Kiel. 76 Stufen müssen die Carilloneure erklimmen, bevor sie am Spieltisch des Glockenspiels im Turm des Kieler Klosters Platz nehmen können. „Dies ist das einzige Carillon in Schleswig-Holstein, das dauerhaft gespielt wird“, sagt Gunther Strothmann.
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Der 81-Jährige spielt das Instrument, seit es 1999 in das einstige Franziskanerkloster einzog. „Es gab damals keinen, der spielen konnte“, sagt Strothmann trocken und ergänzt: „Das kann man ja lernen.“ Und so war es. „Ich habe anfangs noch einfache Lieder gespielt. Mit der Zeit wurden sie aber immer komplizierter.“
Kieler Carillon: Seit 2005 mit 50 Glocken für vier Oktaven
Die Initiative für den Einbau des Carillons sei aus dem benachbarten Landeskirchenamt der damaligen Nordelbischen Kirche gekommen. Die 300.000 DM für die 45 Bronzeglocken, die in Karlsruhe gegossen wurden, seien durch Spenden finanziert worden. 2005 kamen fünf weitere dazu, um mit 50 Glocken vier Oktaven abzudecken. 4.089 Kilogramm wiegt das gesamte Glockenspiel.
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Etwa 570 Konzerte sind bisher auf dem Kieler Carillon gespielt worden. Mindestens an jedem ersten Sonnabend eines Monats gibt es eins. Zudem erklingt täglich um 12, 15 und 18 Uhr ein automatisches Spiel. Eine Melodie erklinge immer, wenn die Bronzeglocken zum Konzert anstimmen: Martin Luthers Choral „Verleih uns Frieden gnädiglich“. „Glocken sind Zeichen des Friedens“, sagt Strothmann.
Glockensommer Kiel mit internationalen Gästen am Spieltisch
Auch internationale Künstlerinnen und Künstler beginnen und beenden ihre Konzerte mit dem Choral. „Außerdem müssen sie mindestens ein geistliches Lied mitbringen“, erklärt Strothmann die Vorgaben zum „Glockensommer“, den das Carillon-Team seit 2001 organisiert. Am 20. August spiele um 18 Uhr Joseph Min aus New York im Turm. Am 6. September lasse Tiyl Stynen aus Belgien um 11 Uhr die Glocken klingen. Infos: www.kielerkloster.de
Das Carillon von Olaf Sandkuhl aus Rostock bringt 3,6 Tonnen auf die Waage, hat 37 Bronzeglocken und ist mobil. 2004 hat er das Instrument von einer niederländischen Glockengießerei zum Kauf angeboten bekommen, und es auf einem umgebauten Kleinlaster installiert. Seitdem tourt er durch die deutschen Lande und tritt bei Gemeindefesten oder Stadtjubiläen auf.
Carillon-Spielerin Gudrun Schmidtke aus Hamburg kann ihr Instrument derzeit nicht spielen. Seit Ende Juli ist die Christianskirche in Hamburg-Ottensen eine Baustelle und das Betreten verboten. „Dass das Carillon heute noch existiert, ist ein kleines Wunder“, erklärt sie. Während des Zweiten Weltkrieges hätten die meisten Kirchen ihre Glocken aufgeben müssen, damit Kugeln aus ihnen gegossen werden konnten.
In Hamburg landeten die meisten Kirchenglocken auf dem sogenannten Glockenfriedhof auf der Veddel – auch die aus Altona. „Glücklicherweise wurden alle Glocken wiedergefunden. So konnte das Carillon wieder aufgebaut und bereits 1949 wieder bespielt werden.“
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Das Carillon der Christianskirche sei das älteste noch erhaltene Deutschlands. Im Jahr 1913 stiftete die Kirchengemeinde es zum 200. Jubiläum der Kirche, erklärt Schmidtke. Ab Oktober soll es wieder regelmäßig erklingen – immer am ersten Sonnabend im Monat um 15.30 Uhr.
KN