Schon seit anderthalb Jahrzehnten sucht die Stadt Frankfurt ein Areal für den Neubau der Europäischen Schule. Der Magistrat präferiert den Festplatz am Ratswegkreisel. Doch Schausteller und Anwohner sind dagegen. Ein Lösungsvorschlag kommt nun aus Offenbach.
Aktuell steht in Frankfurt der Festplatz am Ratswegkreisel ganz im Zeichen der Dinosaurier. Noch bis Ende dieser Woche hat der „Jurassic Freizeitpark XXL“ seine Zelte aufgeschlagen. Kinder wuseln zwischen nicht ganz lebensgroßen Nachbildungen der Riesenechsen herum, oder erschrecken vor animatronischen Raubsauriern.
Doch die Zeit solcher Outdoor-Events zu Füßen der Eissporthalle könnte bald vorbei sein. Denn der Frankfurter Magistrat hat den Festplatz schon seit längerem als möglichen Standort für die Europäische Schule im Visier. Käme es wie von der Stadtregierung befürwortet zum Neubau, verlöre nicht nur der „Jurassic Freizeitpark“ seinen Ausstellungplatz – auch das beliebte Volksfest Dippemess müsste umziehen.
Schausteller wollen bleiben
Thomas Roie leitet den Schaustellerverband Rhein-Main. Seine Familie betreibt unter anderem das große Kettenkarussell auf der Dippemess. Die Schaustellerfamilien sind seit der Nachricht vom möglichen Umzug im Dauerstress, sagt er: „Das ist emotional fürchterlich aufregend für mich und meine Kollegen in dieser unsicheren Situation.“
Für die Dippemess würde es allerdings nicht den ersten Umzug in ihrer Geschichte bedeuten. Bis 1968 fand das jahrhundertealte Volksfest auf dem Frankfurter Römerberg statt. Der aber wurde für die immer größeren Attraktionen und Besuchermassen zu klein.
Damals wie heute sei der Festplatz am Ratswegkreisel der perfekte Standort, ist Thomas Roie überzeugt: „Weil wir hier eine gute Verkehrsanbindung haben, wir hier zentral und stadtnah sind. Mit Fahrrad, U-Bahn und zu Fuß erreichbar. Das ist ein wesentlicher Bestandteil.“
Zwei Jahre Protest
Vom Verlust des Festplatzes wären nicht nur Großveranstaltungen betroffen. Marktbeschicker und Abschleppdienste brauchen das Gelände, um ihre riesigen Gefährte abzustellen. Mehrere Fahrschulen bieten hier Lkw-Fahrstunden an.
Zudem wären wohl auch Eingriffe in den Bestand einer benachbarten Kleingartenanlage notwendig. Und auch einigen Anwohnern bereitet der mögliche Neubau Bauchschmerzen: „Ich habe Sorge, dass sich das Viertel verändert, so wie schon das Ostend als die EZB gebaut wurde. Die Mieten werden steigen, das Stadtbild wird sich verändern“, sagt eine Anwohnerin.
Seit knapp zwei Jahren macht daher die Initiative „Der Festplatz bleibt“ gegen den Neubau der Europäischen Schule mobil. Doch aller Protest hat bislang an der Haltung der Stadt nichts geändert.
Suche seit 15 Jahren
Denn die Suche nach einem geeigneten Standort für die Europäische Schule beschäftigt Magistrat und Stadtverordnete mittlerweile seit gut 15 Jahren. Die derzeitigen Räumlichkeiten im Stadtteil Niederursel platzen längst aus allen Nähten. Eine Erweiterung des dortigen Bestands ist nicht möglich.
Die Gebäude der Europäischen Schule in Frankfurt-Niederursel reichen schon lange nicht mehr aus.
Diverse andere Standorte im Frankfurter Stadtgebiet sind in dieser Zeit geprüft worden. Erfolglos. Dass sich die Suche derart lang hinzieht, begründet die Stadt auf hr-Anfrage vor allem mit den „hohen Anforderungen“ an den Neubau.
„Alleine die vom Bund als notwendig erachtete Grundstücksfläche von rund 60.000 Quadratmetern ist in einer dynamisch wachsenden Stadt, die sich gleichzeitig nachhaltig und ressourcenschonend entwickeln möchte, nicht leicht zu finden“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des Frankfurter Planungsdezernats.
Alternative auf der anderen Mainseite
Doch ein neuer Vorschlag sorgt derzeit für Hoffnung bei Schaustellern und Anwohnern – und der kommt aus dem benachbarten Offenbach. Dort hat Oberbürgermeister Felix Schwenke (SPD) unlängst ein Grundstück am Kaiserlei – nur gut zwei Kilometer Luftlinie vom Ratsweg-Festplatz entfernt – als möglichen Standort für die Europäische Schule ins Gespräch gebracht.
„Wichtig ist aus meiner Sicht vor allem, dass es überhaupt eine Lösung für die Europäische Schule gibt. Das ist auch im internationalen Wettbewerb der Region ganz wichtig“, erklärt Schwenke im Gespräch mit dem hr. „Es geht immer um eine gemeinschaftliche Lösung Offenbach und Frankfurt, das ist jetzt nichts irgendwie Offenbach gegen Frankfurt.“
Schausteller erwarten Umdenken
Das Grundstück ist allerdings Zeugnis eines bereits gescheiterten Kooperationsversuchs der benachbarten Großstädte. Ursprünglich war es für den Bau einer Multifunktionshalle vorgesehen – die nun doch neben dem Frankfurter Waldstadion entsteht. Aktuell ist das Grundstück eine wild überwucherte Brache – mit Blick auf die Europäische Zentralbank.
Thomas Roie vom Schaustellerverband erwartet nun ein Umdenken beim Magistrat: „Da ja ein stabiles Angebot vorliegt und das jetzt zur Prüfung steht, hoffe ich, bleiben wir noch viele Jahre hier.“
Brache mit Skyline-Blick. Möglicher Standort für die Europäische Schule in Offenbach.
Doch bei der Stadt ist man deutlich skeptischer. Unklar sei, ob das Areal groß genug wäre, heißt es in der Antwort auf eine hr-Anfrage. Zudem sei der Kaiserlei durch Fluglärm und Straßenverkehr stark belastet.
Planungsdezernat will ernsthaft prüfen
In der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung ruft der mögliche Ausweichstandort auf Offenbacher Gemarkung ein gespaltenes Echo hervor. So spricht die FDP-Fraktion im Römer von einem „Armutszeugnis“, dass sich die Stadt ausstelle, wenn sie kein geeignetes Areal auf eigenem Gebiet finden könnte.
Die Linke hingegen spricht von einer „naheliegenden Lösung“ und einem möglichen „Befreiungsschlag“ für die Stadt. Der Magstrat solle das Angebot von OB Schwenke annehmen und „damit Klarheit“ schaffen.
Das Frankfurter Planungsdezernat will den Standort am Kaiserlei nun ernsthaft prüfen. Es hat auch keine andere Wahl, als weiter nach Alternativen zum Festplatz zu suchen. Denn der kommt nur in Frage, wenn die Dippemess ein neues geeignetes Zuhause findet. Und das ist bislang nicht in Sicht.