Es war während meiner Ausbildung zur Rettungssanitäterin, als ich im Rettungswagen mitfuhr: Ein Rennradler war beim Bergabfahren mit recht hoher Geschwindigkeit gestürzt. Dem äußeren Anschein nach fehlte ihm nicht viel, deshalb waren auch nur wir und nicht zusätzlich ein Notarzt angefordert worden. Als wir mit ihm Richtung Krankenhaus aufgebrochen waren, fragte er sogar, ob das denn jetzt wirklich sein müsse. Doch dann beobachtete ich etwas: Aus seinem Ohr sickerte eine Flüssigkeit, relativ klar, nur leicht rötlich gefärbt von Blut. Ohne dass es der Mann mitbekam, machte ich meinen Kollegen darauf aufmerksam. Sofort hielten wir den Wagen an und alarmierten einen Rettungshubschrauber, damit der Mann auf dem schnellsten Weg in eine Klinik mit einer Neurochirurgie nach München kam. Diese Flüssigkeit aus dem Ohr, das war ein Anzeichen für einen Schädelbasisbruch.
Dieser Mann mit seiner Kopfverletzung musste in die Neurochirurgie. Aber auch wir auf der Intensivstation in Ebersberg haben in der warmen Jahreszeit eine Menge Patienten nach Fahrradunfällen. Am häufigsten sind sie wegen einer sogenannten Rippenserienfraktur bei uns. Das bedeutet, dass mehr als drei Rippen gebrochen sind. Eine typische Verletzung, gerade wenn man über den Lenker geschleudert wird und mit voller Wucht auf der Seite landet, oder der Lenker in den Brustkorb gerammt wird.
Die Patienten müssen dann immer einige Zeit am Monitor überwacht werden. Denn in solchen Fällen kann es sein, dass die Lunge unterhalb der gebrochenen Rippen ebenfalls verletzt ist. Wenn ein Patient über Beschwerden beim Atmen klagt, ist das ein Alarmzeichen.
Schützen kann man sich im Grunde kaum vor einer Rippenserienfraktur. Je professioneller Crossradler unterwegs sind, desto eher tragen sie einen Brustpanzer. Aber für Alltagsradler ist das weniger geeignet und üblich – man zieht sich ja auch nicht Knie- und Ellbogenschoner an, wenn man mal schnell zum Supermarkt radelt.
Arm- und Schulterverletzungen sehen wir am zweithäufigsten. Dass die Beine, Knie oder Hüften betroffen sind, kommt nicht oft vor. Doch wenn, dann hat es meistens mit E-Bikes und deren älteren Fahrerinnen und Fahrern zu tun.
Es unterschätzen einfach immer noch sehr viele: Im Alter lässt die Reaktionszeit nach. Wo man früher noch ohne Probleme sofort richtig reagiert hat, braucht man mit Mitte 70 eine Sekunde länger – und schon war der Fuß nicht schnell genug am Boden und man fällt mitsamt Fahrrad um. E-Bikes sind unglaublich schwer, das schätzen die Seniorinnen und Senioren falsch ein. Das in Kombination mit Knochen, die im Alter leichter brechen als in jungen Jahren, führt recht leicht zu Brüchen. Weil es häufig Vorerkrankungen gibt oder die Betroffenen Blutverdünner nehmen, müssen sie dann auf die Intensivstation zur Überwachung.
Intensivfachpflegerin Pola Gülberg vom Klinikum Ebersberg München Ost. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
Das eigentliche Problem dabei ist: Wenn Menschen im Alter stürzen, kommen sie danach häufig unglaublich schwer wieder auf die Beine. Der Körper ist eben nicht mehr jung und gesund, erholt sich dementsprechend nicht ohne größere Schwierigkeiten.
Ich glaube, dass es helfen würde, wenn mehr Seniorinnen und Senioren E-Bike-Fahrradkurse besuchen, die der ADFC regelmäßig anbietet. Fahrradfahren ist nicht gleich Fahrradfahren – mit einem E-Bike muss man erst lernen, umzugehen. Und: Ab einem gewissen Alter oder Gesundheitszustand solle man es einfach ganz bleiben lassen, genau so wie man dann auch das Auto lieber dauerhaft in der Garage stehen lassen sollte. Es wird einfach zu gefährlich, für den Fahrenden selbst, aber auch für alle anderen Verkehrsteilnehmenden.
Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 41-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit am Klinikum Ebersberg München Ost. Die gesammelten Texte sind online unter sz.de/aufstation zu finden.