Die Bremer Grünen wollen 26 Fußgängerampeln im Stadtgebiet, die bei Grün kein Männchen, sondern gleichgeschlechtliche Motive zeigen. Ok, das kann man fordern. Es juckt zwar kaum jemanden, tut aber auch niemandem weh. Es bringt so wenig, wie es schadet. Was soll’s, könnte man denken. Doch so einfach ist es nicht.

Denn das eigentlich Tragische ist nicht die Forderung an sich, sondern dass die Grünen im Besonderen, aber auch andere Parteien immer wieder mit Themen nach vorne gehen, die der breiten Bevölkerung egaler kaum sein könnten. Das führt zu einem Gefühl der Entfremdung. Die Durchschnittsbürger haben andere Probleme. Sie wollen ein bezahlbares Dach über dem Kopf, satt werden, gute Arbeit, gesund bleiben, ein wenig Spaß in der Freizeit und – wenn’s irgendwie geht – nicht morgen in der Innenstadt ausgeraubt werden. Klingt einfacher, als es ist. Denn allein für das nackte Fundament dessen, was sich als halbwegs gelungenes Leben bezeichnen ließe, gibt es politisch genug zu tun.

Symbolpolitik kommt oft vor richtiger Problemlösung

Wenn Menschen sich händeringend um einen Arzttermin bemühen und trotzdem keinen bekommen, wenn sie sich ein Freizeitvergnügen kaum leisten und sich in der Innenstadt nicht sicher fühlen können, dann haben sie an die Politik viele Erwartungen, aber gewiss nicht die, bitte unbedingt die Ampeln auf „queer“ zu schalten.

Statt sich drängender Probleme der Allgemeinheit anzunehmen, verliert sich Politik allzu oft im symbolpolitischen Kleinklein. Dann geht es nicht mehr darum, die großen Themen anzupacken, sondern um fatale Randthemenzentrierung. Die Grünen sind deren Avantgarde. Die Grüne Jugend wollte mal das Zeigen der Deutschlandfahne bei Fußballturnieren verbieten, um „Party-Patriotismus“ zu unterbinden. Geradezu legendär ist die grüne Forderung nach einem bundesweiten fleischlosen Tag.

Aber man muss gar nicht nach anderswo, nicht weit zurück und nicht nur auf die Grünen schauen, um festzustellen, dass auch so etwas wie die Ausbildungsabgabe zwar weniger grotesk, aber doch mit Riesenaufwand an der Lösung drängender Probleme vorbeirauscht. Auch so etwas wie der Streit um eine Frischluftschneise mag für die Mehrheit der Bremer nicht nach dem Dringlichsten klingen. Überhaupt stellt sich für den Durchschnittsbürger regelmäßig die Frage: „Warum zum Henker beschäftigen die sich mit so etwas, während Schulen vergammeln, die Armut steigt und die eigene Stadt an Sicherheit verliert?“

Eine der Antworten: Weil es so schön leicht ist.

Abseitsdebatten mit hehren Motiven

Wer 26 Fußgängerampeln im Gedenken an ebenso viele queerfeindliche Straftaten im vergangenen Jahr queerisieren will, kann vorgeben, etwas bewegt zu haben, ohne den vor allem für die Grünen unangenehmen Fakt auch nur in den Mund genommen, geschweige denn gelöst zu haben, dass Queerfeindlichkeit nicht nur, aber sehr wohl auch eine Herausforderung im Kontext eines stereotypen arabisch-islamischen Geschlechterrollenbildes ist. Das ist ein langer Satz, um in kurz zu sagen: Symbolpolitik blendet mehr aus, als sie erreicht.

Eine andere Abseitsdebatte, die hehre Motive verfolgt, aber der weit überwiegenden Mehrheit zum Hals raushängt, hatte sich in der Zwischenzeit erfreulich stark beruhigt: das Gendern. Bei diesem Thema schien es, als habe Krise um Krise gezeigt, dass es weiß Gott Wichtigeres gibt, als die so wichtige Gleichstellung von Frauen durch das Aufdrängen von Gewalt an der Sprache in Wahrheit kein bisschen zu verbessern.

Nun aber ist das Thema wieder aufgeflammt. Die Organisatoren des Christopher Street Day in Bremen haben den Truck der FDP ausgeschlossen. Der Grund: ein Dringlichkeitsantrag der Bürgerschaftsfraktion für ein generelles Verbot von Gendersprache in Schulen und Behörden. Da ist es wieder, das unselige Motiv: Es dreht sich im allerkleinsten Kreise, was eigentlich Größe bräuchte. Statt sich als Demokraten gemeinsam gegen die Feinde der offenen Gesellschaft zu stellen, bleibt für die breite Öffentlichkeit der Eindruck, dass da einige offenbar nicht genug Sorgen haben, um so einen Terz zu lassen. Die wahren Probleme bleiben dabei wie so oft: ungelöst.

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