Stand: 07.08.2025 16:46 Uhr

Nach Razzien unter anderem auch in Niedersachsen wird gegen elf Beschuldigte einer mutmaßlichen Schleuserbande ermittelt. Sie soll Chinesinnen nach Deutschland gebracht haben, die hier als Prostituierte gearbeitet haben.

Drei der elf Beschuldigten gelten laut einem Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover gegenüber NDR Niedersachsen als Hauptbeschuldigte. Ein 56-jähriger Mann, der in Hannover festgenommen wurde, sei mutmaßlich der „Kopf der Bande“. Zwei Frauen im Alter von 47 und 42 Jahren sollen als Telefonistinnen gearbeitet haben. Sie wurden laut Staatsanwaltschaft am Mittwoch in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden festgenommen. Gegen den 56-Jährigen und eine der Frauen liegt ebenfalls seit Mittwoch ein Haftbefehl vor. Die dritte Hauptverdächtige soll noch am Donnerstag dem Haftrichter vorgeführt werden. Bei den weiteren acht Verdächtigen soll es sich um Logistiker handeln, die entweder als Geldabholer, Fahrdienstleister oder im Einkauf von Prostitutionsbedarf gearbeitet hätten, sagte der Sprecher. Zehn der Personen haben laut Staatsanwaltschaft die chinesische Staatsbürgerschaft, ein Beschuldigter ist Deutscher, soll aber chinesische Wurzeln haben.

Staatsanwaltschaft: Frauen hätten jederzeit gehen können

Die Staatsanwaltschaft sieht weiterhin keine Anhaltspunkte für den Verdacht der Zwangsprostitution bei den mutmaßlich eingeschleusten Frauen. „Wir gehen davon aus, dass es sich bei den Prostituierten mutmaßlich um Frauen handelt, die auch in China als Prostituierte gearbeitet haben“, sagte der Sprecher. Darauf deutet laut Staatsanwaltschaft hin, dass die sogenannten Tages-Termin-Wohnungen, also ständig wechselnde Wohnungen, in denen die Frauen arbeiteten, unter anderem nicht abgeschlossen oder überwacht waren. Die Frauen hätten demnach jederzeit gehen können. Außerdem hätten die Frauen bei den vorläufigen Vernehmungen weder eingeschüchtert noch verängstigt gewirkt. Die Frauen seien alle über 40 Jahre alt. Über die Anzahl der mutmaßlich eingeschleusten Frauen machte die Staatsanwaltschaft Hannover keine Angaben.

Bundesweit wurden 22 Objekte durchsucht

Der Schwerpunkt der bundesweit angelegten Großrazzia am Mittwoch befand sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft Hannover in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Weitere Durchsuchungen im Norden gab es in Ronnenberg (Region Hannover), Hildesheim, Salzgitter sowie Kiel in Schleswig-Holstein. Darüber hinaus wurden Gebäude in Paderborn (Nordrhein-Westfalen) sowie Ginsheim, Bad Vilbel und Wiesbaden (alle Hessen) durchsucht. Insgesamt handelte es sich um 22 Objekte, hieß es weiter. Als Beweismittel stellten die Beamten unter anderem Handys, Laptops und Speichermedien sowie Bargeld im Wert einer hohen fünfstelligen Summe sicher. Der Einsatzleiter der Bundespolizei, Helgo Martens, zog ein positives Fazit der Razzia. Es sei demnach gelungen, die „konspirative Logistik der Schleuserbande bundesweit zu zerschlagen“.

Bande soll Frauen aus China illegal beschäftigt haben

Ein Polizeieinsatz in Kiel-Russee

Auch im Kieler Stadtteil Russee gab es am Mittwoch Durchsuchungen.

Die Beamten gingen dabei dem Verdacht des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern nach Deutschland nach. Die Frauen hatten nach Angaben der Polizei keinen gültigen Aufenthaltstitel, durften sich also rechtmäßig nicht in Deutschland aufhalten. In Deutschland wurden laut Staatsanwaltschaft dann sexuelle Dienstleistungen der eingeschleusten Frauen in verschiedenen Online-Diensten angeboten. Die Frauen sollen dabei illegal in den Tages-Termin-Wohnungen beschäftigt worden sein. Für die Organisation habe es zudem eigens eingerichtete Telefonzentralen gegeben. Die mutmaßliche Schleuserbande sei so vorgegangen, dass sie die Frauen über Chatgruppen kontaktiert und dann „mit hohen und leichten Verdienstmöglichkeiten“ nach Deutschland gelockt habe.

Innenministerin dankt Einsatzkräften

„Menschenhandel gehört zu den schwerwiegendsten Menschenrechtsverletzungen überhaupt“, sagte Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) am Mittwoch. Opfer würden in den meisten Fällen aus „Angst oder Scham schweigen“, was Ermittlungen besonders herausfordernd gestalte. Sie bedankte sich bei der Staatsanwaltschaft und den beteiligten Einsatzkräften für „ihr Engagement, ohne das dieser Schlag gegen die Organisierte Kriminalität nicht möglich gewesen wäre“.

Tür eines Polizeiautos

Polizei und Zoll durchsuchten zwölf Wohnungen. Sie leiteten sechs Strafverfahren ein. Zwei Frauen kamen in Abschiebehaft.

Zwei Zollbeamte auf einer Baustelle.

In den Regionen Braunschweig, Hannover und Osnabrück wurden am Montag zahlreiche Baufirmen kontrolliert.

Mehrere Drogen und Beweismittel, die bei einer Razzia im Emsland sichergestellt wurden

Nach monatelangen Ermittlungen haben die Behörden Wohnungen und Häuser im Emsland durchsucht und Beweismittel gesichert.