Stand: 08.08.2025 10:48 Uhr

Am Sonntag startet in Kiel die zweite Auflage des Ocean Race Europe. Der NDR überträgt ab 13.15 Uhr live. Sieben Imocas sind dabei, darunter Boris Herrmann und sein Team Malizia. Der Hamburger Weltumsegler rechnet sich etwas aus – und setzt auf den Heimvorteil.

von Bettina Lenner

So langsam steigen Aufregung und Vorfreude. Dabei will Boris Herrmann so richtig gar nicht weg. „Die Kiellinie ist voller freundlicher und enthusiastischer Menschen. Ich finde es toll hier und will eigentlich gar nicht so schnell los“, schmunzelte der Hamburger mit Blick auf den Start des Ocean Race Europe am Sonntag (15.45 Uhr, ab 13.15 Uhr im TV und in voller Länge im Livestrem bei NDR.de).

Die segelbegeisterten Kieler sind dem ruhigen, besonnenen Weltumsegler sympathisch, die Förde ist sein Heimatrevier. Seit 26 Jahren segelt er hier – und kennt sich aus. „Zuhause zu starten ist ein Heimvorteil. Ich habe hier sehr viel gesegelt und auch eine Weile gelebt. Das macht es deutlich einfacher für mich“, schilderte der gebürtige Oldenburger am Donnerstag.

Holcim-Skipperin Rosalin Kuiper mit jungen Fans in Kiel

Zum zweiten Mal findet ab Sonntag das Ocean Race Europe statt. Der NDR überträgt den Start in Kiel live. News und Hintergründe zum Segel-Rennen im Live-Blog.

2002 war er als Fan und junger Segler dabei, als die Kieler Förde schäumte und mehr als 100.000 Zuschauer an Land und auf dem Wasser die Illbruck feierten – die erste und bislang einzige deutsche Siegeryacht im Ocean Race rund um den Globus. Ein Motivationsschub mit Wirkung: Mittlerweile ist der 44-Jährige ein Star der Offshore-Szene.

Über fünf Etappen nach Montenegro

Vor zwei Jahren wurde er frenetisch gefeiert, als beim Ocean Race rund um den Globus ein „Fly-By“ in der Kieler Innenförde stattfand. Ein hochemotionaler Moment für Herrmann. Nun ist das traditionsreiche Segelrevier Startpunkt der Crew-Regatta durch die europäischen Ozeane.

Über 4.500 Seemeilen (8.334 Kilometer) geht es bis zum 20. September über fünf Etappen zum Zielhafen Boka Bay (Montenegro). Herrmann wird auf der zweiten, längsten Etappe von Portsmouth nach Cartagena pausieren und wie bewährt von seinem britischen Co-Skipper Will Harris vertreten.

Video:
The Ocean Race Europe – Die Strecke (2 Min)

Ocean-Race-Gewinnerin Justine Mettraux (Schweiz), Weltumseglerin Cole Brauer (USA), Francesca Clapcich (Italien/Amerika) und der Franzose Loïs Berrehar zählen außerdem zum rotierenden Malizia-Segelkader. Gefordert sind zum Auftakt Herrmann, Harris, Mettraux und Brauer. Dazu kommt Anbordreporterin Flore Hartout.

„Wird anders hart und brutal intensiv sein“

Lange Etappen wie bei einem Transatlantik-Rennen oder entbehrungsreiche, wilde Ritte wie durchs eiskalte Südpolarmeer gibt es bei dem Europa-Rennen nicht. Und doch birgt es für die sieben teilnehmenden Imoca-Yachten jede Menge Herausforderungen und Tücken.

„Man kommt nicht in den Rhythmus. Wir sind nur ein paar Tage auf See und haben ständig irgendwas, viel Verkehr oder Land oder Strömungen“, berichtete Herrmann. „Alle halbe Stunde wenden, die Segel wechseln, sich immer wieder auf die neuen Windbedingungen an der Küste einstellen – es wird anders hart und brutal intensiv sein.“

Die Malizia - Seaexplorer von Boris Herrmann

Am Sonntag startet in Kiel das Ocean Race Europe. Der NDR überträgt live. Wer ist dabei, wie verläuft die Route? Die wichtigsten Fakten zum Rennen mit Weltumsegler Boris Herrmann.

Jeder Fehler wird da sofort bestraft: „Es wird an kleinen Details entschieden werden“, so Herrmann. Co-Skipper Harris erwartet bei den Zielankünften knappe Entscheidungen von Zentimetern, nicht von Stunden.

Wiedersehen mit Rosalin Kuiper

Zumal es das Team Malizia mit namhafter Konkurrenz zu tun bekommt: An der Startlinie in der Nähe des Olympia-Zentrums Kiel-Schilksee werden mehr Podiumskandidaten als Außenseiter aufkreuzen.

Rosalin Kuiper an Bord der Malizia - Seaexplorer

Rosalin Kuiper 2023 an Bord der Malizia.

Das Team Paprec Arkéa wird angeführt von Yoann Richomme, der bei der diesjährigen Solo-Weltumseglung Vendée Globe hinter Sieger Charlie Dalin Rang zwei belegte. Biotherm hat in Paul Meilhat einen weiteren prominenten Vendée-Teilnehmer (Rang fünf) als Crew-Chef. Das kanadische Team Canada Ocean Racing – Be Water Positive mit Scott Shawyer und der populären Britin Pip Hare segelt auf der ehemaligen Mālama, die 2023 das Ocean Race um die Welt gewann.

Skipperin der Schweizer Holcim – PRB ist Boris Herrmanns ehemalige Co-Skipperin Rosalin Kuiper. Als Co-Skipper an ihrer Seite: Ex-Malizia-Navigator Nicolas Lunven. 2023 belegten die Niederländerin, der Franzose und das Team Malizia bei der Hatz um den Globus Platz drei. Nun sind sie Rivalen auf dem Wasser. „Team Malizia bleibt in meinem Herzen. Sie sind gute Freunde und Freundinnen. Es ist cool, jetzt gegeneinander zu segeln“, sagte Kuiper.

Herrmann peilt das Podium an

„Die Flotte ist auf jeden Fall stark. Ich glaube, fast alle Schiffe hätten einen Platz auf dem Podium verdient“, meint Herrmann, der auch sein Team zu den Mitfavoriten zählt: „Wir geben natürlich alles und können das auch gewinnen.“ Gleichwohl ist dem 44-Jährigen mit Blick auf die erwarteten leichten und mittleren europäischen Sommerwinde klar: „Unser Schiff ist vielleicht nicht das stärkste bei diesen Mittel- und Übergangswinden. Da ist Holcim ziemlich stark.“

Boris Herrmann im NDR Interview

Hat Boris Herrmann einen Heimvorteil? Wie stehen die Chancen seines Malizia-Teams? Und was ist eigentlich mit den Orcas? Der Segelstar im Interview.

Im Kieler Ocean Live Park herrscht schon seit Mittwoch Volksfeststimmung, und trotz der vertrauten Kulisse steigt auch beim sechsmaligen Weltumsegler die Anspannung. „Ich bin auf jeden Fall sehr aufgeregt“, bekannte Herrmann. „Auch, weil es das letzte Rennen mit meinem Schiff ist. Ich will einfach mit diesem Schiff einen schönen Abschluss schaffen.“

Abschied von der Malizia – Seaexplorer

Nach dem Ocean Race Europe wird die Malizia – Seaexplorer an die neue Eignerin Clapcich übergeben, die nun auch Teil der Mannschaft ist. Herrmann bekommt im Sommer 2026 seine neue Hightech-Yacht. Und die, erklärte Herrmann am Donnerstag, „ist beinahe fertig. Es dauert noch, bis alles an seinem Platz ist, aber der Design-Prozess ist fast abgeschlossen.“ Fernziele sind der Erfolg im Ocean Race um die Welt 2027 und das dritte Vendée-Globe-Solo 2028.

Bloß keine Kollision zum Start

Nun aber liegt der Fokus erst einmal auf dem Start in die wichtigste Regatta des Jahres. Gut und ohne Kollision wegkommen – das ist das erste große Ziel: „Wenn wir erst einmal raus sind, weg von den anderen, weg von den ganzen Untiefen, dann können wir uns wirklich auf unsere eigentliche Arbeit konzentrieren“, sagte Herrmann, bevor er abschließend mit einem Augenzwinkern eine nicht ganz so schöne Erinnerung an Kiel teilte: „Ich bin hier auch schon aufgelaufen. Das versuchen wir zu vermeiden am Sonntag.“