Michael Boniek vor seinem Grundstück. Er sorgt sich um ältere Anwohner, die über die Dürrbachstraße müssen. Foto: Sebastian Steegmüller
In Rohracker wird derzeit fleißig gebaut, doch die Umleitung bringt unerwartete Probleme mit sich. Anwohner berichten von rasanten Autofahrern und fordern Konsequenzen.
An vielen Stellen in der Landeshauptstadt sind derzeit Ferienbaustellen zu finden. Die Straßenbauarbeiten führen meist zu Verkehrsbehinderungen – häufig auch auf den empfohlenen Umleitungsstrecken. Nicht so in Rohracker. Im Hedelfinger Stadtteil sucht man vergeblich nach Staus auf der ausgeschilderten Alternativroute. Im Gegenteil: Anwohner schlagen Alarm, weil dort nun vermehrt gerast werde. Sie fordern daher Maßnahmen.
Halteverbote mit der Feuerwehr abgestimmt
Doch der Reihe nach: Ende Juli ist die Rohrackerstraße wegen Arbeiten an Versorgungsleitungen gesperrt und der Verkehr über die Dürrbachstraße umgeleitet worden. Um sicherzustellen, dass Busse und Rettungsfahrzeuge dort problemlos durchkommen, hat die Stadt auf einer Länge von rund 550 Metern sämtliche Parkplätze gestrichen und ein beidseitiges absolutes Halteverbot eingerichtet. Die Vorgehensweise sei mit der Branddirektion und der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) abgestimmt worden, sagt Stadtsprecher Oliver Hillinger. Nach Hinweisen der Feuerwehr habe man die Halteverbote in Kreuzungsbereichen sogar noch erweitern müssen. Sie seien aus Sicht des Amtes für Ordnung für eine sichere und leistungsfähige Verkehrsabwicklung unverzichtbar. „Die Rettungswege müssen gut befahrbar sein.“
Durch das beidseitige Halteverbot gibt es in der Dürrbachstraße viel Platz. Foto: privat
„Das ist definitiv so“, sagt Alexander Dürr, der im oberen Teil der Dürrbachstraße wohnt. „Es wurde so viel Platz geschaffen, dass Autofahrer ordentlich aufs Gas treten können. An Tempo 30 hält sich kaum einer“, sagt der 49-Jährige, der selbst früher im Rennsport aktiv war. „Wer mit der vorgeschriebenen Geschwindigkeit unterwegs ist, wird überholt“, schildert er seine Beobachtungen. Auf den Geraden wird beschleunigt und vor der Haarnadelkurve teils mit quietschenden Reifen heruntergebremst. Zur Untermalung seiner Worte zückt er sein Mobiltelefon und zeigt verschiedene Videos, die er vor seiner Haustür gemacht hat. Sie zeigen die riskanten Fahrmanöver. „Das ist echt ein Witz. Die Situation ist sehr unbefriedigend“, so der gelernte Elektroinstallteur.
Autos rauschen direkt am Gartentor vorbei
Michael Boniek wohnt ebenfalls in der Dürrbachstraße, rund 260 Meter unterhalb von Alexander Dürr. „Überholvorgänge gehören hier zur Tagesordnung“, sagt der 63-Jährige. „Auch der von der SSB eingesetzte Kleinbus ignoriert regelmäßig die zulässige Höchstgeschwindigkeit. Ich mutmaße, dass der Fahrplan aufgrund der jetzt deutlich längeren Strecke eingehalten werden muss.“ Er habe sich bereits an verschiedene Stellen gewandt. Und wie einige Nachbarn auch gelbe Karten an die Stadt geschickt. „Selbst an Oberbürgermeister Frank Nopper wurde schon geschrieben“, sagt der Mediziner, an dessen Grundstück der Gehweg gerade einmal 70 Zentimeter breit ist. „Jetzt rauschen die Autos knapp am Gartentor vorbei. Die Tatsache, dass sich insbesondere ältere Bürger beim Überqueren der Straße nicht mehr sicher fühlen, interessierte bei meinen Telefonaten nicht. Wenn ich jemand erreicht habe, wurde ich vertröstet oder abgewürgt.“
Ganz ungehört blieben die Beschwerden aber dann doch nicht. Anfang dieser Woche hat die Stadt im unteren Bereich der Dürrbachstraße eine elektronische Tempo-Anzeige aufgehängt. Sie verfügt allerdings über kein Statistikmodul, zeichnet also keine Werte auf. „Ihre Aufgabe ist es, Fahrerinnen und Fahrer für die gefahrene Geschwindigkeit zu sensibilisieren“, sagt Hillinger. Für deutlich schneller als erlaubt fahrende Fahrzeuge sieht das Amt für öffentliche Ordnung keine Anhaltspunkte. Dort schätzt man ein, dass es sich um einen subjektiven Eindruck handelt – weil es keinen Parkverkehr mehr gibt und wegen der Umleitung dort auch mehr Autos als üblich unterwegs sind.
Parkende Lieferdienste verlangsamen den Verkehr
Das sehen die Anwohner natürlich anders. Sie sprechen sich dafür aus, zumindest an einigen Stellen, das Parken wieder zu erlauben. Sobald Lieferdienste oder Paketboten verbotenerweise ihre Fahrzeuge in der Dürrbachstraße abstellen, würde sich der Verkehr verlangsamen. „Neulich haben Gärtner ihren Anhänger einen halben Tag im absoluten Halteverbot geparkt. Es kam zu keinerlei Verkehrsbehinderungen, auch der Linienbus kam ohne Probleme durch“, so Dürr. Er begrüßt, dass die Rohrackerstraße saniert wird. Dass man die Anwohner an der Umleitungsstrecke so im Regen stehen lasse, verstehe er nicht. „Nachbarn, die direkt an der Baustelle wohnen, haben im Vorfeld Flyer mit Infos über die Baumaßnahme erhalten, wir nicht.“ Viele Autofahrer würden nicht wissen, wo sie parken sollen. „Sie weichen notgedrungen ins Landschaftsschutzgebiet aus“, sagt Dürr.