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Die Bundesarbeitsministerin und SPD-Vorsitzende Bärbel Bas war im ARD-Sommerinterview zu Gast. Die meisten ihrer Aussagen halten einer Überprüfung stand – bei der Zahl der Geiseln im Gazastreifen lag sie daneben.
Von Frank Dürr, WDR, Eva Krause, WDR, Martin Motzkau, SWR und Carla Reveland, ARD-faktenfinder
Beim ARD-Sommerinterview mit der Bundesministerin für Arbeit und Soziales und SPD-Bundesvorsitzenden Bärbel Bas ging es viel um die künftigen Rentenpläne der Bundesregierung sowie das Bürgergeld. Auch Themen wie der Krieg in Nahost oder die Rolle von Frauen in der Politik wurden thematisiert. Dabei traf Bas wenige faktisch überprüfbare Aussagen.
Da es während eines solchen Gesprächs nicht immer möglich ist, falsche oder irreführende Behauptungen sofort zu korrigieren, werden hier einige Aussagen von Bas noch einmal genauer beleuchtet.
Angaben zu israelischen Geiseln im Gazastreifen nicht korrekt
Bas sagt im Gespräch zum Nahost-Krieg, dass beim Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 schlimme Dinge passiert seien und „immer noch sind Hunderte von Geiseln nicht frei“. Diese Angabe ist nicht korrekt.
Die israelische Regierung meldete am 22. Juni, dass noch 49 Geiseln in der Gewalt der militant-islamistischen Terrororganisation Hamas seien. Eine weitere Geisel befände sich bereits seit 2014 in der Gewalt der Hamas.
Am 7. Oktober wurden demnach 251 Personen von der Hamas entführt. Bis heute wurden der Regierung zufolge 205 Menschen aus der Gefangenschaft der Hamas befreit oder freigelassen. 148 der Geiseln kehrten lebend nach Israel zurück, 57 Personen sind tot.
Fehlender Kontext beim Bürgergeld
In dem Sommerinterview ging es auch um Sozialleistungen. Bas sprach sich für härtere Mitwirkungspflichten beim Bürgergeld aus und bezog sich dabei auf den Koalitionsvertrag. Darin heißt es: „Sanktionen müssen schneller, einfacher und unbürokratischer durchgesetzt werden können.“
Als ein Beispiel führte die 57-Jährige an, Leistungen sofort zu kürzen, wenn jemand unbekannt verzogen sei. Wenn ein Brief vom Arbeitsamt zurückkomme mit dem Hinweis „unbekannt verzogen“ müsse man davon ausgehen, dass der Mensch da nicht mehr wohnt und die Hilfe nicht mehr braucht“. Dann müsse man die Leistung sofort einstellen können, so Bas.
Tatsächlich sind die Regelungen bei der Erreichbarkeit bereits jetzt streng geregelt. Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld, die ohne Zustimmung des Jobcenters nicht erreichbar sind, haben laut Arbeitsagentur keinen Anspruch auf Bürgergeld. Ein Umzug muss „unverzüglich“ mitgeteilt werden.
Ohne Anspruch auf Bürgergeld wird kein Geld mehr ausgezahlt und muss gegebenenfalls sogar zurückgezahlt werden. Zudem enden ohne einen Anspruch auch die Pflichtversicherungen in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Wie sie diese Maßnahmen verschärfen möchte, lies Bas in dem Gespräch offen.
Diskussion über ukrainische Bürgergeld-Bezieher
Die SPD-Vorsitzende äußert sich auch zur Debatte über ukrainische Geflüchtete, die Bürgergeld beziehen. Sie betonte, es liege nicht an ihr, dass die geplanten Änderungen bislang nicht umgesetzt worden seien. Nach diesen Änderungen sollen ukrainische Geflüchtete, die nach dem 1. April 2025 eingereist sind, nicht mehr Bürgergeld, sondern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten.
Tatsächlich ist Bas aktiv geworden – allerdings wohl später als geplant. Nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP vom 7. August 2025 liegt ein Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums vor, wonach durch die geplante Umstellung ab 2026 bei Bürgergeld, Grundsicherungsleistungen und Hilfen zum Lebensunterhalt rund 1,32 Milliarden Euro eingespart werden könnten.
Allerdings würden Länder und Kommunen durch die höheren Kosten für Asylbewerberleistungen im gleichen Zeitraum mit zusätzlichen Ausgaben von etwa 1,375 Milliarden Euro belastet. Damit wäre der finanzielle Gesamteffekt für die öffentliche Hand leicht negativ.
Existenzminimum muss für alle garantiert sein
Bas kritisierte zudem mehrere Unstimmigkeiten in der öffentlichen Diskussion. Sie verwies darauf, dass es Gerichtsurteile gebe, die ein menschenwürdiges Existenzminimum unabhängig von der Staatsangehörigkeit garantieren. Tatsächlich stellte das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil vom 5. November 2019 fest, dass dieses Existenzminimum zu wahren ist. Das Gericht verwies zugleich auf die Möglichkeit, Leistungen zu kürzen, wenn Mitwirkungspflichten verletzt werden.
Auch der Europäische Gerichtshof forderte in einem Urteil aus dem Jahr 2019 die Einhaltung von Mindeststandards bei der Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten. Der Informationsverbund Asyl & Migration, ein Zusammenschluss von Organisationen aus der Flüchtlings- und Migrationsarbeit, verweist ebenfalls auf entsprechende Entscheidungen, die die Sicherung grundlegender Lebensbedingungen betonen.
Aussagen zur Rente größtenteils korrekt
Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales betonte im Gespräch, dass sie die gesetzliche Rente stabiler machen wolle. Das sei elementar, denn „viele Menschen haben nur diesen einen Zweig, die haben keine Betriebsrente aufgebaut, die haben auch keine private Vorsorge“, so Bas.
In einem Forschungsbericht zur Alterssicherung in Deutschland wird das konkretisiert. „Die meisten Männern und Frauen ab 65 Jahren, die nur eine eigene Alterssicherungsleistung beziehen, erhalten diese aus der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV).“ Für 43 Prozent der Männer und 59 Prozent der Frauen ist die gesetzliche Rente die einzige eigene Altersabsicherung.
In Ostdeutschland liegen die Werte laut dem Bericht noch deutlich höher, dort bestreiten 73 Prozent der Rentner ihren Lebensunterhalt ausschließlich aus der staatlichen Rente.
Das Bundeskabinett hatte diese Woche ein Rentengesetz auf den Weg gebracht, das ein stabiles Rentenniveau bis 2031 und bessere Renten für Millionen Mütter vorsieht. Damit fallen die Renten dauerhaft etwas höher aus als ohne die Reform.
Antwort auf Fragen aus der Community
Nach dem Sommerinterview beantwortete Bas noch Fragen aus der tagesschau-Community. Auf die Frage, wie die Zusammenarbeit mit der Union aussieht, sagte die SPD-Chefin: „Wir waren nach der Wahl, wie sie wissen, die einzig mögliche demokratische Koalition, die überhaupt möglich war, und deshalb haben wir eine große Verantwortung.“
Politisch realistisch war nach der Bundestagswahl 2025 tatsächlich vor allem eine Koalition aus CDU/CSU und SPD. Rechnerisch möglich wären jedoch auch andere Konstellationen, so hätten Union, Grüne und Linkspartei theoretisch eine Mehrheit von 357 Stimmen gehabt.
Die Termine der kommenden Sommerinterviews
17. August: Jan van Aken, Linke
24. August: Markus Söder, CSU