Kiew. Nahe der Front in Donezk boomt die Prostitution. Russische Soldaten zahlen gut – trotz Krieg und Gefahr ist der Markt lukrativer denn je.
Die Frontlinie verläuft nur wenige Kilometer entfernt, doch das Geschäft in Donezk floriert. Es geht um Sex. Um Soldaten. Um viel Geld – und um Gefahr.
Fast dreieinhalb Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine boomt die Prostitution in den besetzten Gebieten wie nie zuvor. Besonders in Donezk und Luhansk, wo bereits seit 2014 eine Art Ausnahmezustand herrscht. Damals riefen prorussische Kräfte die sogenannten „Volksrepubliken“ aus. Seither existieren dort keine funktionierenden rechtsstaatlichen Strukturen mehr – ein Nährboden für Schattenwirtschaft. Auch für die Sexindustrie, die sich bis 2022 relativ ungestört entwickeln konnte.
Nach dem Großangriff Russlands im Februar 2022 brach das Geschäft zunächst ein. Doch mittlerweile ist es zurück – größer und lukrativer als je zuvor. Hauptkunden sind russische Soldaten, nicht mehr zivile Verwaltungsmitarbeiter wie früher. Viele von ihnen verfügen über gut dotierte Verträge. Laut dem renommierten russischen Exilmedium „Wjorstka“, das für investigative Recherchen bekannt ist, machen Militärangehörige mittlerweile rund 90 Prozent der Kundschaft aus.
Frauen aus Russland verdienen gut: Hohe Einnahmen, aber bedrückende Realität
Neu ist auch: Viele der Frauen, die in Donezk und Luhansk arbeiten, stammen aus dem international anerkannten russischen Staatsgebiet. Die Einnahmen sind hoch – laut „Wjorstka“ lassen sich dort zwischen 5000 Euro im Monat und bis zu 15.000 Euro pro Woche verdienen. Die Nachfrage ist groß. Oft gehe es den Soldaten dabei nicht nur um Sex, sondern auch um Nähe – manche buchten Frauen nur, um über ihre Kriegsmüdigkeit zu sprechen.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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Eine von ihnen ist Marjana, 25. Sie arbeitete früher in Moskau und Sotschi. Im Februar 2023 reiste sie erstmals nach Luhansk. Ihr Zuhälter hatte sie auf die Idee gebracht – er war im Herbst 2022 mobilisiert worden und berichtete von vielen Soldaten mit Geld und nur wenigen Frauen vor Ort. Einige Prostituierte hätten bis zu zehn Männer pro Tag bedient, berichtet sie. „Ich konnte das nicht in dem Umfang. Fünf bis sechs Kunden sind mein Maximum.“ Die Angst vor Luftangriffen? Sie sei irgendwann nur noch zweitrangig gewesen.
Offiziell ist Prostitution für russische Soldaten verboten.
© action press | Alexander Polegenko
Einige Frauen fahren sogar bis an die Schützengräben – trotz Gewalterfahrungen
Laut den von „Wjorstka“ zitierten Frauen sind heute über 300 Prostituierte in Donezk und Luhansk tätig. Etwa ein Drittel von ihnen arbeitet in Bordellen, der Rest selbstständig. Viele reisen für zwei bis drei Wochen an, kehren dann nach Russland zurück – und kommen nach etwa einem Monat wieder. Neben Donezk und Luhansk gelten auch Berdjansk, Mariupol und Melitopol als Zentren der Prostitution. Die Vermittlung läuft vor allem über Telegram-Chats. Die Preise sind hoch – rund 200 Euro pro Stunde, ähnlich wie in Moskau.
Das Geschäft ist gefährlich. Viel gefährlicher als anderswo. Karina, eine weitere Prostituierte, berichtet: Fast alle ihre Kunden leiden unter Kriegstraumata, viele haben Kopfverletzungen oder Nervenstörungen. Beinahe jede Frau, die sie kennt, sei von Soldaten geschlagen oder vergewaltigt worden. Messer, Pistolen, Maschinengewehre – Drohungen mit Waffen gehören zum Alltag. Einige Frauen fahren sogar bis an die Schützengräben, häufiger aber arbeiten sie in zweiter Linie, zwei bis drei Kilometer von der Front entfernt.
Offiziell ist Prostitution für russische Soldaten verboten. Die Militärpolizei soll einschreiten. Doch laut Aussagen der Frauen verdienen auch manche Ordnungshüter mit – indem sie wegsehen.