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In der Hörbuchversion einer Kindergeschichte entdeckt eine Mutter einen Satz, der sie schockiert. „Ich habe es entsorgt“, sagt sie.
„In dieser Geschichte lernt Leo zu verstehen, dass die Mama ihn immer noch lieb hat und sich Zeit für ihn nimmt, auch wenn sie jetzt nicht mehr den ganzen Tage zu Hause ist“: Mit diesem Satz wird das Kinderbuch „Leo Lausemaus – Mama geht zur Arbeit“ beschrieben. „Ernsthaft?“, reagiert die berufstätige Mutter Maren Pankalla auf die Geschichte. Besonders stört sie, dass die Liebe einer berufstätigen Mutter zu ihrem Kind infrage gestellt wird.
In der Geschichte frage die dreijährige Maus seine berufstätige Mama, ob sie ihn denn gar nicht mehr lieb habe, wenn sie wieder arbeiten gehe. Der Maus-Vater spiele nicht wirklich eine Rolle, bei ihm sei es normal, dass er kaum anwesend sei. „Das ist toxisch und es wirkt“, schreibt Pankalla auf LinkedIn. Frauen leisten täglich rund 44 Prozent mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer. „Solche Bücher festigen das.“ Deswegen „habe ich Leo Lausemaus entsorgt“.
Eine Mutter „entsorgt“ ein Kinderhörbuch, weil es ihrer Meinung nach „toxische“ Gedankenmuster festigt. (Symbolbild) © IMAGO/Depositphotos„Diskriminierend“: Kinderbuch in der Kritik – Verlag rechtfertigt sich
„Das war Gott sei Dank genau meine erste und letzte Begegnung mit Leo Lausemaus. Ich fand diese Episode auch verstörend und systematisch diskriminierend. Danach war ich für viele Folgen sensibilisiert und habe die Maus komplett verbannt“, kommentiert eine andere Mutter unter Pankallas Beitrag. „Hab es auch in die Mülltonne gehauen“, schreibt eine weitere. Eine dritte bezeichnet die „hat mich immer noch lieb“-Passage als „Herzlos-Plot“. Es wundere sie nicht, dass wir „2025 immer noch über Gleichstellung reden, statt sie zu leben“.
Leo Lausemaus erscheint im Lingen Verlag. Pankalla, die auf Linkedin auch über eine faire Bezahlung von Elternzeiten spricht, sagt uns, sie habe dem Verlag schon ihren Beitrag weitergeleitet. Wir fragen selbst nach. Sarah Jakob, Chief Product Officer beim Lingen Verlag, antwortet uns. „Dabei handelt es sich um einen älteren Titel, erschienen 2007, der aktuell nicht mehr im Sortiment geführt wird“, sagt sie BuzzFeed News Deutschland von Ippen.Media. Pankalla hatte das Kinderbuch als Hörbuch besessen.
Die Buchreihe solle Kinder in typischen Alltagssituationen begleiten. „Uns ist bewusst, dass gesellschaftliche Rollenbilder einem ständigen Wandel unterliegen, den wir in unserer Programmentwicklung aktiv mitdenken. Die genannten Inhalte waren ursprünglich als Reflexion kindlicher Verlustängste gedacht, nicht als Wertung elterlicher Rollen. Gleichzeitig nehmen wir Hinweise und Kritik sehr ernst und prüfen diese im Rahmen unserer redaktionellen Modernisierungen.“ Es stimme, dass es den Titel „Papa geht zur Arbeit“ bislang nicht gebe, andere Bücher thematisierten jedoch auch andere Bezugspersonen wie Väter, Großeltern, Freunde oder Geschwister.
Wie Kinderbücher ein Leben lang prägen können
Wie wichtig Kinderbücher für die Entwicklung sind, wissen die Gender-Experten und -Expertinnen von Pinkstinks. „Geschichten sind so viel mehr als nur Bilder und Worte. Sie prägen unser Weltbild und erklären uns schon im Kindesalter, wie unsere Gesellschaft funktioniert“, schreiben sie. Wenn ein Kind ständig lese, dass Piraten immer männlich seien, Mädchen sich lieber um Ponys kümmern, Mütter zu Hause bleiben oder Väter selbstverständlich berufstätig sind, dann verankerten sich diese Klischees für immer in ihren Köpfen.
Ähnlich wie Bücher können auch klischeebehaftete Texte von Kinderliedern Mädchen ein Leben lang prägen. Zum Beispiel das Lied über „Emma, die Ente, die ewig verpennte“, die als „schönste Ente weit und breit“ gilt, die alle Erpel bewundern. Das reproduziere ein sexistisches Rollen-Stereotyp, „nachdem es bei einer Frau nur auf Äußerlichkeiten ankommt, um im Privatleben erfolgreich zu sein“, sagt der Musikethnologe Nepomuk Riva BuzzFeed News Deutschland.