Berlin – 100 Tage Schwarz-Rot – und die Koalition zieht erste Bilanz. CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann spricht im Interview mit BILD über die anstehende Bürgergeld-Reform, gesteht Kommunikationsfehler bei der Stromsteuer ein und erklärt, warum es mit der CSU keine Rente mit 70 geben wird.

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Das Gespräch mit Alexander Hoffmann haben wir am Donnerstag geführt, einen Tag bevor Merz mit seiner Israel-Wende so ziemlich alle gegen sich aufbrachte.

BILD: Wie ist Ihre Bilanz der ersten 100 Tage schwarz-rote Koalition?

ALEXANDER HOFFMANN: Es war ein starker Start. Wenn man sich mit den Menschen unterhält, ist die Stimmung im Land so, dass viele uns das nicht zugetraut hätten. Die Bilanz kann sich sehen lassen. Gerade nach diesen zähen Jahren der Ampel. Wir haben in knapp drei Monaten die Migrationspolitik komplett neu ausgerichtet. Wir haben Wirtschaftsinstrumente auf den Weg gebracht, wie den Wirtschaftsbooster, die

Alexander Hoffmann (50) sitzt seit 2013 im Bundestag und ist seit Mai CSU-Landesgruppenchef

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Foto: Ralf Günther/BILD

Mütterrente kommt – die Stimmung hellt sich auf.

Und was lief schlecht?

Hoffmann: Es ist immer gut, wenn man schaut, wo man besser werden kann. Das ist auch eine Frage, die uns jetzt über die Sommerpause beschäftigt. Beim Bereich Kommunikation können wir einiges noch besser machen. Nehmen wir das Beispiel Stromsteuer. Ich glaube, da muss man selbstkritisch sagen: Wir haben einfach versäumt, über das zu reden, was wir geschafft haben, und nur darüber geredet, was uns nicht gelungen ist.

Ist es gut, dass es jetzt eine Sommerpause gibt, wo alles auf Reset gesetzt wird und man danach noch einmal neu anfängt?

(…) Es ist jetzt gut, wenn wir alle den Sommer mal nutzen, um einfach ein bisschen runterzukühlen.

CSU-Chef Markus Söder (58) posiert mit Alexander Hoffmann nach dessen Wahl zum neuen Landesgruppenchef. Rechts auf dem Foto: Reinhard Brandl (48), er ist der neue Parlamentarische Geschäftsführer der CSU

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Foto: Markus_Soeder/X

Im Herbst stehen unter anderem die Bürgergeldreformen an. Was erwarten Sie?

Der Herbst wird komplett über der Überschrift stehen: Sozialstaatreformen für dieses Land. Wir sind auch angetreten für Haushalts- und für Staatskonsolidierung, da ist das Bürgergeld natürlich ein zentrales Thema. Es muss strukturell neu aufgebaut werden. Wir brauchen eine Grundsicherung der neuen Generation. Nur mit Austausch des Namens ist das nicht zu machen.

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Glauben Sie, dass Sie das mit der SPD durchsetzen können? Die SPD ziert sich, Kürzungen vorzunehmen …

Hoffmann: Arbeitsministerin Bas hat angekündigt, im Herbst Eckpunkte vorzulegen, und gesagt, es muss eine strukturelle Reform geben. Sie selbst hat von mafiösen Strukturen gesprochen. Da war ich sehr dankbar, dass das auch in den Reihen der SPD gesehen wird. (…) Wir haben drei große Handlungsfelder: das organisierte, rechtswidrige Beziehen von Bürgergeld durch Banden. Wir müssen auch dafür sorgen, dass es wieder einen echten Vermittlungskontakt zwischen Jobcenter und Leistungsempfänger gibt. (…) Und wir brauchen ein Instrument, das die Leute nicht in Arbeitslosigkeit zementiert, sondern in Arbeit bringt.

Wir reden von 50 Milliarden Euro, die über das Bürgergeld ausgezahlt werden. Wie hoch muss die Kürzung ausfallen?

Hoffmann: 50 Milliarden Euro sind zehn Prozent des Bundeshaushalts. Das ist in einem Land, in dem Fachkräfte und Arbeitskräfte gesucht werden, nicht mehr vermittelbar. (…) Die Reihenfolge muss die sein: Wir brauchen die richtigen Strukturen und daraus wird sich eine Summe ergeben.

Hoffmann und Söder eint mehr als die Partei: Sie sind beide Franken

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Foto: Christian Schreck/BT-Büro Alexander Hoffmann

Beim Thema Rente haben Sie diese Woche weitere Milliardenausgaben beschlossen. Wie erklären Sie das eigentlich den jüngeren Wählern?

Hoffmann: Wenn wir uns die Generation anschauen, die heute in Rente kommt, dann sind das die Leistungsträger der Vergangenheit. Diejenigen, die einen Beitrag dazu geleistet haben, dass dieses Land heute so dasteht, wie es dasteht. Davon profitiert auch die jüngere Generation.

Wirtschaftsministerin Reiche hat gefordert, dass die Lebensarbeitszeit verlängert werden muss. Ist die Rente mit 70 sinnvoll?

Hoffmann: Die Wirtschaftsministerin hat die Aufgabe, die Wirtschaft voranzubringen. (…) Deswegen ist ihre Position nachvollziehbar. Wir setzen hingegen auf das Prinzip der Freiwilligkeit. Wir glauben, dass wir mit der Aktivrente einen echten Beitrag leisten können. Es gibt viele Menschen im Land, die sagen: Mensch, ich habe Lust, weiterzuarbeiten.

Die Rente mit 70 wird es mit der CSU nicht geben?

Hoffmann: Freiwilligkeit ist für uns das sehr viel wirksamere Instrument, weil wir als CSU auch die Menschen im Blick haben, die ihr ganzes Leben gearbeitet haben. Es macht einen Unterschied, ob ich einem Ingenieur, der viel im Büro gearbeitet hat, die Möglichkeit gebe, freiwillig weiterzuarbeiten. Oder jemanden, der bis kurz vor der Rente auf einer Baustelle schwer körperlich gearbeitet hat.

Alexander Hoffmann im Gespräch mit BILD-Chefreporter Burkhard Uhlenbroich und BILD-Redakteurin Lena Glöckner

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Foto: Ralf Günther/BILD

Ihr Parteichef Markus Söder will, dass Bayern in Zukunft deutlich weniger in den Länderfinanzausgleich einzahlt. Droht neuer Ärger?

Hoffmann: Das ist eine Debatte, die geführt werden muss. (…) Der Länderfinanzausgleich ist ein Solidarsystem. (…) Gefährlich wird es, wenn nach bestimmten Entwicklungen in einem Solidarsystem eine Gerechtigkeitsdebatte entsteht. Und das ist das, was Markus Söder berechtigterweise hinterfragt.

Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zur SPD – waren Sie schon mal mit dem Fraktionsvorsitzenden Matthias Miersch ein Bier trinken?

Hoffmann: Waren wir. Einmal habe ich, einmal hat er eingeladen. (…) Für mich ist es die dritte Koalition mit der SPD und ich kann sagen: So gut war es noch nie.