Wenige Tage vor dem anvisierten Treffen zwischen Kremlchef Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump in Alaska hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf ein Einbeziehen der Ukrainer gedrungen.
„Die Zukunft der Ukraine kann nicht ohne die Ukrainer entschieden werden, die seit nun mehr als drei Jahren für ihre Freiheit und ihre Sicherheit kämpfen“, schrieb Macron auf X. Weil es auch um ihre Sicherheit gehe, müssten zudem die Europäer Teil einer Lösung sein.
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Macron hatte zuvor mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert. Auch mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und dem britischen Premier Keir Starmer hatte er sich ausgetauscht, wie es aus Paris hieß. Selenskyj teilte nach dem Gespräch mit Macron mit, die Ukraine, Frankreich und alle Partner seien bereit, so produktiv wie möglich für echten Frieden zu arbeiten.
Vor dem Treffen in Alaska gibt es in Europa die Befürchtung, dass sich Putin und Trump über die Köpfe der Europäer hinweg auf einen Waffenstillstands-Plan einigen, der Russland bevorteilt und den Trump im Anschluss der Ukraine aufzwingt. Wie die „Financial Times“ berichtet, herrscht in Kiew derzeit „Alarmstimmung“. Auch die Westeuropäer sind besorgt und wollen rote Linien für die Verhandlungen mit Moskau. „Die Tage von Jalta, als die Amerikaner und Russen Europa unter sich aufteilten, sind vorbei“, sagte ein europäischer Offizieller gegenüber der „New York Times“ in Anspielung auf die Konferenz der Siegermächte nach dem 2. Weltkrieg.
Die europäischen Staatschefs hatten sich kurz vor einem Treffen in England zur Vorbereitung auf den Gipfel zwischen Putin und Trump ausgetauscht. Die Initiative dafür ging von Selenskyj aus.
Das Treffen in England fand am Samstag auf dem Landsitz des britischen Verteidigungsministers David Lammy statt. Anwesend waren neben Lammy der US-Vizepräsident JD Vance, der US-Verteidigungsminister Marco Rubio, der US-Sondergesandte für die Ukraine, Keith Kellogg, und der US-Sondergesandte Steve Witkoff. Sicherheitsberater aus mehreren europäischen Staaten und der Ukraine waren per Video-Call zugeschaltet.
Vance hält sich derzeit mit seiner Familie am Landsitz von Lammy auf. Die Initiative für das Treffen soll von den USA ausgegangen sein.
Lammy und Vance auf dem Landsitz Chevening House im Südosten Englands.
© AFP/Kin Cheung
Wie das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf zwei mit dem Treffen vertraute europäische Offizielle berichtet, haben die Europäer in dem Gespräch einen eigenen Vorschlag für einen Waffenstillstand in der Ukraine unterbreitet. Demnach lehnen die Europäer Putins Vorschlag ab, den gesamten Donbass als russisches Staatsgebiet im Tausch für einen Waffenstillstand und weitere Verhandlungen anzuerkennen.
Zudem, wie Macron schrieb, müssten die Ukraine und die europäischen Staaten an einer Friedenslösung mitarbeiten. Beides ist aktuell laut Medienberichten von Russland und den USA nicht vorgesehen.
Weiter fordern die Europäer laut dem „Wall Street Journal“:
- Zuerst müsse es einen Waffenstillstand geben, dann könne über eventuelle Gebietsabtretungen verhandelt werden.
- Gebietsabtretungen der Ukraine könnten nur im Gegenzug für einen russischen Abzug aus anderen Gebieten geschehen. Bisher besteht Putin wohl darauf, dass alle Gebiete bis zur aktuellen Frontlinie und weitere nicht-besetzte Gebiete in russischen Besitz kommen. Dazu müssten sich die Ukrainer aus dem Gebiet Donezk zurückziehen, das es noch zu rund einem Drittel kontrolliert. Eine Räumung würde bedeuten, dass die Ukraine die Kette gut befestigter Städte Slowjansk, Kramatorsk und Kostjantyniwka aufgeben müsste und anschließend wehrloser wäre. Auch die Krim soll offiziell zu russischem Staatsgebiet werden.
- Jegliche Gebietsabtretung der Ukraine müsse im Gegenzug „eisenharte“ Sicherheitsgarantien für die Ukraine nach sich ziehen, außerdem eine eventuelle Nato-Mitgliedschaft der Ukraine.
Wie die amerikanische Seite auf die Vorschläge reagierte, ist bisher nicht bekannt. Bekannt ist aber, dass die US-Seite davon ausgeht, dass die Ukraine Gebiete an Russland abgeben muss, wenn es zu einem Frieden kommen soll. Bei eventuellen Sicherheitsgarantien für die Ukraine ist die US-Seite bisher zurückhaltend.
„Die Ukrainer werden ihr Land nicht dem Besatzer schenken“, hatte Selenskyj in einer Videobotschaft am Samstagmorgen erklärt. „Die Antwort auf die territorialen Fragen der Ukraine steht in der Verfassung der Ukraine. Davon wird niemand abweichen, und niemand kann abweichen.“
Der Hintergrund: Laut ukrainischer Verfassung darf Selenskyj nicht ohne Referendum Gebiete abtreten. Bei einem Auftritt im Weißen Haus mit den Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans deutete Trump am Freitag die Hürden der ukrainischen Verfassung als Hindernis für eine Lösung an. Selenskyj müsse sich beeilen, politische Zustimmung in seinem Land zu organisieren, „denn wir stehen kurz vor einem Deal“. Der ukrainische Präsident solle aber alles bekommen, was er brauche, „denn er muss sich vorbereiten, etwas zu unterschreiben“.
Laut einem aktuellen Bericht des „Economist“ waren Moskau und Kiew zuletzt im regen Austausch, was die Verhandlungen für einen Waffenstillstand anging. Drei Treffen in Istanbul hatten in den vergangenen Monaten keine weitere Annäherung gebracht.
Zuletzt war man aber immerhin so weit, dass es eine Waffenruhe entlang der aktuellen Frontlinie gegeben hätte. Die Ukraine hätte die besetzten Territorien nicht als russisch anerkannt. Die Ukraine hätte zwar nicht Nato-Mitglied werden dürfen, aber EU-Mitglied. Beide Armeen wären auf dem aktuellen Truppenlevel geblieben. Der Konflikt wäre praktisch eingefroren gewesen.
Das wäre durchaus auch für Putin attraktiv gewesen, sieht es sich doch mit einer wachsenden Wirtschaftskrise konfrontiert. Die Vorschläge, die er beim Besuch des US-Gesandten Witkoff machte, gingen dann aber weit darüber hinaus.
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Russland hat in den vergangenen Monaten immer mehr Territorium im Osten der Ukraine eingenommen. Wie das britische Verteidigungsministerium am Samstag in seinem regelmäßigen Geheimdienst-Update zum Ukraine-Krieg schreibt, eroberten die russischen Bodentruppen im Juli höchstwahrscheinlich etwa 500 bis 550 Quadratkilometer an ukrainischem Territorium. Ähnlich viel Fläche sei im Juni eingenommen worden, nachdem diese Vorstöße bereits seit März zugenommen hätten. (Mit Agenturen)