Die Songs der US-Rockband The Black Keys sind im Blues getränkt. Soeben ist ihr neues Album «No Rain, No Flowers» erschienen. Für uns haben sie die wichtigsten zehn Blues-Alben zusammengestellt, die ihren Sound prägten und in keiner Sammlung fehlen dürfen.

Noch am Anfang ihrer Karriere: das amerikanische Rock-Duo The Black Keys im September 2003. Noch am Anfang ihrer Karriere: das amerikanische Rock-Duo The Black Keys im September 2003.

Gregory Bojorquez / Getty

Es gibt keine freundlicheren Rockstars als The Black Keys aus Nashville. Vielleicht ein Grund, weshalb es das Duo mit einem Musikstil in die Arenen dieser Welt schaffte, der zwar ungeheuren Spass macht, aber seit vierzig Jahren als ausgestorben gilt: Bluesrock. Am Freitag erschien ihr neues Album «No Rain, No Flowers». Wir trafen Dan Auerbach, Gitarre, und Patrick Carney, Schlagzeug, an einem heissen Montagabend im Juni im fensterlosen, sauerstoffarmen Raum einer Mehrzweckhalle in Dübendorf, um mit ihnen über die zehn wichtigsten Blues-Alben zu sprechen, die den Sound der Black Keys prägten. Eine Stunde später gaben sie in «The Hall» ein Konzert vor 5000 Fans.

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1. T-Model Ford: Pee-Wee Get My Gun (1997)

Dan Auerbach: Dieses Album war enorm wichtig für uns. Es erschien bei Fat Possum Records, einem kleinen Label aus Oxford, Mississippi, das sich darauf spezialisiert hatte, unbekannte oder in Vergessenheit geratene Bluesmusiker zu veröffentlichen. T-Model Ford war über siebzig Jahre alt, als er mit «Pee-Wee Get My Gun» sein erstes Album aufnahm. Andere Blues-Legenden wie Son House oder Skip James waren bereits tot, aber T-Model Ford trat noch immer auf, in kleinen Klubs, und freute sich über die jungen Mädchen im Publikum.
Patrick Carney: Ich mag, wie Tommy Lee Miles hier Schlagzeug spielt. Sehr untypisch, nicht wie der gängige Chicago Blues, der damals überall zu hören war. Etwas vom Besten in Sachen Blues seit den Sechzigern. Ich bin mit Classic Rock und Punk aufgewachsen, aber dieses Album hat für mich alles verändert. Ich glaube, Dan hatte mich darauf aufmerksam gemacht. Der wusste alles über den Blues.

2. Robert Johnson: Complete Recordings (1936/37)

Dan Auerbach: Mein Vater hörte R&B von Stax und Motown, aber auch Lightnin’ Hopkins oder Howlin’ Wolf. Als ich in der Mittelstufe war, kam Robert Johnsons «Complete Recordings» heraus. Das Album lief bei uns die ganze Zeit und hatte einen riesigen Einfluss auf mich, obwohl ich noch nicht Gitarre spielte. Noch immer kenne ich alle seine Songs auswendig.
NZZaS: Warum ist der mit 27 Jahren verstorbene Robert Johnson bis heute so eine mythische Figur?
Dan Aucherbach: Weil er tot ist – und unglaublich gut war. Seine Texte, seine Technik, das Gitarrenspiel. Er hatte das Handwerk von Künstlern wie Willie Brown, Skip James, Son House gelernt, aber er schrieb eingängigere Musik. Seine Songs springen fast aus den Lautsprechern. Auf seltsame Weise war Johnson eine frühe Pop-Version des Blues. Auch die Soundqualität ist für die damalige Zeit hervorragend, obwohl er seine Platten in Hotelzimmern aufgenommen hatte.

3. Junior Kimbrough: Sad Days, Lonely Nights (1994)

Patrick Carney: Wir hatten dieses Album auf unserer ersten Tournee fast pausenlos im Bus gehört. Perfekt zum Autofahren, hypnotisch, düster, roh.
Dan Auerbach: Auch Kimbroughs Alben erschienen bei Fat Possum Records. Wir sahen ihn oft live. Er steckte seine Gitarre in einen billigen Verstärker, sass dort, spielte und trank seinen Whisky. Arbeiterklasse, T-Shirt, Jeans. Wie R. L. Burnside und T- Model Ford.
Patrick Carney: Sein Sound erinnerte mich an die Bands, die ich damals mochte: Pavement, Modest Mouse, The Stooges . . . Darum konnte ich sofort etwas mit ihm anfangen.
Dan Auerbach: Ich glaube, es sind unsere unterschiedlichen musikalischen Perspektiven, die uns gegenseitig beeinflussten und auch den Sound der Black Keys prägten.

The Black Keys: «Lonely Boy».

4. Muddy Waters: Electric Mud (1968)

Patrick Carney: «Electric Mud» ist eine der wenigen Bluesplatten, die ich mochte, bevor ich Dan kennenlernte. Ein seltsames Album, aber es hatte mir die Augen geöffnet. Als Schlagzeuger konnte ich mit Chicago Blues nie etwas anfangen. Bis heute kriege ich diesen Shuffle Beat nicht hin. Aber «Electric Mud» hat mir gezeigt, dass Blues auch anders klingen kann.
Dan Auerbach: Es gibt aber auch Chicago Blues, den wir mögen, die frühen Hound-Dog-Taylor-Platten zum Beispiel.
Patrick Carney: Absolut. Gehört auch auf diese Liste.

5. Hound Dog Taylor: Natural Boogie (1974)

Dan Auerbach: Grossartig, wie roh und kaputt seine Gitarre klingt, aggressiv, verzerrt, und trotzdem wunderschön.
Patrick Carney: Von der Energie her fast schon Punk. Einfach in einer anderen Zeit.
NZZaS: Es gibt viele grosse Blues-Gitarristen. Was aber ist mit Blues-Schlagzeugern?
Patrick Carney: Peck Curtis, Sam Carr, Cedric Burnside . . .
Dan Auerbach: Ich liebe Russell Simins von The Jon Spencer Blues Explosion. Als ich deren Album «Orange» zum ersten Mal hörte, dachte ich: «Was ist denn das?» So was hatte ich noch nie gehört. Pat, erzähl ihm deine Geschichte mit Jon Spencer, die ist grossartig!

6. The Jon Spencer Blues Explosion: Orange (1994)

Patrick Carney: Als Teenager war ich ein grosser Blues-Explosion-Fan, und als ich sah, dass die Band ein Konzert in Akron spielte, ging ich hin und kämpfte mich zur Bühne vor. Spencer trug diese weissen italienischen Loafers und schrie sich die Seele aus dem Leib. Ich spielte bereits in einer eigenen Band und hatte ein Demo-Tape mitgebracht, das ich ihm vor die Füsse legte, in der Hoffnung, er würde es sich später anhören. Spencer blickte mir direkt in die Augen, hob einen Fuss – und trat die Kassette weg. Ein Schock für einen siebzehnjährigen Fan.
Dan Auerbach: Ha, ha, ha! Eine andere Platte, die ich durch dich kennenlernte und die mich sehr beeinflusste, war «Safe as Milk» von Captain Beefheart. Wie bist du auf die gekommen?

7. Captain Beefheart: Safe as Milk (1967)

Patrick Carney: Mein Vater hatte einen «Safe as Milk»-Sticker auf sein Auto geklebt. Ich kannte das Cover also schon als Kind, aber erst Jahre später, als ich in einem Plattenladen arbeitete, erinnerte ich mich daran und hörte mir das Album an. Natürlich fand ich es grossartig. Als du mir dann Howlin’ Wolf vorspieltest, dachte ich: «Wow, das klingt wie Beefheart!»
Dan Auerbach: Und als ich zum ersten Mal Beefheart hörte, dachte ich, klingt wie Howlin’ Wolf, nur schräger. Später fand ich heraus, dass Ry Cooder auf dem Album Gitarre spielt.
NZZaS: Wer hat Sie als Gitarrist inspiriert?
Dan Auerbach: Lightnin’ Hopkins war wichtig.

8. Lightnin’ Hopkins: The Gold Star Sessions (1947)

Dan Auerbach: Mein Onkel war ein grosser Bluesfan und schenkte mir eine CD der «Gold Star Sessions». Damals spielte ich bereits Gitarre, ich liebte Hopkins rohen, elektrischen Sound. In unserer Schulbibliothek entdeckte ich einen Konzertmitschnitt auf VHS-Kassette mit guten Nahaufnahmen. Die lieh ich mir aus. So konnte ich zusehen, was Hopkins mit seinen Fingern machte, und versuchte, es nachzuspielen. Immer wieder spulte ich das Tape zurück, bis ich begriffen hatte, was da passierte.
Patrick Carney: Du musstest in die Bibliothek gehen, um die alten Bluesmusiker spielen zu sehen . . .
Dan Auerbach: Ja, darum waren Labels wie Fat Possum, die sich um diese Blues-Legenden kümmerten, so wichtig für mich. Ich musste nicht mehr in die Bibliothek, um sie spielen zu sehen.
Patrick Carney: Da fällt mir ein tolles Live-Album von Robert Nighthawk ein.

9. Robert Nighthawk: Live on Maxwell Street (1964)

Dan Auerbach: «Live on Maxwell Street»? Grossartig. Auf der Strasse in Chicago aufgenommen – man hört Passanten plaudern und Autos vorbeifahren. Zwei Gitarren, Schlagzeug, kein Bass. Aufs Nötigste reduziert. Wie Jon Spencer Blues Explosion oder R. L. Burnside. Roh und ungefiltert.
Patrick Carney: Die Platte hatte grossen Einfluss auf unser erstes Album «The Big Come Up» von 2002.
NZZaS: Was ist mit Ihrem neuen Album «No Rain, No Flowers»?
Patrick Carney: Das ist kein Blues. Da kommt vieles zusammen, was wir mögen. Pop, Garage-Rock, Soul, Funk und natürlich auch Blues, aber . . .
NZZaS: Welches Ihrer Alben kommt dem Blues am nächsten?
Patrick Carney: «Delta Kream» war eine Hommage an den Blues.

The Black Keys: «The Night Before».

10. The Black Keys: Delta Kream (2021)

Dan Auerbach: Mit diesem Album haben wir uns alte Hill-Country-Blues-Stücke vorgenommen, die wir lieben. Von John Lee Hooker, Junior Kimbrough, Johnnie Temple . . . Aber macht uns das zu einer Blues-Band? Nein.
Patrick Carney: Leute wie Junior Kimbrough oder T-Model Ford lebten ihr ganzes Leben am selben Ort und hörten, wenn überhaupt, nur lokale Musik. Wir sind mit allen möglichen Einflüssen aufgewachsen. Haben Plattenläden durchforstet, sind herumgekommen, haben nach neuer Musik gestöbert. Wir könnten nie echte Bluesmusiker sein.
NZZaS: Was ist das überhaupt, echter Blues?
Dan Auerbach: Der Blues ist das Fundament der modernen amerikanischen Musik. Natürlich hat er sich verändert, wurde kommerzialisiert, ausgebeutet. Aber es gibt Alben, die mich noch immer tief berühren und die für die Entwicklung unserer eigenen Musik von immenser Bedeutung waren.

Neues Album: Black Keys: No Rain, No Flowers (Warner).

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