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Open-Sound Göttingen: Prallvoller Wochenmarktplatz beim Konzert von Sweety Glitter mit Frontmann „Sweety“ Volker Petersen (links), Mitte: Gitarrist Randy B. Bluebird alias Eiko Witt sowie Drummer Sir Tobi, alias Tobi Zweifler. © Foto: Christoph Mischke
Wie viel Spaß ein kostenloses Open-Air-Rock-Konzert machen kann, war am Donnerstagabend in Göttingens Innenstadt zu erleben
Göttingen – Ein picke-packe-voller Wochenmarktplatz, viele lächelnde Gesichter und ein Jubelsturm nach dem anderen. Wenn einer Band in und nach einem Konzert so etwas zu Augen und Ohren kommt, dann darf man höchst zufrieden von der Bühne gehen. Sweety Glitter und die Sweethearts – und mit ihnen die allermeisten der mindesten 1500 Zuschauer – jedenfalls genossen am Donnerstag beim „Open Sound“ jede Minute in ihrer „zweiten Heimat“ Göttingen.
Die fünf Musiker, alle im allerbesten Glam-Rock Zwirn verpassen während der gut zwei Stunden viele Besucher von Deja-Vu- zu Deja-Vu-Erlebnis. Und das auch ganz ohne Deja-Besuch, die gleichnamige Kneipe ist nur 200 Meter entfernt.
Sweety Glitter: Erstes Gö-Konzert im ZHG im Januar 1988
Vorab: Sweety Glitter kommen aus Braunschweig. Die Verbindung, auch über Freunde, besteht seit der Gründung vor 38 Jahren. Beim Altstadtfest und anderen Anlässen gehörten sie lange Jahre quasi zum Inventar. Die Fanschaft in der Uni-Stadt ist groß, trotz nicht gerade häufiger Auftritte in den vergangenen Jahren. Und die Fans wissen, was sie bekommen: Rock, Rock, Rock, fein verpackt mit Glitzer-Outfit, Plateau-Schuhen, Peace-Zeichen, Victory-Posen und Love-Botschaften, einem charmanten wie ironisch-humorvollen Plauderer Sweety und an diesem Abend Sweetheart-Musikern, die qualitativ hochwertig und kompromisslos abliefern, dass es selbst einigen Generation-Z-Zugehörigen ein Dauerlächeln ins Gesicht treibt.
Zurück zur Zeitreise: Erster Sweety-Glitter-Auftritt am 30. Januar 1988 in Göttingen. Im ungemütlichen ZHG-Foyer. Ja, dort, wo sich die Studis zum Mensa-Essen versammeln. Draußen ist es bitterkalt, drinnen voll mit Menschen und heiß. Dank Sweety Glitter, die unverbraucht und voller Spaß eine Rock-Glamour-Show abziehen, die sich gewaschen hat. „Du musst mit, das sind Kumpels von mir“, hatte mich die Haus-WG-Kumpels Tille und Guido überredet. Kurzum: ein Glücksfall. Ergebnis: Winter-Blues im Fluge weg, sofortiger Fan von Sweety Glitter. Und die Sweethearts ließen es in der Nacht nach dem Gig noch kräftig krachen. Rock n´Roller eben. Deja-Vu #1
Grüße nach ganz oben zu: Lennon, Bowie und Ozzy
Am Wochenmarktplatz geht es getragen los: Gruß nach ganz oben: „Imagine“ von John Lennon. Das können alle Generationen mitsingen. Kurz. Denn die Sweethearts ziehen ruckzuck über Schlagzeuger „Sir Tobi“ den Beat an. Sweety entert umjubelt die Bühne. „Rock n´Roll!“ von Gary Glitter folgt. Ohne Worte. Oder doch: Das hörte ein Schulkollege mit damaligen Mini-Kopfhörern (ha, ha) via unter der Schulbank getarntem Kassettenrekorder. Deja-Vu #2.
Open-Sound Göttingen: Prallvoller Wochenmarktplatz beim Konzert von Sweety Glitter. Foto: Christoph Mischke © Foto: Christoph Mischke
In der zweiten Heimat Göttingen wollen wir uns amüsieren, das war immer so, sagt Sweety. Dabei helfen die Songs der großen Musikjahrzehnte 60er- und 70er-Jahre plus Anfang der 80er. „I Want you to want me“ steht für Sweety. „Manner wollen gebraucht werden“ – der mitreißende Cheap-Trick-Song aus 1977 untermauert diese Feststellung des smarten Machos und Plauderers Sweety
Der heißt übrigens Volker Petersen. Aber das passt halt nicht in die glitzernde Zeit des Rock´n Roll-Gotts. Schon eher Sweety Glitter, oder Randy B. Bluebird – mit blauer Wuschel-Perücke – der exzellente Gitarrist Eiko Witt, oder Carbite Williamson (Stepahn Kabisch, Orgel, wuchtiger Gesang) oder Mighty Mitch McCennedy (Michael Hinze, Bass). Schon genannt: Drummer Tobi Zweifler „Sir Tobi“.
Deja-Vu-Erlebnisse ohne Ende – Brian Ferry und „Jealous Guy“ nach Lennon-Tod
Deja-Vu #3: Glam-Rock – dafür steht auch Roxy Music mit dem dandyhaften wie großartigen Brian Ferry. „Let´s stick together“. Der Song war natürlich im Set, damals, Dezember 1980, Dortmunder Westfalenhalle – legendäres ZDF-Rock-Pop-in-Concert (u.a. mit Dire Straits) wenige Tage nach dem Mord an John Lennon interpretiert Ferry in nie danach dagewesener Tragik „Jealous Guy“. Alles wieder im Kopf, plötzlich, dank Sweety.
„Fox on the Run“ liefert sofort Deja-Vu #4: Erste Rock-LP im Plattenladen um die Schul-Ecke gekauft. Ausgepackt, aufgelegt auf des Elterns Plattenspieler. „Was ist das für ein Gejaule?“, fragt der geschockte Vater. Danach lege ich Platte Nummer zwei auf: „Paranoid“ – Black Sabbath. Überzeugt den Freddy-Quinn-Fan aber auch so gar nicht. Eine eigene Anlage muss her – Kompaktanlage Telefunken. Jau.
Open-Sound Göttingen: Prallvoller Wochenmarktplatz beim Konzert von Sweety Glitter und Sänger Sweety. © Foto: Christoph Mischke
Dort wird es lauter, hat er nun davon der Vater. „Ballroom Blitz“ – eine blinkende Lichtanlage verzaubert die Bude zur Bühne. Wie fast 50 Jahre (oh Gott!) später. Und Sweety wird in Gedanken zum Brian Connolly mit blonder Mähne samt Mega-Koteletten. Der lebt ebenso nicht mehr wie Lennon, Bowie, Ozzy – ihnen schickt Sweety noch Grüße gen Himmel – gemeint waren sicher auch bereits verstorbene einstige Sweethearts-Band-Mitglieder.
Die Deja-Vu #5, #6, #7 und mehr gab es auch am Donnerstagabend. Bei Songs wie „Dreams are ten a penny“, „Glas of Champagne“, „In the Summertime“ oder rockiger „Black Betty“, „Down Down“, „Can the Can“, „I love Rock n´Roll“ sowie dem großen Bowie mit „Heroes“ und ein feines Schmankerl von Status Quo, mit denen Sweety Glitter mal als Vorband auf Tour waren: „Gerdundala“. „Born to be wild“ und „Easy Livin“ gabs im Mix – auch das funktonierte. Und die LP „Demons and Wizards“ wanderte am späten Abend zum Ausklang zu Hause noch auf den Plattenteller.
Open-Sound Göttingen: Glamrock in perfekter Form: Das Auge hört mit. Prallvoller Wochenmarktplatz beim Konzert von Sweety Glitter. Foto: Christoph Mischke © Foto: Christoph MischkeSweety-Glitter: Musik macht Lust auf Rock und das Leben an sich
Was bleibt nach einem wunderbaren Musikabend, der Lust am Rock und am Leben machte: Die treffende Feststellung von „Sweety“, dass „wir früher verrückt waren und die Welt um uns normal und heute wir normal sind und die Welt um uns verrückt“ sowie nette Reminiszenzen – Achtung Deja-Vu#8 – an großartige Altstadtfeste um Organisator Fränkie Michel mit Gigs von Sweety-Glitter, die nachts um 2 Uhr begannen.
Sweety meldet sich für das KWP-Open-Air an
Am Ende des Donnerstags stand „Hot Love“ von Marc Bolan und T-Rex. Unvergessen, unvergesslich, großartig. Wie alle blendend aufgelegten Sweethearts in ihrer zweiten Heimat Göttingen an diesem Abend, live und kostenlos bei „Open Sound“ am Wochenmarktplatz. Das Format übrigens kommt beim Publikum an – gleich ob jünger oder älter. Es schreit nach Fortsetzung (Fachbereich Kultur: zugehört!). Nächstes Jahr gibt es aber wieder das wunderbare KWP-Open-Air – am 15. und 16. August. Dort haben die Sweetys übrigens noch nie gespielt – sie meldeten sich verbal aber schon mal für das 2026er-Konzert an. (Fachbereich Kultur: zugehört!) (Thomas Kopietz)