Stand: 06.08.2025 05:24 Uhr

Mit Karol Nawrocki bekommt Polen heute einen Präsidenten, der bis zur Wahl weitgehend unbekannt war. Der rechte Überraschungskandidat mit zweifelhafter Vergangenheit dürfte der Regierung Tusk das Leben schwer machen.


Martin Adam

Ein Mann müsse es sein, eine Frau auf gar keinen Fall. Jung müsse er sein, groß und gutaussehend – und Familie haben. So hat Jarosław Kaczyński, der Vorsitzende der rechtspopulistischen PiS-Partei, seine Idealvorstellung eines polnischen Präsidenten beschrieben. Im Juni 2024 war das.

Genau ein Jahr später gewinnt tatsächlich Kaczyńskis Kandidat Karol Nawrocki mit hauchdünnem Vorsprung die Wahl. Über Schönheit lässt sich streiten, mit 42 ist Nawrocki aber tatsächlich jung. Sonst ist Polens nächster Präsident aber bisher ein Rätsel.

Sein mächtigstes Mittel: Das Veto

Er sei erfüllt von Ehre und Verantwortungsgefühl, erklärt er immer wieder, und er wolle Polen gestalten: „Ich garantiere, dass Sie nach dem 6. August, wenn ich offiziell Präsident der Republik Polen bin, einen fleißigen Präsidenten sehen, der nicht Wochen und Monate darauf wartet, das Programm für das 21. Jahrhundert zu realisieren“, sagte Nawrocki Ende Juni vor Anhängern.

Nur: Allzu viel kann der polnische Präsident gar nicht politisch gestalten. Er kann vor allem per Veto-Politik blockieren. Die Regierung um Donald Tusk befürchtet genau das – dass Nawrocki wie sein Vorgänger Andrzej Duda zentrale Reformversprechen aufhalten will, letztlich um die 2023 abgewählte PiS zurück an die Macht zu bringen.

Tusk setzt daher auch gar nicht erst auf Zusammenarbeit. „Ich habe keinen Zweifel, dass Herr Nawrocki, wenn er erst Präsident ist, alles dafür tun wird, Ärger zu machen. Aber ich erlaube nicht, dass Herr Nawrocki als Präsident die Regierung demoliert“, bekräftigte der Minsterpräsident.

Die Fronten sind klar

Schon bevor der neue Präsident überhaupt den Amtseid geschworen hat, sind die Fronten also klar. Nawrocki ist Historiker, hat ganz auf PiS-Linie das Institut für Nationales Gedenken geleitet, war aber früher auch mal Boxer, Türsteher, hat an illegalen Kämpfen unter Hooligans teilgenommen, soll einen alten Mann um dessen Wohnung betrogen haben – die Liste der Skandale, die im Wahlkampf herauskamen, ist lang.

Um Stimmen zu bekommen, hat Nawrocki eine Forderungsliste der rechtsextremen Partei „Konfederacja“ unterschrieben, später in einem Interview aber erklärt, er könne sich durchaus Zusammenarbeit mit der Regierung Tusk vorstellen – vor allem für mehr Sicherheit und weniger Steuerlast, aber selbst bei für die PiS-Wählerschaft so sensiblen Themen wie legalen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften.

Lernfähig – aber in welche Richtung?

Nawrocki sei ein Unbekannter, den Polen erst jetzt, als Präsidenten, richtig kennenlernen wird, sagt der Warschauer Politologe Antoni Dudek. „Die Zeit wird zeigen, ob es eine qualitative Veränderung der polnischen Politik gibt oder ob Karol Nawrocki lediglich als Rammbock fungiert, mit dessen Hilfe die PiS die Regierung Tusk stürzen wird und Nawrocki danach eine loyaler Mitarbeiter des Vorsitzenden Kaczyński ist.“

Eines aber, sagt Dudek, müsse man dem neuen Präsidenten zweifellos zugestehen: Im Wahlkampf sei er als Underdog gestartet und habe doch gewonnen. Karol Nawrocki sei ein Kämpfer, einer, der sehr schnell lerne.