Warum belegen die USA die Schweiz mit einem Zollsatz von 39 Prozent?

US-Präsident Donald Trump will gegen das Handelsbilanzdefizit mit der Schweiz vorgehen. Der Überschuss von knapp 48 Milliarden Dollar (41,2 Milliarden Euro) im Jahr 2024 zeige, dass Schweizer Unternehmen die USA „ausnutzen“.

Trump verhängte deshalb auf Schweizer Einfuhren in die USA einen Zollsatz in Höhe von 39 Prozent. Dieser Zollsatz ist wesentlich höher als die 15 Prozent, die für Importe aus der EU gelten.

Die Schweiz ist kein EU-Mitglied. Die Vereinigten Staaten sind der wichtigste Einzel-Handelspartner der Schweiz mit rund 18 Prozent der Exporte im vergangenen Jahr.

Die wichtigsten exportierten Schweizer Produkte in die USA sind pharmazeutische Produkte, Präzisionsinstrumente, Uhren, Schmuck und Apparate. Umgekehrt importiert die Schweiz aus den USA vor allem pharmazeutische Produkte, Maschinen, Elektronik und einige Lebensmittel.

Trotz intensiver Gespräche und einem Besuch von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter in Washington (7. August) ist es der Schweiz bisher nicht gelungen, mit den USA ein Rahmenabkommen abzuschließen, wie die EU, Japan oder das Vereinigte Königreich.

Warum ist Schweizer Gold das Problem?

Die Schweiz ist der größte Goldveredler weltweit. Zwar gibt es in der Schweiz keine nennenswerten Edelmetallvorkommen, doch befinden sich allein fünf der größten Goldraffinerien der Welt im Land.

Bis zu 70 Prozent der global geförderten Goldmenge werden in diesen Raffinerien eingeschmolzen und weiterverarbeitet. Jährlich werden mehr als 2000 Tonnen Gold in die Schweiz importiert und später wieder exportiert. Damit steht die Schweiz im Mittelpunkt des internationalen Goldhandels.

Die weltweit steigende Nachfrage nach Gold hat auch die Verarbeitung des Edelmetalls in der Schweiz angekurbelt. Laut der Schweizerischen Nationalbank (SNB) geht der aktuelle Überschuss in der Handelsbilanz zwischen den USA und der Schweiz nicht auf die Verarbeitung von Gold zurück, sondern auf die Wertsteigerung des Edelmetalls selbst.

Nach Angaben der Nationalbank erzielte die Goldverarbeitungsbranche nur Gewinne von wenigen hundert Millionen Dollar pro Jahr, obwohl der Gesamtwert des Schweizer Goldhandels mit den USA im ersten Quartal dieses Jahres mehr als 36 Milliarden US-Dollar betrug. Die USA sollten deshalb Gold aus der Handelsbilanz herausrechnen, so die Nationalbank.

„Goldexporte haben Aufmerksamkeit erregt, weil sie in diesem Jahr angestiegen sind. Historisch gesehen hat die Schweiz in puncto Gold ein Handelsdefizit mit den USA. Gold leistet keinen wesentlichen Beitrag zum strukturellen Handelsüberschuss der Schweiz mit den USA“, erklärte Adrian Prettejohn, Ökonom für den Bereich Europa bei Capital Economics, in einer Mitteilung.

Menschen in steinigem Gelände vor zwei Eingängen zu GoldminenNachdem das Gold in anderen teilen der Erde wie hier in der Demokratischen Republik Kongo gefördert wurde, wird es zur Verarbeitung in die Schweiz transportiertBild: Alexis Huguet/AFP/Getty Images

Die Schweizer Raffinerien bestätigen, dass ihre Gewinne aus der Verarbeitung von Gold zu Goldbarren, Anlagemünzen und Präzisionsteilen für die Uhrenindustrie, Elektronik und Schmuckindustrie gering sind. 

Was bedeutet Zölle von 39 Prozent für die Schweiz?

Der Zollsatz, der seit dem 1. August in Kraft ist, trifft Luxus- und Konsumgüter wie Uhren, Hautpflegeprodukte und Kosmetik, Präzisionsinstrumente und Schokolade am härtesten. Schweizer Produkte werden für US-Verbraucher deshalb bald nicht mehr wettbewerbsfähig sein gegenüber ähnlichen Waren aus der EU oder Großbritannien, die mit deutlich niedrigeren Zöllen belegt sind.

Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (bei einer Konferenz vor einer Schweizer Flagge sitzend, Nahaufnahme)Die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter konnte bei ihrem Besuch am 7. August in Washington keine Erleichterungen für die Schweiz erwirken (Archivbild)Bild: Anthony Anex/KEYSTONE/picture alliance

Hans Gersbach, Ökonom am Konjunkturforschungsinstitut KOF in Zürich, schätzt, dass die Abgaben das Schweizer Bruttoinlandsprodukt im nächsten Jahr um 0,3 bis 0,6 Prozent senken würden, wenn sie lange Zeit bestehen blieben.

Analysten vom Londoner Unternehmen Capital Economics schätzen, dass Verhandlungen den Zollsatz von 39 Prozent wahrscheinlich senken könnten. Doch müsse die Schweiz höhere Zölle als die 27 Mitgliedstaaten der EU akzeptieren. Washington hat bisher keine Bereitschaft gezeigt, seine Haltung zu ändern und die Zölle zu senken.

Wie reagiert die Schweiz auf Trumps Zollsatz?

Die Schweizer Exekutive, der Bundesrat, hat erklärt, vorerst auf Gegenmaßnahmen verzichten zu wollen. Stattdessen favorisiere man Hilfen für exportorientierte Schweizer Unternehmen und setze weiter auf Verhandlungen mit Washington.

Die bisher praktizierte Verhandlungsbereitschaft der Schweiz hat die US-Zölle nicht abwenden können. Denn die Schweizer Regierung hatte bereits im vergangenen Jahr die Zölle auf fast alle US-Importe abgeschafft. Dadurch erhalten US-Produzenten praktisch freien Zugang zu den Schweizer Märkten.

Blühende Bergwiese vor AlpenpanoramaDie Schweiz liegt mitten in den Alpen, ohne direkten Meereszugang – die Lieferung von US-amerikanischem LNG wäre eine logistische HerausforderungBild: P. Frischknecht/picture alliance

Bei den jüngsten Gesprächen hatte die Schweiz laut der Nachrichtenagentur Reuters zudem angeboten, 150 Milliarden Dollar mehr in die USA zu investieren. Sie spielte sogar mit dem Gedanken, US-Flüssigerdgas (LNG) zu importieren – dabei hat die Schweiz keinen direkten Zugang zum Meer.

Wirken sich die neuen Zölle auf den globalen Goldhandel aus?

Und es könnte noch schlimmer für Bern kommen: Nach einem Bericht der Financial Times (FT) vom 7. August, der sich auf ein Schreiben der US-Zollbehörden beruft, sind auch Ein-Kilo-Goldbarren aus der Schweiz von US-Zöllen betroffen.

Zunächst schien es so, als ob die Regierung Trump Gold zwar in die Berechnung der Zollsätze einbezogen, das Edelmetall selbst aber nicht mit Zöllen belegen wollte. Die Schweizer Gold-Raffineriebranche hatte deswegen bereits aufgeatmet.

Sollte sich das Schreiben der US-Zollbehörden bestätigen, könnte dies bedeuten, dass auch in der Schweiz verarbeitete Goldexporte in die USA mit einem Zoll von 39 Prozent belegt würden, was für die Branche ein schwere Schlag wäre.

Deutsche Firmen: Zollvereinbarung USA-EU unfair

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Größere Konflikte und anhaltende Handelsspannungen haben auch die Kosten für den Transport, die Versicherung und die Finanzierung von Goldtransaktionen in die Höhe getrieben. Diese könnten nun ebenfalls weiter steigen.

Ironischerweise könnten Trumps Zölle in Höhe von 39 Prozent die internationale Nachfrage nach Gold noch weiter ankurbeln und den Goldpreis steigen lassen, da in Zeiten der Unsicherheit Anleger nach sicheren Anlagen suchen.

Der Handel mit Comex-Gold-Futures für Dezember erreichte am Freitag als Reaktion auf den FT-Bericht ein neues Allzeithoch von 3534 US-Dollar pro Feinunze.

Bleibt es bei der Entscheidung zum Gold-Zoll?

Die US-Regierung hat inzwischen angekündigt, mit einer Verordnung für Klarheit bei den Importzöllen für Goldbarren sorgen und damit auf die jüngste Unsicherheit am Markt zu reagieren. Das Weiße Haus werde bald mit einem Erlass „Fehlinformationen“ korrigieren, sagte ein Regierungsvertreter am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Der Goldpreis gab nach der Ankündigung einen Teil seiner Gewinne wieder ab. 

Der unabhängige Analyst Ross Norman sagte, die „wahrscheinliche Verhängung“ der Zölle auf Schweizer Kilobarren bedeute, Sand in ein ansonsten gut geöltes Getriebe zu streuen. „Ich sage ‚wahrscheinlich‘, da die Möglichkeit besteht, dass es sich um ein Versehen handelt.“
 

Aus dem Englischen adaptiert von Uta Steinwehr. (Mit REUTERS)