Bei einem Besuch des amerikanischen Sondergesandten Witkoff im Kreml haben die USA und Russland offenbar ein Gipfeltreffen eingefädelt. Moskau kann hoffen, dass Trumps Ultimatum in der Ukraine-Frage damit fürs Erste vom Tisch ist.

Russlands Präsident Putin hat mit dem amerikanischen Sondergesandten Steve Witkoff (rechts) im Kreml über ein Treffen mit Trump gesprochen. Russlands Präsident Putin hat mit dem amerikanischen Sondergesandten Steve Witkoff (rechts) im Kreml über ein Treffen mit Trump gesprochen.

Gavriil Grigorov / AP

Kurz vor Ablauf des amerikanischen Ultimatums an Russland zur Erreichung eines Waffenstillstands im Ukraine-Krieg haben sich die beiden Seiten am Mittwoch überraschend angenähert. Präsident Donald Trump strebt ein baldiges Treffen mit seinem Amtskollegen Wladimir Putin an, möglicherweise sogar bereits in der nächsten Woche. Dies berichteten amerikanische Medien unter Berufung auf Quellen im Weissen Haus. In einem darauffolgenden Schritt wolle Trump auch ein Dreiertreffen unter Einbezug des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski abhalten.

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Trump bestätigte entsprechende Pläne teilweise, indem er sich in einer Medienkonferenz optimistisch zeigte, dass Putin und Selenski bald zusammentreffen könnten. Inwieweit dies alles mit Moskau abgesprochen ist, bleibt vorerst ebenso unklar wie der mögliche Ort eines Gipfeltreffens. Aber nach Darstellung des Weissen Hauses war es die russische Seite selber, die Interesse an einer Zusammenkunft mit Trump geäussert hatte.

Dreistündige Gespräche im Kreml

Putin empfing am Mittwoch den amerikanischen Sondergesandten Steve Witkoff im Kreml und führte mit ihm dreistündige Gespräche. Es war bereits Witkoffs fünfte Begegnung mit Putin in diesem Jahr – der New Yorker Immobilienhändler mit russischstämmigen Vorfahren scheint von allen amerikanischen Regierungsvertretern über den besten Draht zum Kreml zu verfügen.

Witkoffs Besuch in Moskau galt im Vorfeld als «Treffen der letzten Chance», weil am Freitag das amerikanische Ultimatum in der Ukraine-Frage abläuft. Bis dahin soll Moskau einem Waffenstillstand zustimmen; für den gegenteiligen Fall hat Trump mit harten Sanktionen gedroht. Was nun angesichts der Gipfelpläne aus dieser Drohkulisse wird, bleibt abzuwarten. Trumps Gesprächsbereitschaft deutet darauf hin, dass er Putin eine weitere «letzte Chance» geben könnte.

Eine intensive Vermittlungstätigkeit zeigt sich daran, dass Trump unmittelbar nach Witkoffs Kreml-Besuch mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodimir Selenski telefonierte, bereits zum zweiten Mal innert 24 Stunden. Am Telefonat vom Mittwoch waren laut der New York Times auch mehrere europäische Staatsführer beteiligt, unter ihnen der deutsche Kanzler Friedrich Merz und der britische Premierminister Keir Starmer. Laut diesem Medienbericht möchte Trump die europäischen Nato-Partner aber nicht in die Gipfeldiplomatie einbeziehen.

Waffenstillstand nicht in Griffnähe

In den vergangenen Tagen hatte es Spekulationen darüber gegeben, dass Russland zur Abwehr der Sanktionsdrohung ein Ablenkungsmanöver lancieren könnte. Das ist mit den Plänen für ein Gipfeltreffen nun geschehen. Es gab auch Gerüchte, dass Putin wie schon im Frühling eine zeitlich oder geografisch begrenzte Waffenruhe ins Spiel bringen könnte, beispielsweise ein Moratorium auf Luftangriffe.

Einen umfassenden Waffenstillstand lehnt Putin aber weiterhin ab. Russland fühlt sich durch den Kriegsverlauf bestärkt und beharrt auf seinen territorialen Forderungen, namentlich auf den ukrainischen Rückzug aus den drei nur teilweise besetzten Provinzen Donezk, Saporischja und Cherson. Von der Agentur Reuters zitierte Quellen im Umfeld des Kremls glauben, dass Putin die Sanktionsdrohung Trumps nicht sonderlich fürchtet, weil sich Russland mit den bisherigen Strafmassnahmen gut arrangiert hat. Putin hofft zwar auf eine strategische Annäherung an die USA, aber er ist nicht bereit, diesem Ziel seine Pläne in der Ukraine zu opfern.

Damit liegt der Ball bei den USA. In den vergangenen Wochen hatte Trump wachsenden Unmut über Putin geäussert, aber weder Sanktionen ergriffen noch neue Waffen an die Ukraine geliefert. Mit seinem Ultimatum hat er sich in Zugzwang gebracht, aber mit seinen Gipfelplänen findet er möglicherweise auch bereits wieder einen Ausweg. Selbst wenn die Idee eines Treffens scheitert, was gut möglich ist, kann Trump mit den Beratungen darüber Zeit gewinnen.

Erdölverkäufe im Visier

Dennoch ist offensichtlich, dass der amerikanische Präsident den Druck auf Moskau tendenziell erhöhen will. Dies demonstrierte er am Mittwoch, indem er die Sanktionskeule auf Russlands zweitwichtigsten Handelspartner, Indien, niedersausen liess. Dieses Land trägt als Käufer von russischem Erdöl massgeblich zur Finanzierung des Krieges bei. Als Vergeltung belegt Washington indische Importgüter nach einer Übergangsfrist mit einem Zusatzzoll von 25 Prozent, womit sich die Gesamtbelastung auf prohibitive 50 Prozent erhöht. Delhi erhält damit einen starken Anreiz, für eine Drosselung der Ölimporte aus Russland zu sorgen.

Bemerkenswert ist auch die in Trumps Dekret gewählte Formulierung. Darin hielt der Präsident fest, dass von Russland eine «ausserordentliche Bedrohung der nationalen Sicherheit» der USA ausgehe. Auch wenn es mit diesem Passus um die Erfüllung einer juristischen Vorgabe ging, zeigt sich gegenüber der Anfangszeit von Trumps Präsidentschaft eine veränderte Tonlage. Im Gespräch sind auch neue amerikanische Sanktionen gegen Russlands Schattenflotte von Erdöltankern. Während die EU sukzessive immer mehr Schiffe ins Visier genommen hat, wäre es die erste solche Strafmassnahme seit dem Amtsantritt Trumps.

Der amerikanische Präsident scheint nachhaltig verärgert darüber zu sein, dass Putin ungeachtet aller Mahnungen den Luftkrieg gegen ukrainische Städte verschärft hat. Im Juni und Juli forderten die Luftangriffe mit Raketen und Kampfdrohnen insgesamt 310 Todesopfer in der ukrainischen Zivilbevölkerung. Damit wurde ein Höchstwert erreicht, der fast dreimal so hoch wie in den ersten beiden Monaten des Jahres lag. Auch nach den amerikanisch-russischen Verhandlungen im Kreml folgte in der Nacht auf Donnerstag eine weitere Welle von Luftangriffen, unter anderem auf die Stadt Dnipro.

Immer wieder forderte das Weisse Haus in den letzten Tagen, dass Putin «mit dem Töten aufhöre». Aufhorchen liess am Dienstag eine Aussage in einem Fernsehinterview, in dem Trump einen Zusammenhang mit Russlands Rohstofferlösen herstellte. Mit einer Senkung des Erdölpreises um zehn Dollar könne Russland zur Beendigung des Krieges gezwungen werden, sagte Trump. Er deutete damit an, dass er Russland auch auf diesem Weg unter Druck setzen möchte.