Das Unternehmen war auf E-Mobilität ausgerichtet. Nun kündigt Porsche-Chef Oliver Blume eine Strategiewende an: Er investiert in neue Verbrenner-Modelle – und kündigt an, dass die Technologie bis über das für 2035 angesetzte EU-Verbot eine starke Rolle spielen werde.

Porsche-Chef Oliver Blume will wieder deutlich in eine Technologie investieren, die eigentlich als Auslaufmodell gilt: den Verbrenner. Das kündigte er am Mittwoch in einer Telefonkonferenz zu den Halbjahreszahlen an. Porsche bremst damit den Umstieg auf Elektromobilität deutlich ab. Bislang galt der Sportwagenbauer als ein Vorreiter bei dem Umstieg einer Traditionsmarke auf Elektroantriebe.

Der Verbrenner werde „bis weit in die 30er-Jahre hinein“ eine starke Rolle spielen, sagte Blume – also bis über das bislang für 2035 angesetzte EU-Verbot für Verbrenner-Neuwagen hinaus. Insbesondere in Amerika und China erwartet Blume weiter starke Verkaufszahlen für reine Verbrenner sowie Hybride. Die Porsche-Aktie stieg nach der Ankündigung.

Porsche habe sich auf Prognosen zum Hochlauf der Elektromobilität verlassen, die nicht voll eingetroffen seien, gestand Blume ein. Mit dem Wissen von heute „hätten wir uns vielleicht noch flexibler aufgestellt zwischen Verbrennern, Hybrid und reinen Elektroantrieben“. Das betreffe Entscheidungen, die weit vor 2020 getroffen worden seien. Blume ist seit 2015 Porsche-Chef, seit 2022 zusätzlich auch CEO des Porsche-Großaktionärs, des Volkswagen-Konzerns.

Zwar liege der prozentuale Anteil der Elektroautos an den Porsche-Verkäufen aktuell sogar höher als erwartet, jedoch sei „der Kuchen halt deutlich kleiner“, sagte Blume. In den ersten sechs Monaten kam der Sportwagenbauer auf 18,16 Milliarden Euro Umsatz nach 19,46 Milliarden Euro im Vorjahr. Das operative Ergebnis brach auf 1,01 Milliarden Euro ein, im Vorjahr lag es noch bei 3,06 Milliarden Euro. Weil Porsche weniger E-Autos baut als erwartet, fallen auch Mehrkosten für Ausgleichszahlungen an Zulieferer an, die im Geleitzug ebenfalls in die Technologie investiert haben.

Der Manager will seine E-Auto-Strategie nun korrigieren und dafür erneut „erheblich“ in Verbrenner investieren. So soll der SUV Cayenne bis in die 2030er-Jahre hinein auch in den Verbrenner- und Hybrid-Varianten aufgefrischt werden. Auch der zweitürige 911er, die Porsche-Ikone schlechthin, soll als Verbrenner weitere Varianten bekommen. Bislang gibt es dieses Modell neben dem Verbrenner nur als Turbo-Hybrid. Vor allem die teuersten Sport-Modelle sollen allenfalls in den 30er-Jahren vollelektrische Varianten bekommen, der 911er ein Verbrenner bleiben. Porsche hofft beim 911er auf klimaneutrale E-Fuels statt auf Batterien.

„Das sind Investitionen, die erst einmal Kraft kosten, aber Porsche flexibler aufstellen“, sagte Blume zu den neuen Verbrenner-Modellen. Er betonte jedoch, der neue Kurs sei keine Abkehr vom Elektroantrieb: „Elektromobilität passt perfekt zu Porsche – auch auf der Rennstrecke“, sagte er. Es gehe daher nicht komplett zurück zum Verbrenner. Porsche müsse sich aber „flexibler aufstellen“.

Starke Konkurrenz in China

Hintergrund des Strategieschwenks sind schwache Verkaufszahlen vor allem in China. Dort werde Porsche die alten Höhen nicht wieder erreichen, sagte Blume. So verkaufe der Sportwagenbauer dort derzeit nur noch rund 40.000 Autos im Jahr statt einst erreichter 100.000 Stück. Dieses niedrigere Niveau werde in etwa bleiben, kündigte Blume an. Daher müsse Porsche seine Kapazitäten reduzieren und seine Autos verbessern.

In China soll 2026 ein neuer Cayenne auf den Markt kommen – sowohl als E-Auto als auch als Verbrenner. Das aufgefrischte Modell soll mit einem besseren Entertainment-System und autonomen Fahrfunktionen ausgestattet sein. In diesen Bereichen haben chinesische Hersteller die deutschen Konzerne zuletzt überholt. So hatte Xiaomi ein sehr erfolgreiches Modell auf den Markt gebracht, dessen Design stark an die Porsche-Formensprache erinnert. Auch andere E-Auto-Hersteller aus China setzen Porsche mit leistungsstarken Modellen zu günstigen Preisen unter Druck. Inzwischen gibt es auf dem Markt ein deutliches Überangebot, das auf die Preise drückt. Marktführer in China ist BYD.

Blume sagte, die chinesischen Kunden erwarten durch solche neuen Angebote generell, dass E-Autos günstig angeboten werden. Auch das ist offenbar ein Grund für die Renaissance des Verbrenners bei Porsche: Er soll in China als Luxusgut vermarktet werden. Dabei helfen soll etwa ein neuer Porsche-Laden im Zentrum von Shanghai, das die teuren zweitürigen Sportwagen in den Mittelpunkt rückt.

Allerdings warnte Blume auch, typische Kunden von Porsche in China seien Unternehmer. Diese seien durch die Immobilienkrise und wirtschaftliche Unsicherheiten in dem Land besonders gebeutelt und hielten sich daher mit Käufen zurück. Zudem propagiere die KP in China den Kauf lokaler Marken.

All das wird deutliche Auswirkungen auf Arbeitsplätze haben. Finanzchef Jochen Breckner kündigte „schmerzhafte Einschnitte“ durch ein „weitreichendes Paket“ von Sparideen an. Darüber werde in den kommenden Monaten mit dem Betriebsrat verhandelt. Schon zum Jahresbeginn hatten sich beide Seiten auf den schnellen Abbau von 2000 befristeten Stellen und 1900 weitere Jobstreichungen etwa durch Altersteilzeit bis Ende des Jahrzehnts geeinigt.

Im ersten Halbjahr sah sich das Unternehmen durch die Sanierung mit 200 Millionen Euro belastet. Die „strategische Neuausrichtung“ werde das Unternehmen im Gesamtjahr 2025 sogar 1,3 Milliarden Euro kosten, kündigte Porsche an. Das bedeutet: Der Großteil des Umbaus wird erst im zweiten Halbjahr anfallen.

Blume bereitet mit seinen starken Worten auch die Arbeitnehmer auf neue Verhandlungen zu einem Sanierungspaket vor, die er bereits im Juli in einem Brief an die Belegschaft angekündigt hatte.

Im ersten Halbjahr lieferte Porsche 36,1 Prozent E-Modelle aus, davon 12,6 Prozent Plug-in-Hybride. In Europa habe die Quote der elektrifizierten Fahrzeuge bei rund 57 Prozent gelegen, teilte das Unternehmen mit. „Wir gehen davon aus, dass wir ab 2026 wieder ein positives wirtschaftliches Momentum sehen werden“, sagte Blume. Dazu trage die erneuerte Produktpalette bei.

Die EU will im kommenden Jahr überprüfen, ob das Verbrennerverbot für das Jahr 2035 aufrechterhalten bleibt. Aus der Autoindustrie mehren sich die Stimmen, die vehement eine Aufweichung fordern. Blume äußerte sich indirekt: In China gewinne die Umstellung auf E-Autos ohne feste Regulierung deutlich an Fahrt. Das liege an einem gut ausgebauten Ladenetz und deutlich günstigeren Strompreise. Chinesische Verbraucher zahlten je Kilowattstunde Strom umgerechnet zwei bis drei Cent, deutsche etwa 50 Cent. Zusammen mit günstigen E-Auto-Modellen mache das die Elektromobilität in China deutlich wirtschaftlicher – und somit ohne starre Vorgaben zum Erfolg.

US-Zoll lässt Preise steigen

In den USA will Blume die Verkaufspreise wegen der Zölle allerdings weiter anheben. Eine erste Runde gab es bereits in den vergangenen Wochen. Dabei konnte offenbar nicht die gesamte Zolllast von bisher 27,5 Prozent und künftig 15 Prozent umgelegt werden. Die Preise für die Endkunden seien lediglich um 2,3 bis 3,6 Prozent gestiegen, sagte Blume. Der Zuschlag für die Endkunden sei allerdings nicht direkt mit den Zollsätzen vergleichbar, da etwa die Marge der Händler erst nach der Verzollung aufgeschlagen wird. Die US-Zölle hätten Porsche bislang mit 400 Millionen Euro belastet, hieß es.

Dazu kamen in den ersten sechs Monaten Kosten für den Aufbau der Batterieproduktion von einer halben Milliarde Euro. Denn der Partner Northvolt, der eigentlich Zellen für den geplanten elektrischen 718 liefern sollte, ist wegen seiner Insolvenz als Partner weggebrochen.

Blume machte klar, dass es so lange zusätzlich zu seiner Rolle als VW-Konzernchef auch Chef von Porsche bleiben will, bis die Sanierung im Kern umgesetzt ist. Die Doppelrolle habe derzeit Vorteile für beide Unternehmen, sagte er. Einen festgelegten Zeitpunkt für seinen Abschied bei Porsche gebe es daher bislang nicht. Aktionärsschützer hatten wiederholt angemahnt, Blume solle sich auf die Sanierung von VW konzentrieren.

Das zum Börsengang 2022 angepeilte Ziel von 20 Prozent Umsatzrendite wird Blume wohl nicht mehr als Porsche-Chef erleben. Sie soll – wenn überhaupt – in den 2030er-Jahren erreicht werden. Im ersten Halbjahr lag die Kennzahl bei 5,5 Prozent nach 15,7 Prozent im Vorjahreszeitraum.

Christoph Kapalschinski ist Wirtschaftsredakteur. Er berichtet über die Auto-Industrie.