DOMRADIO.DE: Jede Woche kommen in der JVA Düsseldorf Paare zusammen und sie werden von Ihren Fachleuten der katholischen Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen begleitet. Paarberatung im Gefängnis – das klingt erst mal ungewöhnlich. In der JVA Düsseldorf ist es aber schon seit über 30 Jahren gelebte Praxis. Worin liegen die größten Herausforderungen für Paare, wenn einer von beiden inhaftiert ist?

David Reinhaus (Leiter der Katholischen Ehe-, Familien- und Lebensberatung Düsseldorf): Das Schwierigste sind die völlig unterschiedlichen Lebenswelten. Die Partnerin oder der Partner draußen muss unter Umständen Kinder erziehen, den Haushalt führen und ist dadurch oft sehr gestresst und überfordert. Der Inhaftierte hingegen hat viel Zeit, fühlt sich einsam und macht sich Sorgen um die Beziehung, ob sie die Haft übersteht. Weil der Kontakt stark begrenzt ist – Telefonate sind selten und kurz –, geht auch schnell das Gedankenkarussell los: Wo ist sie gerade? Trifft sie vielleicht jemand anderen? Diese gedanklichen Spiralen sind eine große Belastung.

David Reinhaus

„Wichtig ist, Vertrauen aufzubauen – erst dann können sich die Paare wirklich öffnen.“

DOMRADIO.DE: Wie schaffen Sie in einer JVA einen geschützten Raum für so persönliche Gespräche?

Reinhaus: Die JVA Düsseldorf steht unserer Arbeit sehr positiv gegenüber. Wir haben im Besucherbereich einen separaten Beratungsraum, in dem wir hinter geschlossener Tür vertraulich miteinander sprechen können. Vorab wird genau geklärt, welche Paare teilnehmen dürfen. Wichtig ist, Vertrauen aufzubauen – erst dann können sich die Paare wirklich öffnen.

DOMRADIO.DE: Sie bieten das seit über 30 Jahren an. Was hat sich in der Zeit verändert?

Reinhaus: Neben der Paarberatung gibt es inzwischen auch Einzelgespräche, um solche Gespräche vorzubereiten. Außerdem gibt es Familientage, bei denen die Inhaftierten ihre Kinder sehen. Corona hat unsere Arbeit stark eingeschränkt – Besuche waren zeitweise kaum möglich. Dass es diese Unterbrechung gab, spüren wir bis heute. Neu ist, dass das Justizministerium verstärkt auf einen „familiensensiblen Vollzug“ setzt. Das heißt: Familien sollen mehr in den Fokus gerückt werden bei der Resozialisierung. Unsere Arbeit ist dafür eine wichtige Säule. 

David Reinhaus

„Die Beratung ist ein großer Motivationsfaktor.“

DOMRADIO.DE: Inwiefern hilft Paarberatung bei Resozialisierung und Reintegration?

Reinhaus: Natürlich stellt sich immer die Frage: Wie geht das Leben nach der Inhaftierung weiter? Die Beratung bietet einen guten Raum, genau diese Frage zu klären. Und ganz klar verhalten sich viele Inhaftierte besser während ihrer Haftzeit, wenn sie den Anreiz haben, ihre Familien zu sehen und früher rauszukommen. Die Beratung ist also auch ein großer Motivationsfaktor, um möglichst schnell wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Stabile Beziehungen sind nach der Haft nämlich ein wichtiger Schutzfaktor gegen Rückfälle. Wer Familie und ein verlässliches Umfeld hat, ist motivierter, nicht erneut straffällig zu werden und beruflich wieder Fuß zu fassen.

Das Interview führte Annika Weiler.

Gefängnisseelsorge

Die christliche Gefängnisseelsorge hat in der Bundesrepublik eine lange Tradition. Als Leitwort für ihre Arbeit in Gefängnissen beschreibt die Deutsche Bischofskonferenz das Bibelwort „Denkt an die Gefangenen, als wäret ihr mitgefangen“ (Hebr 13,3). Bundesweit arbeiten rund 500 katholische und evangelische Seelsorger, in der Regel sind es Pfarrer oder Diakone. Ihr Anspruch ist es, sich jedem Menschen mit seiner eigenen Geschichte zuzuwenden. Der Gefangene soll dabei nicht auf die von ihm begangenen Straftaten reduziert werden.