Die Rohre regen die Fantasie an, das steht mal fest: wie sie scheinbar aus dem Boden kommen und in einer kunstvollen Anordnung in 3,5 Metern Höhe über den Köpfen der Menschen verlaufen und sich in das Olympiadorf hinein verästeln. Welchen Zweck diese Rohre und ihre Farben blau, grün, orange, gelb, rot und weiß wohl haben? Gaspipelines sind es wohl eher nicht. Ein Rohrpostsystem? Unwahrscheinlich. Wasserleitungen oder Heizungsrohre? Ergibt auch nicht so richtig Sinn.
Die Antwort ist viel einfacher und schöner: Die Rohre sind in erster Linie Kunst. Entworfen und realisiert hat sie in den Jahren 1971 und 1972 der österreichische Architekt Hans Hollein. „Media-Linien“ heißt das insgesamt 1,6 Kilometer lange Rohrsystem bis heute.
Und Hollein hat sein Kunstwerk mit allerhand praktischen Funktionen versehen: Die Rohre dienen bis heute als Wegweiser und für die Beleuchtung. Früher konnte an manchen Stellen auch warme Luft herausgeblasen werden, es gab Lautsprecher, und oben zwischen den Rohren teils feste Überdachungen und Sonnensegel.
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So stehen die Media-Linien für die Aufbruchstimmung, die die Olympischen Spiele 1972 in München in vielen Teilen der Gesellschaft ausgelöst haben. Heute sind sie ein elementarer Teil des denkmalgeschützten Ensembles Olympisches Dorf, in dem etwa 7000 Menschen leben. Die Farben leiten übrigens zu den Wohnstraßen im Dorf: blau in die Connollystraße, grün in die Nadistraße, orange in die Straßbergerstraße. Die Schilder mit den Hausnummern haben jeweils das gleiche Farbdesign. Im Zentrum des Dorfs am Helene-Mayer-Ring gibt es die Farben gelb, rot und weiß.
Aber klar ist auch, dass die mehr als 50 Jahre alten Media-Linien schon bessere Tage hatten. Die technischen Funktionen von damals gibt es nicht mehr, ebenso wenig die Dächer, unter denen sich die Menschen früher abends versammelt haben. Die damals eigens angefertigten gebogenen Leuchtröhren sind ersetzt durch schmucklose Standardbeleuchtung. Kurzum, die Media-Linien brauchen eine Auffrischung – auch um dem Denkmalschutz gerecht zu werden.
Verantwortlich dafür ist die Olympiadorf-Betrieb Beteiligungsgesellschaft (ODBG), die im Auftrag der Grundeigentümer das Olympiadorf bewirtschaftet. Eine erste überschlägige Berechnung hat für die Sanierung Gesamtkosten von knapp drei Millionen Euro ergeben. „Es ist mir eine Herzensangelegenheit, dass wir die Sachen erneuern“, sagt der ODBG-Geschäftsführer Herbert Hantelmann. „Wir haben dafür auch Rücklagen in Höhe von 415 000 Euro, aber die Eigentümer wollen, dass ihnen unter die Arme gegriffen wird.“
Weil neben der Finanzierung auch einige technische Fragen zu klären sind, haben Hantelmann und Friederike Schuler vom Kulturreferat kürzlich ein Dutzend Expertinnen und Experten zusammengetrommelt: aus den Denkmalschutzbehörden von Freistaat und Stadt, aus Ingenieurbüros – und von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) aus Berlin.
Die Farben der Röhren leiten zu den Wohnstraßen im Dorf: blau in die Connollystraße. (Foto: Johannes Simon)
(Foto: Johannes Simon)
Eines der wichtigsten Ergebnisse der Runde: Die Sanierung der Media-Linien ist im bundesweiten Interesse. „Ich finde das Projekt großartig und absolut förderwürdig für uns, wir wollen unbedingt dabei sein“, sagte Guido Siebert von der DSD, die sich als größte private Initiative für Denkmalschutz in Deutschland bezeichnet, am Ende des Fachgesprächs. Als denkbare Fördersumme stellte er über mehrere Jahre je 50 000 bis 80 000 Euro in den Raum. Auch Freistaat und Stadt haben kleinere Beiträge für die Planung in Aussicht gestellt.
Der mit Abstand größte Kostenpunkt ist die Linienbeleuchtung über die gesamte Strecke von mehr als 1,5 Kilometern. Die gebogenen Glasröhren aus den Siebzigerjahren wären heute weder technisch zeitgemäß noch zulässig. Alternativen, die biegbar, bezahlbar, robust und möglichst leicht zu warten sind, gibt es auf dem Weltmarkt nur wenige, wie Katrin Rohr vom Lichtdesignbüro Luxophil recherchiert hat.
Der größte Kostenpunkt ist die Beleuchtung. (Foto: Johannes Simon)
Eine technische Herausforderung sind auch die Überdachungen zwischen den Rohren, die es künftig an manchen Stellen geben soll. Die alten Konstruktionen sind nicht erhalten, es gibt auch keine Dokumente mehr über die damals verwendeten Materialien. Florian Weininger vom Ingenieurbüro Leicht erläuterte, dass man vermutlich am besten mit glasfaserverstärktem Kunststoff arbeite. Ebenso im Raum steht die Idee, wieder blau-weiß gestreifte Markisen anzubringen. Die aber können nicht dauerhaft hängen, da auf den Plätzen im Olympiadorf der Wind manchmal heftig pfeift. Ähnlich wie bei der Beleuchtung sind auch bei der Überdachung noch weitere Recherchen nötig.
Und die Sanierung der Media-Linien ist nicht das einzige Projekt. Auf dem Forum, einem zentralen Platz im Dorf, steht die sogenannte „Öki-Station“, ein vom Schweizer Designer Franco Clivio zu Olympia 1972 entworfenes „ökologisches Informationssystem“: In acht Kunststoffstelen waren Anzeigen etwa zur Lufttemperatur, zur Windstärke oder dem Luftdruck untergebracht. Die meisten dieser Anzeigen gibt es nicht mehr, immerhin die Uhrzeit in verschiedenen Städten der Welt lässt sich noch im Design von 1972 ablesen. Auch diese Öki-Station gehört zum Denkmal Olympisches Dorf und muss saniert werden. Die geschätzten Kosten hierfür liegen im niedrigen sechsstelligen Bereich.
Als nächsten Schritt werden die ODBG und das Kulturreferat einen Förderantrag zur Sanierung der Media-Linien und der Öki-Station bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz einreichen. Weil deren Mittel allein vermutlich nicht reichen werden, hat die Stiftung auch ein Spendenkonto mit dem Stichwort „Olympisches Dorf München“ eingerichtet.