Frankreichs Verfassungsrat kippt zentrale Regelung im Duplomb-Gesetz: Die Wiedereinführung eines verbotenen Pestizids verstößt laut Urteil gegen das Recht auf eine gesunde Umwelt.
Im Juli verabschiedete die Nationalversammlung in Paris ein nach seinem konservativen Initiator Laurent Duplomb benanntes Gesetz, das „Hindernisse für die Ausübung der Landwirtschaft beseitigen“ und verschiedene Umwelt- sowie Verwaltungsauflagen lockern sollte.
Besonders umstritten war die geplante Wiedereinführung von Acetamiprid, einem seit 2020 in Frankreich wegen Gesundheits- und Umweltbedenken verbotenen Neonicotinoid-Insektizid, das jedoch in Teilen der EU weiterhin – insbesondere im Zuckerrüben- und Haselnussanbau – eingesetzt wird.
In seiner am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung bemängelte der Verfassungsrat, das Gesetz räume der Genehmigung von Pestiziden zu weitgehende Befugnisse ein, ohne die Zulassung auf Sektoren mit Produktionsproblemen zu beschränken. Damit verstoße es gegen die Umweltcharta von 2005, die Teil der französischen Verfassung ist.
Linke Abgeordnete hatten das Gesetz im Juli vor den Verfassungsrat gebracht, nachdem konservative und rechte Abgeordnete eine Debatte in der Nationalversammlung verhindert hatten. Der Rat wies zwar den Verfahrenseinwand ab, gab jedoch der Umweltbeschwerde statt.
Der öffentliche Widerstand war groß: Über zwei Millionen Menschen unterzeichneten seit dem 10. Juli eine Petition gegen das Gesetz. Auch der französische Ärzteverband äußerte vergangene Woche Bedenken und warnte vor den Gesundheitsrisiken von Acetamiprid.
Präsident Emmanuel Macron hat das Urteil „zur Kenntnis genommen“ und „wird das Gesetz, wie es sich aus dieser Entscheidung ergibt, so schnell wie möglich verkünden“, teilte sein Büro TF1 mit.
Gesetze auch in Berlin auf Prüfstand
Auch in Deutschland sorgt die Lockerung von Umweltauflagen für juristischen Streit: Anfang dieser Woche zog die Grüne-Bundestagsfraktion wegen der Abschaffung der Stoffstrombilanzverordnung vor das Bundesverfassungsgericht.
Da sie die Rechte des Parlaments als missachtet sehen, strengen sie in Karlsruhe ein Organstreitverfahren an.
Die Verordnung sollte eigentlich dazu beitragen, Überdüngung und Umweltbelastungen zu begrenzen. Das Aussetzen der Bestimmungen wird jedoch von Bundesminister Alois Rainer (CSU) als politisches Entgegenkommen an die Landwirtschaft gewertet.
Auch auf EU-Ebene wächst der Druck: Der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling fordert ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Deutschlands zu hohe Nitratwerte waren bereits Gegendstand von Gesprächen zwischen Berlin und Brüssel.
(de, jl)