Wie sind Sie zu Party Dyke in Berlin geworden?
Ursprünglich kam ich vor drei Jahren für einen Sprachkurs und eine Dissertation in die Stadt. Ich habe dann im Nachtleben sehr schnell eine Community gefunden, habe zum ersten Mal wirklich offen queer gelebt. Mir hat die Szene gut gefallen. Das hat mich in Berlin festgehalten.
Als eine Freundin herzog, fragte sie im Gruppenchat ständig nach Partys und Bar-Abenden. Darauf antwortete ich stets mit einer ganzen Liste von Vorschlägen.
Zur Person Party Dyke, Expert*in für queeres Nachleben in Berlin.
© Alejandra Villa Alvarez
Party Dkye, 27, kommt aus Irland, ist non-binär und lebt in Neukölln. Seit zwei Jahren gibt Party Dyke zweimal wöchentlich auf Instagram und auf der eigenen Website Party- und Bar-Tipps für die FLINTA-Szene – unkommerziell und unabhängig.
Und wie wurden daraus ein Instagram-Kanal und die Website?
Die Freundin drängte mich nach einer Weile, meine Tipps öffentlich zu machen, weil sie fand, dass sie für viele Menschen nützlich sein könnten. Sie half mir, die Seite und den Account zu kreieren, weil ich damals kaum wusste, wie man Instagram benutzt. Dann hat sich das Ganze irgendwie verselbstständigt und mein Leben komplett eingenommen. Das ist jetzt etwas mehr als zwei Jahre her.
Woher stammen die Party-Infos?
Anfangs bin ich vor allem den Seiten der Partys gefolgt, die ich mochte und kannte. Irgendwann haben mich dann auch Veranstaltende neuer Partys oder Events angeschrieben, von denen ich nichts wusste. Aber ich empfehle nichts blind, nur Partys, bei denen ich schon mal war oder zu denen ich etwa über die DJs eine Verbindung habe.
Als Dyke in einem Club muss man oft in einer defensiven Haltung sein. Es ist ein patriarchalischer Raum.
Party Dyke
Wie oft in der Woche gehen Sie aus?
Ich gehe auf mindestens eine Party, manchmal auch zwei. Ich versuche, mir selbst zu verbieten, dreimal zu gehen. Dazu kommen vielleicht noch ein oder zwei Bar-Nächte pro Woche. Das ist wahrscheinlich etwas zu viel, ich sollte zurückstecken. Aber ich bin besser darin geworden, irgendwo kurz reinzuschauen und dann wieder zu gehen, statt die ganze Nacht zu bleiben. Das ist mein Kompromiss.
Wieso brauchen FLINTAs eigentlich Ihre eigenen Partys?
Als Dyke in einem Club muss man oft in einer defensiven Haltung sein. Es ist ein patriarchalischer Raum. Männer machen dich an, fassen dich ohne zu fragen an, sagen seltsame Sachen – es ist verständlich, warum viele Leute das Nachtleben ganz aufgeben.
Selbst auf Queer-Partys dominieren cis-schwule Männer den Raum. Oft wird man von verschwitzten, shirtlosen cis Männern herumgeschubst, von denen fast alle den gleichen Harness tragen. Das kann sehr frustrierend sein.
Was sind Ihre Lieblingspartys?
Ideal ist für mich eine Party mit guter Musik und einem Publikum, das das gesamte Spektrum der queeren Community umfasst. FLINTA-Partys sind großartig und angesichts des Status quo notwendig, aber eine Party, die uns alle auf der Tanzfläche zusammenbringt, ist das Schönste, was es gibt.
FLINTA-Personen sind in der queeren Community keine numerische Minderheit, und auf der Tanzfläche sollten wir uns nicht so fühlen. „Fuck Your Gender“ und „Lecken“ bekommen das ganz gut hin. Auch „Riot“, „Puticlub“ oder „Slime“, was sehr kleine Partys sind.
Wie entwickelt sich die FLINTA-Party-Szene in den letzten Jahren?
Es hat eine große Expansion stattgefunden. Die FLINTA-Party- und Barszene blüht regelrecht auf in Berlin. Überall gründen sich kleine Kollektive, die etwas organisieren. Das sind eher überschaubare Event für rund 120 Leute. Haben diese Kollektive anfangs wenig voneinander gewusst, vernetzen sie sich jetzt immer besser. Für meine Tipps musste ich früher lange suchen, jetzt kann ich auswählen und kuratieren.
Sie organisieren auch eigene Events. Was ist als nächstes geplant?
Das Aufregendste, woran ich als beteiligt bin, ist das 4Q4 Error-Wochenendfestival im Kater Blau Ende August. Wir bringen 14 kleine FLINTA-/Queer-Kollektive für eine große Party zusammen. Alle meine Lieblingsmenschen sind dabei. Außerdem freue ich mich schon sehr auf die nächste „Hoe-Down“, meine Cowboy-Western-Party, am 21. September im Crack Bellmer. Da Motto lautet „Hats. Boots. Leather. Lesbianism“.
Ich hoffe auch, dass ich meine FLINTA-Halloween-Party „Gay Christmas” wiederholen kann. Außerdem werde ich weiterhin Speed-Dating-Abende, Armdrück-Abende, Pub-Quizze und Weihnachtsfeiern organisieren … Ich habe gerade viel zu viele verrückte Pläne in Arbeit. Vielleicht muss ich das zu meinem Vollzeitberuf machen.
Berlins größter queerer Club SchwuZ befindet sich derzeit in einer schweren Krise und braucht dringend mehr Besucher*innen. Was würden Sie ihm raten, um mehr FLINTA-Menschen anzulocken?
Schwierige Frage. Ich glaube, dass traditionelle Nachtclubs sich schwertun, mit den Bedürfnissen jüngerer Menschen Schritt zu halten. Während das SchwuZ immer eine Menge Wochenendbesucher*innen von außerhalb anzieht, könnte meiner Meinung nach mehr getan werden, damit der Club in Bezug auf Musik, Kultur und Politik besser auf die lokalen queeren jungen Menschen abgestimmt ist.
Es ist nicht so, dass wir keinen Pop wollen – in unserer von Techno geprägten Stadt sehnen wir uns sogar danach. Aber wir brauchen neue Gesichter – DJs, Performer und Eventmanager, denen unsere Community am Herzen liegt. Die „Dykes Gone Wild”-Nächte ziehen vielleicht ein paar FLINTA*-Leute an, aber um uns regelmäßig und konstant zu gewinnen, brauchen wir eine Vertrauensbeziehung.
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Klingt nach einer Menge Arbeit für das SchwuZ.
Das Nachtleben ist eine Branche, in der alles vergänglich ist. Queere Menschen verdienen zwar permanente Räume, und historische Institutionen wie diese sind von unbestreitbarer Bedeutung, aber die kulturell interessantesten und innovativsten Entwicklungen kommen aus den Randbereichen.
Ich denke, diese Nachricht sollte nicht als Todesstoß für das queere Nachtleben verstanden werden, sondern eher als Aufruf zum Handeln. Das queere und insbesondere das FLINTA*-Nachtleben in dieser Stadt blüht, man muss nur wissen, wo man es finden kann.