Vor über neun Jahren kostete eine Schießerei auf der Eisenbahnstraße einen jungen Mann das Leben, weitere Personen wurden schwer verletzt. Hintergrund waren Rivalitäten zwischen den Rockergruppen Hells Angels und United Tribuns. Vier „Höllenengel“ sitzen lebenslang hinter Gittern – doch das Verfahren gegen zwölf weitere Personen aus ihren Reihen endete nun nach LZ-Informationen mit einer Einstellung.
Die tödliche Auseinandersetzung bahnte sich am Morgen des 25. Juni 2016 an, einem warmen Frühsommertag. Damals eskalierte auf der Eisenbahnstraße im Leipziger Osten ein Machtkampf zwischen Hells Angels und United Tribuns (UT). Alles begann, so wurde es später rekonstruiert, mit einem harmlosen Barberbesuch des damaligen UT-Vizechefs Sooren O., bei dem er einen der verfeindeten Hells Angels, Stefan S., im Rocker-Shirt auf der Straße sah.
Traurige Bilanz: Ein Mensch gestorben, zwei weitere schwer verletzt
Im eigenen Weltbild eine Provokation, da die Tribuns den Kiez für sich beanspruchten. Sooren O. verpasste Stefan S. eine Abreibung, Fäuste sollen gegen den „Höllenengel“ geflogen sein. Die Angels wiederum wollten die Demütigung nicht auf sich sitzen lassen. 16 von ihnen versammelten sich am Nachmittag in einem Freisitz der Kreuzung Eisenbahnstraße/Neustädter Straße, um Gewalttätigkeiten gegen verfeindete UT-Mitglieder zu begehen, wie es später in der Anklage hieß.
Der Austragungsort brutaler Revierkämpfe zwischen den Hells Angels und den United Tribuns. Foto: Martin Schöler
Als sich mindestens neun UT-Männer gegen 15:35 Uhr der Szenerie näherten, kam es zum dramatischen Showdown unter den Augen angerückter Polizisten, die das, was nun geschah, nicht unterbinden konnten. Sieben Schüsse aus einer Selbstladepistole seitens der Hells Angels peitschten durch die Luft, zwei trafen UT-Anwärter Veysel A. (27), der noch am Abend im Krankenhaus verstarb. Zwei Männer überlebten schwer verletzt. Erst ein polizeiliches Großaufgebot beendete die brutale Auseinandersetzung.
Nach einem Mammutprozess hatte das Landgericht Leipzig im Juni 2019 den Schützen Stefan S. (damals 33) und drei weitere Hells Angels (damals 36, 42, 48) unter anderem wegen gemeinschaftlichen Mordes zu jeweils lebenslanger Haft verurteilt. Die Entscheidung wurde 2020 rechtskräftig, das Quartett verbüßt seine Strafen noch – mindestens – bis 2031.
Verdacht auf gemeinschaftlichen Mordversuch laut Staatsanwaltschaft nicht mehr haltbar
Im Nachgang sah es allerdings so aus, dass auch zwölf weitere Hells Angels vor Gericht gestellt werden könnten. Sie alle sollen bei der physischen Konfrontation vom 25. Juni 2016 anwesend, aber bei dem Tötungsakt gegen das Opfer Veysel A. nicht direkt involviert gewesen sein.
Doch laut einem Beitrag des Portals TAG24, das Ende Juli zunächst berichtet hatte, hätten mehrere Hells Angels, darunter drei der Verurteilten, ihren ehernen Schweigekodex mutmaßlich mit Segen von „ganz oben“ beerdigt und gegenüber den Behörden ausgepackt. Im Ergebnis dessen und jahrelanger Ermittlungsarbeit habe sich der Verdacht eines gemeinschaftlichen Mordversuchs so nicht mehr halten lassen.
Da folglich „nur“ noch versuchte gefährliche Körperverletzung und schwerer Landfriedensbruch gegen Mitglieder der Hells Angels auf dem Tisch lagen, sei eine Verfahrenseinstellung laut Argumentation der Staatsanwaltschaft gerechtfertigt, nicht zuletzt im Lichte der langen Ermittlungsdauer.
Auch die andere Seite musste sich übrigens keinem Prozess stellen: Schon im Frühjahr 2025 war ein Verfahren gegen neun UT-Mitglieder wegen versuchter gemeinschaftlicher Körperverletzung gegen Geldzahlungen vorläufig eingestellt worden. Die damals überwiegend jüngeren und kampfsportaffinen Männer sollen kurz vor der tödlichen Schießerei eine brutale Attacke auf die gegnerischen „Höllenengel“ durchgeführt haben.
Verfahren wird wohl unter Auflagen eingestellt
Der Antrag der Leipziger Staatsanwaltschaft auf Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO lag bei der 8. Strafkammer des Leipziger Landgerichts zur finalen Entscheidung. Nach verlässlichen LZ-Informationen vom Freitag hat das Gericht dem Antrag inzwischen zugestimmt. Offiziell konnte der Vorgang auf LZ-Anfrage zunächst noch nicht bestätigt werden.
Als Voraussetzung sollen unterschiedliche Geldauflagen von 4.000 bzw. 6.000 Euro festgelegt worden sein. Sofern die Summen innerhalb einer bestimmten Frist überwiesen werden, wäre die Angelegenheit für die Betroffenen juristisch endgültig erledigt.
Ein neuerlicher Riesen-Prozess um den Vorfall vom 25. Juni 2016 ist damit wohl in Zukunft nicht mehr zu erwarten.