 2018: Die Verfassungsschützer urteilen: „keine nachrichtendienstlich relevanten Erkenntnisse mehr“. Folge: „Die ND-Person Jian Guo“ wird von den Sachsen in Absprache mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz „abgeschaltet“.
Der Spion
Die Sachsen mögen Guo abgeschaltet haben. Das Bundesamt aber hat ihn weiter auf dem Radar. Die Spionage-Jäger werden fündig.
▶︎ Guo tauscht sein lukratives Lampen-Business (Eigentumswohnung, Geld für die Privatschule der Tochter) gegen einen Assistenten-Job im EU-Büro von Maximilian Krah.
Auch in diesem Wohn- und Geschäftshaus in Dresden durchsuchten Fahnder im Auftrag des Generalbundesanwalts Räume
Foto: Olaf Rentsch
▶︎ Im Dezember 2019 schreibt das BfV an die Sachsen-Kollegen, dass die Spionageabwehr des BfV mehrere Telefonate Guos mit dem Botschaftsrat der politischen Abteilung der chinesischen Botschaft in Berlin abgefangen habe.
Zeitgleich forciert Krah neben seinem Faible für Russland seine China-PR. Krah geht auf China-Reise, empfängt China-Kommunisten und redet ihnen nach dem Mund. Das Duo Krah/Guo schleust Chinesen-Gruppen durchs EU-Parlament. Guo öffnet offenbar die Türen in beide Richtungen – für Krah und die Pekinger Diktatoren.
Folge: Die Spionageabwehr beim BfV bearbeitet Jian Guo nun operativ. Er wird systematisch überwacht. 2020 wird Jian Guo im Auftrag des Bundesamtes observiert.
Guos Dienstherr Krah wird immer auffälliger in Sachen Peking: Mit Blick auf die Besetzung Tibets durch China und den staatlich organisierten Bevölkerungsaustausch plädiert Krah für eine „dezentrale Interpretation der Menschenrechte“.
Er lobt die Kommunisten-Diktatur mit ihrer Medienzensur als „Große Chinesische Firewall“ gegen „woke-westliche Medien“. China und Russland seien keine Bedrohung für den Westen.Krahs Lobby-Truppe: Schließlich berichtet das Portal „T-Online“, Krah habe den Anstoß für ein deutsch-chinesisches Lobby-Netzwerk gegeben. Strippenzieher: eben jener ehemalige Lampen-Händler Guo. Über das Netzwerk sei auch Geld aus China geflossen. Es gebe Hinweise auf Verbindungen zum chinesischen Staat.
Verhaftung
▶︎ 22. April 2024: Jian Guo wird verhaftet. Verhaftung und Razzien sind durch das Bundeskriminalamt und das LKA Sachsen erfolgt – im Auftrag des Generalbundesanwalts.
Auch danach fand Krah noch lobende Worte für den mutmaßlichen Kommunisten-Spion an seiner Seite. Obwohl klar ist: Guo hat brühwarm selbst den größten Krah-Tratsch nach Peking gemeldet. Und auch das: Interna aus der AfD – bewusst oder unbewusst – von Krah berichtet. Selbst intimste Details aus dem Leben von AfD-Chefin Weidel seien so in Peking gelandet.
Am Tag des Prozessbeginns tut Krah so, als habe er mit dem ganzen China-Kram nicht viel zu tun: „Ich hoffe, dass der Sachverhalt komplett aufgeklärt wird. Auch ich will wissen, was passiert ist.“