Audi prüft den Bau eines ersten Werks in den USA. Über die möglichen Folgen und Risiken für die deutschen Standorte wie Neckarsulm wird bereits jetzt intensiv diskutiert.
Die US-Zölle von US-Präsident Donald Trump haben den Autobauer Audi mit einem Werk in Neckarsulm (Kreis Heilbronn) schwer getroffen. Das Unternehmen besitzt nicht wie Mercedes oder BMW ein eigenes Produktionswerk in den Vereinigten Staaten. Die Folge: Für alle in die USA importierten Fahrzeuge fallen Zölle an. Deshalb denkt die VW-Tochter jetzt über den Bau eines ersten eigenen Werks in den USA nach. Das „Handelsblatt“ hatte zuerst über die Pläne berichtet.
Welche Folgen hätte ein US-Werk für Neckarsulm?
Der bekannte Automobil-Experte Stefan Bratzel vom Forschungsinstitut Center of Automotive Management (CAM) an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach (Nordrhein-Westfalen) sagte dem SWR, ein neues US-Werk bleibe vermutlich nicht ohne Folgen für die deutschen Audi-Standorte. Wenn man von einem geplanten Produktionsvolumen in den USA von 150.000 bis 200.000 Fahrzeugen ausgehe, dann seien damit zwar Wachstumshoffnungen von Audi in den USA verbunden, aber ob diese alle erfüllt würden, sei nicht klar.
Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management der Fachhochschule Bergisch Gladbach. Er befürchtet Folgen für deutsche Standorte, sollte in den USA ein neues Audi-Werk entstehen.
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Das bedeutet dann am Ende, dass in Deutschland weniger Fahrzeuge gebaut werden dürften. Das starke Exportmodell der Premiumautobauer aus Deutschland heraus wird in der Zukunft nicht mehr so einfach funktionieren können.
Der Autoexperte sieht generell den Trend, dass Fahrzeuge immer mehr dort gebaut werden, wo sie auch verkauft werden. „Das hat jetzt sogar noch eine Beschleunigung erfahren durch die Trumpschen Zolltiraden“, so Bratzel. Aus Sicht des Experten könnte sogar die kuriose Situation entstehen, dass künftig Autos für den europäischen Markt in den USA gebaut werden, da aus dieser Exportrichtung bislang keine Zölle vorgesehen sind.
Auch wegen Zöllen: Audi prüft verschiedene Szenarien
Der Autobauer Audi teilt auf SWR-Anfrage mit, es gebe noch keine Entscheidung über ein neues Werk. Die USA seien für die Audi AG neben Europa und China die dritte globale Säule und ein Markt, auf dem man wachsen und stärker lokalisieren wolle.
Dazu prüfen wir derzeit verschiedene Szenarien. Wir sind zuversichtlich, dass wir dazu noch in diesem Jahr in Abstimmung mit dem Volkswagen Konzern eine Entscheidung treffen, wie das konkret aussehen wird.
Ziel sei es, so Audi, sich in den Kernregionen robust und zukunftsorientiert aufzustellen.
IG Metall betont Beschäftigungssicherung
Die möglichen Folgen eines neues Werks in den USA beschäftigt auch die örtliche IG Metall Heilbronn-Neckarsulm. Rudolf Luz, der derzeit kommissarische Erste Bevollmächtigte stellt klar, dass ein neues US-Werk nicht zu Lasten der deutschen Standorte gehen dürfe. Die USA seien ein wichtiger Absatzmarkt für Audi, die Überlegungen für ein neues Werk seien daher grundsätzlich berechtigt.
Das Neckarsulmer Audi-Werk: Hier arbeiten über 15.000 Beschäftigte. Das Thema Zölle belastet den Gewinn des Konzerns.
Die verlängerte Beschäftigungssicherung für die Audi-Mitarbeiter bis Ende 2033 wird in so einem Umfeld umso wichtiger.
Was dem örtlichen Gewerkschafter allerdings auch Sorgen macht, ist, dass die Zollpolitik des US-Präsidenten unberechenbar ist und für ihn auch weiter bleibt. Das sei bei langfristigen Investitionen ein „großes Risiko“.
Nutzt Audi das VW-Werk in Chattanooga?
Laut dem Handelsblatt gibt es offenbar Überlegungen von Audi, am bestehenden VW-Standort in Chattanooga (US-Bundesstaat Tennessee) ein Werk zu bauen. Ein neues US-Werk aus dem Boden zu stampfen dürfte aber mehr als zwei Jahre dauern, wird vermutet.
Deutlicher Gewinneinbruch bei Audi
Die gesamte deutsche Autobranche steht derzeit enorm unter Druck. Das schwächelnde Chinageschäft und die US-Zölle schlagen sich in den Zahlen nieder. Im ersten Halbjahr war der Gewinn bei Audi um fast 40 Prozent eingebrochen. Für das laufende Jahr hat der Autobauer seine Prognose angepasst. Die Umsatzerwartung schrumpfte um 2,5 Milliarden Euro auf 65 bis 70 Milliarden Euro. „Die Lage ist sehr anspruchsvoll“, hatte der Audi-Finanzchef Jürgen Rittersberger zuletzt verlauten lassen.
Audi streicht Stellen – auch am Standort Neckarsulm
Audi hat generell den Rotstift angesetzt. Im Frühjahr war ein Sparpaket verkündet worden. Bis 2029 sollen rund 7.500 Stellen außerhalb der Produktion sozialverträglich abgebaut werden, auch im Werk Neckarsulm. Zu genauen Zahlen macht Audi keine Angaben.
Mittelfristig will das Unternehmen mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr einsparen. Laut Handelsblatt wird derzeit wohl auch intensiv darüber diskutiert, wie Audi einen milliardenteuren Werksneubau in den USA überhaupt finanzieren könnte. Der Mutterkonzern Volkswagen müsste der Tochter hier wohl unter die Arme greifen, wird spekuliert.