Das Bernhard-Nocht-Institut warnt vor einer Übertragung des Oropouche-Virus in Europa. Wie gefährlich ist das Virus und welche Konsequenzen ergeben sich für Ärzte?
Das seit den 1950-er Jahren beschriebene Oropouche-Virus (OROV) – benannt nach dem Oropouche-River auf Trinidad – ist ein RNA-Virus, das zur selben Spezies gehört, wie das Iquitos-, das Madre-de-Dios- und das Pintupo-Virus. Bisher galt als einziger Überträger die Culidos paraensis, eine Stechmückenart – daher auch die Zuordnung zur Gruppe der Arboviren, die von Arthropoden wie Mücken oder Zecken übertragenen werden. Als Virusreservoir gelten Faultiere, nicht-menschliche Primaten, Vögel und neuerdings auch der Mensch.
Status Quo
Das Oropouche-Fieber verläuft zumeist ohne Komplikationen. Nach einer Inkubationszeit von 3 bis 10 Tagen treten im Laufe von 2 bis 7 Tagen unspezifische Symptome auf. Dazu gehören Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen, selten auch ein Exanthem. Komplikationen wie eine ZNS-Beteiligung, zumeist als Meningitis, oder ein erneutes Auftreten der Symptome nach Wochen und Todesfälle (erstmals 2024 beschrieben) sind noch seltener zu befürchten.
Seit Anfang 2024 kam es in mehreren Ländern Mittel- und Südamerikas zu einem massiven Anstieg von OROV-Infektionen. Vor allem in Brasilien gehören diese inzwischen zu den häufigsten Infektionskrankheiten. Ende Mai 2024 meldete Kuba erste Fälle. Im darauffolgenden Monat wurden erste von dort importierte Fälle in Italien gemeldet – im Juli dann auch in Deutschland. Auch aus Dominica und Brasilien wurden 2025 Fälle im ein- bis zweistelligen Bereich in verschiedene europäische Länder importiert. Für EU-Bürger, die in ein OROV-epidemisches Land Amerikas reisen, wird das Infektionsrisiko auf dieser Basis als moderat eingeschätzt.
Gefahrenpotenzial?
Während einer Schwangerschaft stellen OROV-Infektionen wahrscheinlich ein besonderes Risiko dar: sowohl für die Schwangere selbst, als auch für das Ungeborene, bei dem es wohl Fehlbildungen wie Mikrozephalie, Fehl- und Totgeburten verursachen kann. Nach aktuellem Kenntnisstand scheint das Risiko für solche Schädigungen aber geringer als bei Zika zu sein. Laufende Forschungen werden weitere Klärung bringen.

Folgen
Da bisher unklar war, ob auch andere Stechmücken als Überträger des OROV infrage kommen können, hat das Bernhard-Nocht-Institut fünf auf dem europäischen Kontinent verbreitete heimische und invasive Stechmückenarten untersucht. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass lediglich die invasive Tigermücke bei Temperaturen von 24 bis 27 °C eine geringe Vektorkompetenz für dieses Virus aufweist. Impfstoffe gegen OROV stehen bisher nicht zur Verfügung. Die einzige Möglichkeit Erkrankungen durch dieses Virus zu vermeiden, stellt aktuell also die Vermeidung von Mückenstichen durch eine lückenlose Anwendung physikalisch-/chemischer Schutzmaßnahmen dar.
Entwarnung für Inlands-Urlauber: Bisher sind nur Reise-assoziierte Fälle bekannt – weshalb vorerst nur bei Reise-Rückkehrern aus den Risikoländern beim Auftreten der oben beschriebenen Symptome an die Möglichkeit einer OROV-Infektion gedacht und eine solche serologisch abgeklärt werden muss.
Charité: Der rätselhafte Erreger: Oropuche-Virus in Lateinamerika häufiger als gedacht. Pressemitteilung, 2025. online.
Charité: Potential Global Threat: This Mysterious Virus Is Spreading Quietly Across Latin America. SciTechDaily, 2025. online.
Fischer et al.: The spatiotemporal ecology of Oropouche virus across Latin America: a multidisciplinary, laboratory-based, modelling study. The Lancet: Infectious Diseases, 2025. doi: 10.1016/S1473-3099(25)00110-0
Jansen et al.: Risk assessment of Otopouche virus transmission ba mosquitoesin Europe, The Journal of infectious Diseases, 2025. doi: 10.1093/infdis/jiaf356
Figueiredo: Emergent arboviruses in Brazil (Arboviroses emergentes no Brasil).Revista da Sociedade Brasileira de Medicina Tropical, 2007. doi: 10.1590/s0037-86822007000200016
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