In Leipzig ist am Freitagabend die erste Ausstellung im neuen Saal des Grassi-Museums für Angewandte Kunst, im Grassi-Himmel, eröffnet worden. Unter dem Titel „Leipzig 1972“ sind dort rund 50 historische Schwarz-Weiß-Fotografien der Messestadt zu sehen.
Reise in die DDR nach Leipzig: Private Fotos als Zeitdokument
Aufgenommen wurden sie von Ute Eskildsen und Timm Rautert, die damals als junge Absolventen der Folkwang-Schule für Gestaltung in Essen eine Reise in die DDR unternommen hatten. Rautert, Jahrgang 1941, kannte die Stadt bereits seit seiner Kindheit, gemeinsam mit Ute Eskildsen wollte er dort 1972 Verwandte besuchen.
Gemeinsam zogen beide eine Woche lang mit ihrem Fotoapparat durch die Stadt, um die Stimmung in der DDR-Metropole einzufangen. Sie zeigen Menschen in Alltagssituationen in ihrer Umgebung in stillen Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Die nun ausgestellte Foto-Serie sei „wirklich Teamwork“, erklärt Olaf Thormann, Direktor des Grassi-Museums, zur Schau. Wer damals welches Bild geschossen habe, könne das Fotografen-Paar heute nicht mehr sagen. Die Pläne, die Fotoreihe in einem Buch zu veröffentlichen, seien damals nicht realisiert worden. Die Aufnahmen seien bei ihnen selbst in Vergessenheit geraten, die Negative erst beim Ordnen des Archivs von Rautert wieder aufgetaucht.
Prägend für die Kunst der Fotografie: Rautert und Eskildsen
Rautert arbeitete nach seinem Studium weltweit als Fotojournalist, von 1993 bis 2008 lehrte er als Professor für Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, zugleich porträtierte er Künstler von Andy Warhol bis Neo Rauch. Eskildsen baute am Folkwang-Museum die fotografische Abteilung auf und leitete sie bis 2012, außerdem war sie dort stellvertretende Direktorin und Kuratorin.
Museum plant Ankauf der Leipzig-Fotos
Nun ist eine Auswahl der Aufnahmen doch noch zu sehen, zur Ausstellung erscheint ein Foto-Buch, das laut Thormann zeigt, wie die beiden jungen Fotografen, das „Nebeneinander von Modernität und bröckelnder Bausubstanz“ ins Bild setzten, mit einem besonderen Blick „für die eigentümliche Stille auch belebter Orte“. Die „Beobachtungsschärfe und Melancholie“ käme nun, 35 nach dem Ende der DDR, besonders zur Geltung. „Diese Serie, die gehört natürlich nach Leipzig“, sagt Grassi-Direktor Thormann bei MDR KULTUR. „Wir sind dran, sie zu erwerben und hoffen, das wir das für Leipzig wirklich retten können.“
Diese Serie, die gehört natürlich nach Leipzig.
Olaf Thormann
Direktor Grassi-Museum für Angwandte Kunst Leipzig
Blick über die Stadt: Skulptur zum Aufstieg in den Grassi-Himmel
Der Weg hoch zum neuen Ausstellungsort, dem Grassi-Himmel, im dritten Stock des Gebäudes, führt zu einem weiteren Kunstwerk, das erstmals zu sehen ist. Zeitgleich zur Vernissage wird auch die Arbeit „Offene Stadt“ von Thomas Moecker eingeweiht. Die Besucherinnen und Besucher können über die begehbare Skulptur, eine weiße Treppe aus Betonblöcken im Stile des Brutalismus nach oben steigen und durch ein Fenster einen Blick hinaus auf die Stadt werfen, die heute so ganz anders aussieht als in den Aufnahmen von Rautert und Eskildsen vor mehr als 50 Jahren.