Zu Österreichs und Deutschlands Veto gegen ein Aussetzen des Assoziierungsabkommens zwischen Israel und der EU und der medialen Berichterstattung darüber
Ein Gastbeitrag von Günter Hackmüller
Wenn Ungarns Ministerpräsident Orban oder der slowakische Ministerpräsident Fico Sanktionen gegen Russland im Europäischen Rat blockieren, ist das regelmäßig der Startschuss für eine mediale Hetze gegen beide „Blockierer“ Europas. „Russland-Freunde“, „Autokraten“ heißt es dann.
Ganz anders, wenn Deutschland im Verein mit Österreich Sanktionen der Europäischen Union gegen Israel blockieren, obwohl Israel seit Monaten den Gaza-Streifen in Schutt und Asche legt, Menschen tötet und aushungert, von Wasser und Medikamenten abschneidet und eine „humanitäre Stadt“ genanntes Konzentrationslager für die palästinensische Bevölkerung plant. «Wir kämpfen gegen Tiere und handeln entsprechend.», sagte Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant.
In diesem Fall werden deutsche und österreichische Regierungsvertreter nicht müde zu betonen: „Israel ist im Unterschied zu Russland immer noch eine Demokratie“, wie zuletzt Bundeskanzler Friedrich Merz auf der Bundespressekonferenz vom 18. Juli auf die Frage eines Journalisten, warum Deutschland im Fall Israels ganz anders als bei Russland EU-Sanktionen gegen Israel wegen Verletzung des Völkerrechts hintertreibe.
Blockieren Österreich und Deutschland eine gemeinsame Entscheidung des Europäischen Rates in Sachen Israel, ist von einem Vorwurf, die Einigkeit Europas würde untergraben, im heimischen Blätterwald weit und breit nichts zu lesen. Wenn es die eigene Regierung ist, die ein Veto einlegt, dann wissen deutsche und österreichische Medien, wie sie für ihre Leserschaft das Nicht-Zustandekommen einer europäischen Einigung „einzuordnen“ haben. Dann kann man lesen: „Auf die von manchen geforderte Aussetzung des Assoziierungsabkommens mit dem Nahoststaat wurde verzichtet.“ (Spiegel vom 26.06.2025). Dann wissen auch die hiesigen Leitmedien, dass Sanktionen nicht „sinnvoll“ sind und ein medialer Aufschrei über „Blockierer“ Europas in diesem Fall unangebracht sei. Als nachgeradezu absurd wäre in diesem Fall auch der Vorwurf „Israel-Freund“ an die Adresse Deutschlands oder Österreichs. Einem Staat, der die Staatsräson Israels zur eigenen Staatsräson erklärt, kann man ja nun wirklich nicht die Unterstützung Israels vorwerfen. Während es also bei „unserem Feind“ Russland gar nicht genug Sanktionen geben kann, gilt im Falle Israels: Befreundete Staaten sanktioniert man nicht, bei denen ist es „sinnvoller, die Gesprächskanäle offen zu halten“. Schon gar nicht angesichts der in Wien gerade beschlossenen zukünftig verstärkten Freundschaft zwischen Israel, Deutschland und Österreich im sogenannten „Wiener Trilog“ (Die Presse, 11. Juli 2025).
Verkehrt wäre es, diese unterschiedliche Behandlung der beiden Fälle – Krieg in der Ukraine bzw. Israels Vorgehen im Gaza-Streifen – als Anwendung von zweierlei Maß zu interpretieren. Während Israel – bei aller geschmäcklerischen Kritik an einzelnen seiner Schritte – ein Vertreter „unserer Interessen“ im Nahen Osten ist und dort nur – um die Worte des deutschen Kanzlers Merz zu verwenden – unsere „Drecksarbeit“ erledigt, ist Russland der Staat, der unsere „europäische Friedensordnung“ untergräbt, indem es sich unter Einsatz von Waffengewalt weigert, unsere exklusive Regelungskompetenz bis tief in den Osten anzuerkennen.
Es ist also – entgegen anderslautenden Gerüchten – immer derselbe Maßstab, das machtpolitische Interesse Europas, das zur Anwendung kommt. Wer, wenn nicht das sich zur europäischen Führungsmacht berufen fühlende Deutschland – und in seinem Windschatten Österreich – wäre besser berufen, dieses europäische Interesse zu definieren? Eine Definitionshoheit, die in der sich machtpolitisch neu aufstellenden EU, die alles unternimmt, um zur anerkannten Weltmacht aufzusteigen und sich die dafür erforderlichen Kriegsgeräte beschafft, getreu dem Spruch „Quod licet Iovi, non licet bovi“ doch nicht gleichermaßen Ungarn oder der Slowakei zugestanden werden kann.
Im Original:
„Bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel haben sich die Staats- und Regierungschefs der Länder der Europäischen Union nicht auf eine gemeinsame Haltung zur Zusammenarbeit mit Israel verständigen können. Auf die von manchen geforderte Aussetzung des Assoziierungsabkommens mit dem Nahoststaat wurde verzichtet. In einer auf dem EU-Gipfel verabschiedeten Erklärung heißt es lediglich, dass der Europäische Rat den Bericht des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) zum Gazastreifen »zur Kenntnis« nehme und die Gespräche über mögliche Folgen im Juli fortsetzen wolle. Dem Bericht zufolge gibt es Hinweise, dass Israel seine Menschenrechtsverpflichtungen verletzt haben könnte. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und sein österreichischer Kollege Christian Stocker hatten eine vorläufige Aussetzung des Abkommens abgelehnt. Davon sei »keine Verbesserung der Situation in Gaza zu erwarten«, sagte Stocker. Es sei sinnvoller, die Gesprächskanäle offenzuhalten, fügte er hinzu.“ (spiegel.de)
„Ebenso wie Meinl-Reisinger stellte sich Wadephul gegen ein auf EU-Ebene diskutiertes Aussetzen des Assoziierungsabkommens zwischen Israel und der EU. In Artikel 2 des Abkommens wird das humanitäre Völkerrecht als Grundlage der Zusammenarbeit genannt.“ (Die Presse vom 11. Juli 2025, „Israels Außenminister stärkt Freundschaften in Wien“)
Dr. Günter Hackmüller hat viele Jahre über gemeinsam mit anderen eine Radiosendung bei Radio Orange in Wien und bei Radio FRO in Linz gemacht und die Texte der Sendungen auf seiner Homepage GegenArgumente veröffentlicht.
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Titelbild: Dušan Cvetanović / Pixabay