Zwischen Radisson, Hilton und Scandic findet sich immer eine Nische: Beppo, Jungle N°5 oder Edith heißen die neuesten Boutique Hotels in Stuttgart und der Region. „Ein schönes Stadthotel und gute Gastronomie haben hier einfach gefehlt“, sagt Andreas Benignus über Backnang. Mehrere Millionen Euro haben der Projektentwicklung und die Volksbank in die neuen Kronenhöfe in der Innenstadt investiert. Ein Gebäude davon ist der Gastlichkeit gewidmet – mit 17 Zimmern und einem mediterranen Restaurant. „Unsere Prognose hat sich bewahrheitet“, steht für ihn sechs Wochen nach der Eröffnung von Beppo fest. Die Nachfrage scheint riesig zu sein, das Angebot für Touristen und Geschäftsreisende wächst weiterhin rasant: Bis zum Jahr 2027 kommen mehr als ein Dutzend Hotels dazu.
Foto: Kathrin Haasis Kontinuierlich wachsender Tourismusmarkt
„Stuttgart ist ein strategisch bedeutsamer Standort“, erklärt Oliver Ramm für Scandic, warum die Hotelkette im Dezember ihre erste Dependance im früheren Hotel Mercure im Europaviertel eröffnen wird. Für den Marketingdirektor ist die Stadt eine „wirtschaftsstarke Metropole mit global agierenden Unternehmen, einer aktiven Start-up-Szene und einem kontinuierlich wachsenden Tourismusmarkt“. Tatsächlich gab es im Jahr 2024 laut Statistischem Landesamt mit fast 4,7 Millionen Übernachtungen so viele wie noch nie in Stuttgart, 600 000 mehr als 2019. In der Region zählten die Statistiker fünf Millionen Übernachtungen, was 150 000 weniger als im Vor-Corona-Jahr waren.
Hohe Decken, alte Dielen: im Hotel Edith im Heusteig-Viertel herrscht eleganter Altbau-Flair. Foto: Hotel Edith
Rund 20 neue Hotels sind in den vergangenen fünf Jahren entstanden. Dazu zählen das Mövenpick an der Messe und das Anfang 2024 eröffnete Leonardo in Esslingen. Seit Februar besteht das Spark by Hilton in Sindelfingen, welches das erste Haus der Marke in Kontinentaleuropa war. Im April ging das Luxushotel Das Affalterbach am AMG-Standort an den Start. Obwohl aktuell 780 Herbergen rund 65 000 Betten zur Verfügung stellen, scheint diese Zahl noch immer nicht auszureichen. Dieses Jahr soll in Zuffenhausen ein Premier Inn starten, am Rotebühlplatz, wo im Erdgeschoss Burgermeister eingezogen ist, bietet Staycity bald Hotelapartments an. In Filderstadt ist ein Hampton by Hilton geplant. Für 2026 sind unter anderem ein B&B Hotel auf dem Pragsattel angekündigt und ein „me and all“ auf dem Bonatzbau. Im Jahr darauf soll ein Radisson Red am Neckarpark eröffnen und 2028 das Hotel am Schlossgarten als Teil der luxuriösen Autograph Collection von Marriott.
„Es passiert viel“, sagt Claudia Otterbeck. Nur kleinere, besondere Häuser, wie sie in Berlin oder Hamburg zu finden waren, fehlten ihrer Meinung nach lange Zeit. Der Zauberlehrling im Bohnenviertel stellte die rühmliche Ausnahme dar, bis 2021 das Designhotel Emilu in der City gebaut wurde. Im Dezember 2023 hat Claudia Otterbeck an der Heusteigstraße das nach ihrer Großmutter benannte Hotel Edith auf den Weg gebracht – mit fünf Zimmern im eleganten Altbau mit hohen Decken und Parkett. Die 53-Jährige war in der Tourismusbranche tätig und dachte immer: „Eines Tages eröffne ich mein eigenes Hotel.“ Bis der Standort gefunden war, dauerte es Jahre. Das denkmalgeschützte Gebäude wurde von ihrem Mann, einem Architekten, renoviert. „Meine Gäste wollen gerade nicht in die großen Häuser“, hat sich ihre Vermutung bestätigt. Gefrühstückt wird im Edith gemeinsam am großen Holztisch, die Übernachtung kostet zwischen 140 und 220 Euro.
Ausgefallenes KOnzept für ausgefallenen Stadtteil
„Der Hotelmarkt in Stuttgart ist sehr, sehr attraktiv, weil er sowohl viele Touristen als auch viele Businesskunden anzieht“, sagt Julian Merget. Mit seinem Jungle N°5 an der Weberstraße will er eine digitale Zielgruppe ansprechen, die Spaß daran hat mitten im Leonhardsviertel mit seinen Bars abzusteigen. „Es ist ein ganz ausgefallenes Konzept für ein ausgefallenes Szeneviertel“, sagt der 36-Jährige, der früher als Unternehmensberater viel unterwegs und nicht immer zufrieden mit seinen Unterkünften war. In seinem Haus lässt sich fast alles über das Smartphone erledigen. Der denkmalgeschützte Backsteinbau wurde für das Projekt umfassend saniert, die 13 Zimmer sind im Dschungelstil eingerichtet, nach Namen wie Flamingo oder Jaguar kategorisiert und kosten zwischen 90 und 200 Euro die Nacht. „Wir bieten das beste Null-Sterne-Hotel der Welt“,lautet der Slogan vom Jungle N°5.
Und in Backnang müssen die Unternehmen ihre Gäste nun nicht mehr nach Stuttgart schicken. Überhaupt hoffen Andreas Benignus und sein Geschäftspartner Toni Wahl viele Stuttgarter anzulocken – mit ausgezeichneter Architektur, schickem Interieur und trendigen Gerichten wie „Tuna Tartadelle“ mit Pasta und Thunfischtatar oder „Octopussy“, einem gegrillten Tintenfisch mit Tsatsiki. „Bei uns steht das Wohlfühlen im Mittelpunkt“, sagt der Gastgeber Toni Wahl, nach dessen zweitem Vornamen Josef der Betrieb benannt ist. „Ein Besuch bei uns ist wie Urlaub, nur mit einer kürzeren Anfahrt“, wirbt er für das Restaurant und das Hotel „mit Großstadtflair“ in der Kleinstadt.