Forschende aus Madagaskar haben erstmals Ergebnisse einer randomisiert-kontrollierten Studie zur Behandlung der Beulenpest vorgelegt. Wie sie im New England Journal of Medicine berichten, ist eine alleinige orale Behandlung mit Ciprofloxacin über 10 Tage ebenso wirksam wie die bislang empfohlene Kombination aus injizierbarem Aminoglykosid-Antibiotikum und Ciprofloxacin [1].
Zu den für die Beulenpest am stärksten endemischen Ländern gehören heute Madagaskar, die Demokratische Republik Kongo und Peru. In Madagaskar treten während der Epidemiesaison von September bis April nahezu jedes Jahr Fälle von Beulenpest auf.
Bisherige Therapieempfehlungen basierten auf schwacher Evidenz
Zwar existieren Richtlinien für die Behandlung, diese beruhen bislang jedoch auf schwacher Evidenz. Eine randomisiert-kontrollierte Vergleichsstudie zu verschiedenen Therapieoptionen hatte es bisher nicht gegeben. Die nationale Leitlinie für Madagaskar sieht für Erwachsene eine sequenzielle Therapie vor – mit 3 Tagen injizierbarem Aminoglykosid (Streptomycin oder Gentamicin), gefolgt von 7 Tagen oralem Ciprofloxacin. Für Kinder unter 15 Jahren wird Ciprofloxacin in oraler Monotherapie als Erstlinienoption empfohlen.
„Das Fehlen hochwertiger Evidenz und die Nachteile der Aminoglykoside – etwa die parenterale Gabe, potenziell schwere Nebenwirkungen und eine geringe intrazelluläre Penetration – haben uns dazu veranlasst, eine randomisierte Studie zu initiieren“, schreiben die Autoren um Dr. Rindra V. Randremanana vom Institut Pasteur de Madagascar, Antananarivo, Madagaskar.
Das Fehlen hochwertiger Evidenz und die Nachteile der Aminoglykoside … haben uns dazu veranlasst, eine randomisierte Studie zu initiieren.
Dr. Rindra V. Randremanana und Kollegen
In der offenen Nichtunterlegenheits-Studie IMASOY wurden zwischen 2020 und 2024 insgesamt 450 Patienten mit klinischem Verdacht auf Beulenpest randomisiert, darunter 220 mit laborbestätigter Infektion und 2 mit wahrscheinlicher Infektion. Das Alter reichte von 2 bis 72 Jahren, das Medianalter betrug 14 Jahre.
Beulenpest – von der Pandemie zur kontrollierbaren Infektion
Die Beulenpest, im Mittelalter als „Schwarzer Tod“ gefürchtet, hat über die Jahrhunderte Millionen Menschenleben gefordert. Ausgelöst wird sie durch das gramnegative Bakterium Yersinia pestis, das primär in Nagern und deren Flöhen zirkuliert. Auch wenn sie heute selten ist, ist sie nicht verschwunden: 2018 wurden der WHO weltweit 248 Fälle gemeldet, überwiegend aus Madagaskar und der Demokratischen Republik Kongo.
Erste Behandlungsmöglichkeiten boten ab den 1930er-Jahren Sulfonamide – allerdings nur bei Beulenpest, nicht bei der Lungenpest. Ein Wendepunkt kam 1948 mit dem Aminoglykosid Streptomycin, das als erstes wirksames Antibiotikum auch bei schwerer Lungenpest eingesetzt werden konnte. Nach Bestätigung durch Studien in Indien und Madagaskar galt Streptomycin jahrzehntelang als Standard.
Erst Jahrzehnte später kam eine neue Option hinzu: In den USA wurde Ciprofloxacin 2015 unter der sogenannten „Animal Rule“ der FDA auch zur Behandlung der Pest zugelassen – einer Regelung, die eine Zulassung auf Basis von Tierdaten erlaubt, wenn Humanstudien ethisch oder praktisch nicht durchführbar sind. In der EU gibt es keine vergleichbare Regelung, hier wird Ciprofloxacin bei Pestinfektionen off-label eingesetzt.
2017 kam es in Madagaskars Hauptstadt Antananarivo zu einem großen Ausbruch der Beulenpest mit über 2.400 Verdachtsfällen. Therapiestandard waren damals noch 2-mal tägliche Streptomycin-Injektionen über 7 Tage. Die Epidemie machte deutlich, wie schwierig die flächendeckende Umsetzung dieses Therapieregimes ist.
In der Folge passte Madagaskar seine Leitlinie an und führte eine sequenzielle Therapie mit 3 Tagen Streptomycin und 7 Tagen Ciprofloxacin ein. Die nun publizierte Studie zeigt, dass mit der rein oralen Ciprofloxacin-Behandlung ein noch einfacher umzusetzendes Regime zur Behandlung der Beulenpest ausreichen könnte.
Ciprofloxacin-Monotherapie war nicht unterlegen
Verglichen wurde die orale Ciprofloxacin-Monotherapie über 10 Tage mit der sequenziellen Gabe von Aminoglykosid (3 Tage) und Ciprofloxacin (7 Tage). Der primäre Endpunkt war Therapieversagen bis Tag 11, definiert als Tod, anhaltendes Fieber, Entwicklung einer sekundären Lungenpest oder Notwendigkeit einer alternativen oder verlängerten Pestbehandlung.
In der Ciprofloxacin-Gruppe kam es bei 9,0% der Patienten (10 von 111) zu einem Therapieversagen, in der Kontrollgruppe bei 8,1% (9 von 111). Damit war die Monotherapie nicht unterlegen. Die Mortalität lag in beiden Gruppen bei rund 4%. Sekundäre Lungenpest trat bei je 3 Patienten auf.
Vergleichbares Nebenwirkungsprofil
Subgruppenanalysen bestätigten die Nichtunterlegenheit der Ciprofloxacin-Monotherapie. Nebenwirkungen wurden in beiden Gruppen ähnlich häufig beobachtet (18,0% vs. 18,9%). Schwere unerwünschte Ereignisse traten bei 7,2% bzw. 5,4% auf. Kein schweres Ereignis wurde als arzneimittelbedingt eingestuft.
Fazit der Autoren: „Eine rein orale Ciprofloxacin-Therapie über 10 Tage ist einer sequenziellen Aminoglykosid-Ciprofloxacin-Therapie bei der Behandlung der Beulenpest nicht unterlegen“ – und könnte in ressourcenarmen Regionen ein praktikablerer und kostengünstigerer Therapieansatz sein.
Eine rein orale Ciprofloxacin-Therapie über 10 Tage ist einer sequenziellen Aminoglykosid-Ciprofloxacin-Therapie bei der Behandlung der Beulenpest nicht unterlegen.
Dr. Rindra V. Randremanana und Kollegen