Cole Brauer legt die Messlatte auf die höchste Position. Auf die Frage, wer das Ocean Race Europe gewinnt, kennt die 31-Jährige nur eine knappe Antwort: „Wir!“ Diese Überzeugung mag dem Selbstverständnis einer US-Amerikanerin entspringen, doch widersprechen mochte ihr im Team Malizia niemand.
So werden sich am Sonntag zum Start der zweiten Auflage des Ocean Race Europe die Augen wohl noch mehr auf die Crew um den Hamburger Boris Herrmann richten: Es ist das Heimteam, die Kampagne mit den höchsten Social-Media-Werten und nun auch der selbst ernannte Favorit, für den sich nur die Frage stellt, wer Zweiter hinter ihm wird.
Zur Vorab-Pressekonferenz hatte sich das Team Malizia in den Clubräumen des Segelclub Baltic direkt an der Kiellinie versammelt: Sechs Stühle, fünf Crewmitglieder und Hund Lilli. Der Spaniel weicht Skipper Boris Herrmann kaum von der Seite, wenn er an Land ist. Er ist Balsam für die Seele, wird von seinem Herrchen während der Pressekonferenz immer wieder gekrault.
Das Team Malizia zieht in Kiel die Blicke auf sich. © Lloyd Images
Ganz offensichtlich genießt der 44-jährige Hamburger die Vorbereitungen des Rennens in Kiel: „Ich möchte gar nicht so schnell los. Die Kiellinie ist voll enthusiastischer Menschen, alles ist sehr friedlich.“ Kiel sei eine freundliche Stadt, Oberbürgermeister Ulf Kämpfer ist mit den Seglerinnen und Segler schnell per Du. „Das ist ein Stück Heimat für mich.“
Heimvorteil beim Kiel-Start
Und so sieht er den Start unweit seines Hamburger Wohnorts als klaren Vorteil: „Hier kenne ich mich aus, hier fühle ich mich Zuhause.“ Ein Rennen werde auch an Land entschieden – durch die technische Arbeit an den Booten, die Logistik. Ein Plus für Team Malizia im Heimatland des Skippers.
Der Blick voraus auf den Start am Sonntag zeigt aber, dass die Anspannung innerhalb des Teams groß ist: „Es wird hart, brutal, intensiv“, sagt Boris Herrmann. Er meint damit die besonderen Herausforderungen dieses Rennen mit den kurzen Etappen stets in Landnähe. Alle halbe Stunde müsse man sich auf neue Situationen einstellen.
Boris Herrmann hat durchaus Respekt vor dem Start ins Ocean Race Europe © Team Malizia
Sein langjähriger Co-Skipper Will Harris macht deutlich, wo die Herausforderungen liegen: „Wir haben geplant, in einem Vier-Stunden-Wachsystem zu arbeiten. Aber wir werden erst einmal unseren Rhythmus finden müssen. Bei diesem Rennen geht es im Ziel nicht um Meilen, es geht um Inches und Zentimeter.“
Gleich die erste der fünf Etappen habe es in sich. Das 850 Seemeilen lange Stück von Kiel nach Portsmouth ist voller Hindernisse, die es zu umschiffen gilt: die dänischen Inseln, der Verkehr von Freizeit- und Handelsschiffen in der Ostsee, die Tidenströmung in der Nordsee und vor allem im Ärmelkanal.
Gute Erinnerung an die Nordsee
Bei der Regatta Course des Caps rund um die britischen Inseln im Juli ist Will Harris gerade ein großes Stück der kommenden Etappe gesegelt. Er kennt daher die Hürden: „Das war eine fantastische Vorbereitung, denn es war fast die gleiche Route.“
Besonders ist ihm das Verkehrstrennungsgebiet zwischen Calais und Dover in Erinnerung geblieben. Die Malizia hielt sich vor einem Monat auf dem schmalen Seegebiet dicht unter der englischen Küste: „Innerhalb weniger Meilen sind wir 47 Wenden gefahren“, sagt Harris.
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