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Der ukrainische Botschafter für die Türkei vermutet ein großes Interesse Wladimir Putins und Moskaus am aktuellen Machtbereich von Recep Tayyip Erdogan.
Ankara – Bislang ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan einer der wenigen Vermittler im Ukraine-Krieg zwischen dem brutalen Moskau-Regime des Kreml-Autokraten Wladimir Putin und Kiew. Experten zufolge auch, weil Ankara seinen Einfluss im Schwarzen Meer geltend machen will. Mit Verweis auf das Binnenmeer und den Bosporus hat der Botschafter der Ukraine für die Türkei Ankara nun eindringlich vor Russland gewarnt.
Reden trotz Ukraine-Krieg miteinander: Türkei-Präsident Recep Tayyip Erdogan (li.) und der russische Machthaber Wladimir Putin. © IMAGO / SNA
„Man kann mit Russland Handel treiben, aber es kann keine strategische Partnerschaft geben, die die Interessen der Türkei schützt“, meinte Nariman Dzhelyal im Gespräch mit RBC-Ukraine. Vielleicht seien „als Nächstes der Kaukasus und die Türkei selbst an der Reihe“, sagte der Diplomat in dem Interview und erklärte: „Die Geschichte zeigt, dass Russland versucht, den Bosporus und die Dardanellen zu kontrollieren, um Zugang zum Mittelmeer zu erhalten. Ich bin übrigens sicher, dass die derzeitige Schließung dieser Meerengen durch die Türkei diesem Wunsch der Russen nur noch mehr Vorschub leistet.“
Recep Tayyip Erdogan: Ukraine warnt vor Wladimir Putins Russland und wirbt um die Türkei
Der Bosporus ist die Meerenge zwischen Schwarzem Meer und Marmarameer. Moskau braucht die Route für den Verkehr seiner Schiffe und U-Boote aus dem Schwarzen Meer ins Mittelmeer. Ankara hatte die Passage aber für russische Kriegsschiffe und Unterwasser-Boote geschlossen. Die Türkei ist Teil der Verteidigungsallianz Nato. In den vergangenen Wochen fanden wiederum wiederholt Verhandlungen zum Ukraine-Krieg in der riesigen Millionenmetropole Istanbul statt, die direkt am Bosporus liegt. Einen Waffenstillstand kam nicht dabei raus.
Dzhelyal warb in dem Interview um die Gunst der türkischen Regierung unter dem international polarisierenden Präsidenten Erdogan. „Wenn ein türkischer Politiker ehrlich und objektiv ist, wird er sicherlich zu dem Schluss kommen, dass im globalen Maßstab die Interessen der Türkei, insbesondere im Hinblick auf die Sicherheit im Schwarzen Meer, in engen partnerschaftlichen Beziehungen mit der Ukraine liegen“, sagte der Botschafter und warnte: „Die russische Propaganda fühlt sich in der Türkei, anders als in vielen europäischen Ländern, recht wohl.“
Bosporus
Der Bosporus ist eine Meerenge zwischen Europa und Asien, die das Schwarze Meer mit dem Marmarameer verbindet. Auf seinen beiden Seiten befindet sich die Metropole Istanbul mit ihren rund 15,7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. Der Bosporus hat eine Länge von rund 30 Kilometern und eine Breite von 700 bis 2500 Metern. In der Mitte variiert die Wassertiefe zwischen 36 und 124 Metern.
Dardanellen am Mittelmeer: Die Türkei hat die volle Souveränität darüber
Putins brutales Regime um den willfährigen Außenminister Sergei Lawrow hatte bislang nicht offen Ansprüche auf den Bosporus oder die Dardanellen erhoben, also jener Meerenge im Mittelmeer zwischen Ägäischem Meer und dem Marmarameer. Seit Jahrhunderten ist sie Gegenstand von Machtkämpfen. Zwischen 1920 und 1936 standen die Dardanellen nach der Niederlage des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg unter internationaler Kontrolle des Völkerbundes. Seit dem 20. Juli 1936 regelt der Vertrag von Montreux die Durchfahrt – die Türkei erhielt die volle Souveränität über die Meerenge zurück.
In Friedenszeiten muss der Türkei gemäß Artikel 13 die Durchfahrt eines Kriegsschiffes auf diplomatischem Wege vorher mitgeteilt werden, in der Regel acht Tage zuvor. Dzhelyals Worte fallen in eine Zeit, in der international die Bedenken wegen Putins Imperialismus weiter wachsen. So beschäftigt sich Österreich mit einem möglichen Nato-Beitritt, und die Europäische Union (EU) will militärische Korridore an die Nato-Ostflanke schaffen. (pm)