Silvia Hlinik fürchtet sich nicht vor Konkurrenz. Im Gegenteil, sie sagt: „Ich wünsche mir Nachahmer“ – Nachahmer für ihr Konzept der nachhaltigen Outdoor-Mode. In einer kleinen Werkstatt in Stuttgart-Feuerbach stellt die 38-Jährige Accessoires „für Alltag, Freizeit und Abenteuer“ her, wie es auf der Webseite ihres Labels Manuc heißt.
Die Produktpalette reicht von rot schattierten Fahrradmützen im Zebra-Look über Stirnbänder mit Rosenmuster bis hin zu kompakten Reisehandtüchern. Hlinik setzt dabei nicht nur auf nachhaltige Materialien wie Bio-Baumwolle oder Holzfaser, sondern auch auf die Methode des Upcyclings. Das bedeutet, aussortierte Gegenstände zu anderen Waren zu verarbeiten – und ihnen so einen neuen Wert zu verschaffen.
Upcycling als nachhaltige Methode
Hlinik nutzt vor allem Stoffreste, die bei anderen Labels übrig geblieben sind und die ansonsten auf dem Abfall landen würden. Auch alte Hemden oder Blusen verwendet sie gerne. Abhängig von den gerade verfügbaren Materialien überlegt sich die ausgebildete Modedesignerin, was sie daraus machen könnte.
Fahrradmützen, Halstücher, Reisehandtücher – das Angebot von „Manuc“ richtet sich an Outdoor-Fans Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt
Anschließend greift sie in ihrem Atelier in der Nähe des Feuerbacher Bahnhofs zum Werkzeug, schneidet die Stoffe mit dem Rollmesser neu zu, testet verschiedene Varianten aus und näht Probestücke zusammen. Wenn die sich als gut erweisen, ist ein neues Produkt entstanden. Das kann Hlinik dann erneut herstellen, sobald ihr wieder ähnliche Materialien in die Hände kommen. So schneidert sie beispielsweise aus einem alten Hemd drei neue Fahrradmützen.
Designerin aus Stuttgart arbeitet hauptberuflich in der Lebensmittelindustrie
Selbstständig tätig ist die in Wendlingen (Kreis Esslingen) aufgewachsene Hlinik seit 2015. Fünf Jahre zuvor hatte sie ihre Ausbildung abgeschlossen, arbeitete dann bei verschiedenen Schneidereien und Modelabels. In diesem Berufsfeld sei es allerdings schwierig, eine Vollzeitstelle zu finden, erzählt sie. Außerdem liege das Gehalt oft an der Mindestlohngrenze.
Deshalb verschlug es Hlinik schließlich in die Lebensmittelindustrie. Dort arbeitet sie seitdem in einem inklusiven Unternehmen zusammen mit Menschen mit Behinderung, überwiegend im Bereich der Logistik und Verpackung. Noch heute ist das Hliniks Hauptjob. Vom Modehandwerk wollte sie allerdings nicht ganz lassen und so eröffnete sie nebenberuflich zunächst eine eigene Maß- und Änderungsschneiderin.
Neuer Fokus auf Outdoor-Mode
Nach und nach begann sie, unter dem Namen Werkstoff-Atelier mit Upcycling zu experimentieren. Denn: „Es gibt schon so viele Unternehmen. Ich dachte mir, wenn ich etwas Neues mache, dann etwas Nachhaltiges.“ Allerdings klang ihr „Werkstoff-Atelier“ schnell etwas zu verstaubt. Seit rund drei Jahren heißt Hliniks Betrieb deshalb nun Manufaktur Manuc, verbunden mit einem neuen Fokus auf Outdoor-Mode.
Neben ihrem Hauptjob in der Lebensmittelindustrie verbringt Hlinik ein bis zwei Arbeitstage pro Woche mit dem Modehandwerk. Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt
Bei der Produktentwicklung richtet sie sich dabei neben den Materialien auch nach ihren eigenen Bedürfnissen. Hlinik ist selbst viel in der Natur unterwegs, besonders gerne in den Bergen. Daraus zieht sie Inspiration.
„Mittlerweile entstehen Produkte, weil wir sie selbst vermissen“, sagt Hliniks Partner Jakob Engel. Er unterstützt seine Freundin im Vertrieb und kümmert sich um den Online-Shop, Bestellungen sowie Rechnungen. „Mit dem Reisehandtuch aus Bio-Baumwolle haben wir offenbar einen Nerv getroffen“, fügt Engel hinzu. Es trockne ähnlich schnell wie die gängigen Mikrofaser-Handtücher im Reiseformat, gebe im Gegensatz dazu aber kein Mikroplastik ab.
Gesetz erschwert Upcycling
Für die Vermarktung setzen Hlinik und Engel auf Design- und Handwerksmärkte in der Region Stuttgart. „Das läuft mittlerweile ziemlich gut“, sagt die Betriebsgründerin. Sie hofft darauf, „langsam und nachhaltig zu wachsen“. Allerdings nicht zu sehr, schließlich sind ihrem derzeitigen Geschäftsmodell Grenzen gesetzt. Angestellte hat Hlinik nicht und sie selbst kann sich parallel zu ihrem Hauptjob nicht mehr als ein bis zwei Tage pro Woche für „Manuc“ nehmen. Schon jetzt reicht die Arbeit oft bis ins Wochenende hinein. „Aber das ist einfach meine Leidenschaft“, sagt Hlinik.
Einen Wunsch hat sie jedoch noch: eine Anpassung des deutschen Textilkennzeichnungsgesetzes in Bezug auf Upcycling. Das Gesetz schreibt bislang vor, bei angebotenen Textilprodukten alle verwendeten Materialien aufzuführen. Beim Upcycling seien die Materialien der Ursprungsstoffe aber oft nicht nachzuverfolgen, sagt Hlinik. „Dadurch wird man sehr ausgebremst.“ Dabei müsste dem Upcycling, so ihre Überzeugung, in einer nachhaltigen Wirtschaft eine deutlich größere Rolle zukommen.