Aber nicht alles, was nach Jugendgewalt aussieht, sei gleich ein Fall für das Strafrecht. Gloss beschreibt einen Fall, bei dem ein Junge die Schultoilette beschädigt hat. „Die Mutter war alleinerziehend. Der Schaden so groß, dass der Urlaub im Bayerischen Wald abgesagt werden musste.“ Man habe sich dann geeinigt, dass der Junge zwei Wochen lang mit dem Hausmeister den Schulhof kehrt. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren dann schnell eingestellt.

Früher sei die Szene übersichtlicher gewesen, sagt er weiter. Treffpunkte wie der Plärrer in Nürnberg: Da sei man zweimal herumgelaufen – und dann hatte man, wen man suchte. Heute sei das anders, die Szene sei zerfasert. Die Gruppen wechselten die Orte. Deshalb endet Gloss‘ Zuständigkeitsbereich auch nicht an der Stadtgrenze. Das zahle sich aus – meistens.

Er erklärt: „Eine Jugendgruppe ist anfällig. Wenn man sie stört, löst sie sich oft auf. Aber dazu muss man erst wissen, dass es sie gibt.“ Problematisch werde es, wenn die Gruppen sich festigen. Wenn Namen, Ränge und interne Regeln entstehen. „Dann entscheiden Jugendliche, wer in Fürth am Rathaus Drogen verkaufen darf. Und wer nicht.“

Viele Jugendliche tragen Messer – nicht, weil sie angreifen wollen. Sondern aus Angst, wie der Beamte betont.

Ein Beispiel: Ein Junge ist mit seinem Date auf dem Weg ins Kino und steigt aus der U-Bahn aus. Am Bahnhof wartet schon eine Truppe, die Streit sucht. Sie beobachtet, testet aus. Sie wollen sehen, wie der Junge reagiert – ob er vor seinem Mädchen „Schwäche“ zeigt. Lässt sich der Junge dann provozieren, stehen plötzlich zehn Jugendliche um ihn herum. Sie attackieren und filmen.

Gloss fasst zusammen: „Das Messer hat also nicht derjenige eingesteckt, der unten wartet. Sondern der, der auf dem Weg zum ersten Date ist.“

Was hilft? Nicht provozieren lassen. Und: Mädchen, sagt Gloss. Neue Beziehungen, denn die bringen oft geordnete Strukturen mit sich. Doch nicht alle schaffen den Absprung.

Er erinnert sich zum Beispiel an einen Jungen, der an einer Überdosis starb. Allein, mit einer Spritze im Arm, die Tür mit dem eigenen Körper blockiert. Aber auch von dem anderen jungen Mann, der ihn mal auf der Straße ansprach. Es war ein früherer Schützling von ihm, der stolz sagte: „Ich bin jetzt Vorarbeiter. Ich hab‘ eine Eigentumswohnung, Frau und Kinder. Das hätten Sie nicht gedacht, oder?“