Die Chefin der französischen Pfadfinder, Marine Rosset, ist nach weniger als zwei Monaten an der Spitze der Scouts et Guides de France (SGDF) zurückgetreten. In einem Interview mit der Zeitung „La Croix“ begründete die 39-jährige am Mittwoch ihren überraschenden Schritt mit massiven persönlichen Anfeindungen – bis hin zu Todesdrohungen. Es habe Versuche gegeben sie als Privatperson, katholische Verbandsleiterin und Politikerin zu diskreditieren.
Die in der Sozialistischen Partei Frankreichs engagierte Rosset erklärte: „Die Situation war unhaltbar geworden, und mein Anliegen ist es, den Verband zu schützen.“ Nach ihrer Wahl an die Pfadfinder-Spitze vom 14. Juni sei sie zur Zielscheibe von Hass geworden. Vor allem ihre Homosexualität sei zum Gegenstand öffentlicher Angriffe gemacht worden – häufig unter dem Vorwand politischer Kritik. „Plötzlich wurde jedes meiner Worte auf die Goldwaage gelegt. Ich konnte nicht mehr wie jede andere Bürgerin frei sprechen“, sagte sie.
Homophobe Angriffe
Besonders verletzend sei für sie gewesen, dass ihr Glaube aufgrund ihrer sexuellen Orientierung infrage gestellt worden sei: „Es wurde behauptet, mit meiner Wahl verliere der Verband seine Katholizität oder christliche Identität – dabei ist mein Glaube meine Grundüberzeugung!“ Vielmehr sei ihr Engagement in der Kirche eng mit der Pfadfinderarbeit verknüpft. Trotz der Rücktrittsabsicht wolle sie weiterhin im Vereinsvorstand mitwirken.
Nach dem Rücktritt von Rosset diskutiert Frankreich über die Vereinbarkeit von politischen Mandaten und Verbandsleitungen. Laut einem Bericht von „La Croix“ schließen viele französische Verbände und Institutionen eine Doppelfunktion aus und verpflichten ihre amtierenden Vorstände zu politischer Neutralität.
So geht es im Verband weiter
In einer Stellungnahme erklärten die Pfadfinder, Rosset sei wegen einer „unerwarteten Veränderung des politischen Kontexts“ sowie „gewaltsamer Angriffe“ zurückgetreten. Man verurteile insbesondere homophobe Angriffe aufs Schärfste. Rosset habe Anzeige wegen Online-Drohungen erstattet, die SGDF unterstütze sie darin vollumfänglich.
Der Rücktritt sei notwendig gewesen, um die Arbeit des Verbands in einem „ruhigen Klima“ fortzusetzen. Rossets politische und persönliche Positionen seien innerhalb des Verwaltungsrats nie als Hindernis gesehen worden. Als Übergangslösung wurde eine kollegiale Leitung eingesetzt. Rosset bleibe Mitglied im Vorstand. Mit über 100.000 Mitgliedern zählt die SGDF laut eigenen Angaben zu den größten katholischen Jugendorganisationen Frankreichs. (KNA)