Mit Lastenrädern laden Tagesmütter in Ostfildern (Kreis Esslingen) Kinder zu Touren ein. Das Konzept kommt gut an. Radfahrer wünschen sich aber eine bessere Infrastruktur.

Mit ihren Tageskindern entdeckt Beate Sack gerne die Natur im Körschtal. „Es ist schön, draußen zu sein“, schwärmt die Nellingerin. Vier Kleinkinder mit strahlenden Gesichtern sitzen auf den Bänken in der Wanne ihres Lastenrads. Dass es ihnen Spaß macht, die Natur auf dem Fahrrad zu entdecken, spürt man schnell. Mit ihren Kolleginnen Bianca Mank und Heike Mehari ist Beate Sack bei gutem Wetter oft draußen unterwegs.

Die hohen Anschaffungskosten von bis zu 10 000 Euro haben die engagierten Tagesmütter nicht abgeschreckt, sich Lastenräder mit Sitzplätzen für bis zu fünf Kleinkinder anzuschaffen. Vier Knirpse haben in der Wanne Platz. Da sind sie sicher angegurtet. Ein Mädchen ist auf dem Kindersitz angeschnallt, der auf dem Gepäckträger montiert ist. An der Finanzierung des Lastenrads von Bianca Mank hat sich die Stiftung von Klaus und Waltraud Reichert beteiligt.

Schöne Erlebnisse mit dem Paralleltandem

„Radfahren ist gesund und macht Spaß“, sagt Klaus Reichert. Der Senior ist beim Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) engagiert. Der Ostfilderner Ortsverband hat ein Tandem angeschafft, mit dem Reichert unter anderem ältere Menschen durch die Stadtteile Ostfilderns fährt. Da das Paralleltandem zwei bequeme Sitzplätze hat, dürfen auch gehbehinderte Menschen mitfahren. Sie sollen „mal wieder den Wind in den Haaren spüren“, sagt der 81-Jährige, der selbst noch topfit ist und der mit dem Rennrad weite Strecken radelt. Gerade die Bewohnerinnen und Bewohner der Ostfilderner Pflegeheime nutzen das Angebot gerne.

Thomas Rumpf schwört auf Lastenräder. Das Ehepaar Reichert ist mit dem Tandem unterwegs. Foto: Markus Brändli

Dass die Nellinger Tagesmütter ihre Kleinen mit dem Lastenrad neugierig machen auf die Natur, das freut Thomas Rumpf, den Vorsitzenden des ADFC in Ostfildern. Wer mal ausprobieren möchte, wie vielfältig man die Räder mit großen Trögen im Alltag einsetzen kann, kann beim ADFC kostenlos die Räder mieten, die als „Freies Lastenrad Ostfildern“ bekannt sind. FLO1 und FLO2 werden „gut gebucht“, sagt Rumpf. Der Vorsitzende des ADFC möchte aber noch mehr Menschen dafür begeistern.

Im Alltag der Kinderbetreuung möchten die Nellinger Tagesmütter ihre Lastenräder nicht mehr missen. „Wir würden sonst ja nur zuhause spielen“, sagt Beate Sack. In der frühkindlichen Pädagogik sind Naturerlebnisse für Kinder wichtig. Besonders schön finden es die Tagesmütter, dass die Jungen und Mädchen Vögel, Blumen und Insekten kennenlernen. „Das Wissen teilen sie beim nächsten Ausflug mit den Eltern.“

Tagesmutter Bianca Mank radelt mit den Kindern im Körschtal. Foto: Markus Brändli

Die Ausflüge mit dem Rad haben bei den Tagesmüttern einen festen Platz im Kalender. Wenn das Wetter mitspielt, gibt es regelmäßig Wald- oder Wiesentage. Fröhlich laufen die Jungs und Mädchen über die Wiese und bewegen sich. „Schau mal, da sitzt ein Schmetterling auf der Blume“, ruft ein Mädchen. Die anderen haben einen Käfer entdeckt. „So richtig lange bleiben sie nicht ruhig in der Wanne sitzen“, sagt Bianca Mank. Deshalb planen die Frauen bei den Radtouren immer wieder Pausen zum Spielen ein. Heike Mehari hat Apfelschnitze als Snack zwischendurch vorbereitet.

Lastenrad nimmt Angst vor dem Radeln

Wenn die Tagesmütter mit den voll beladenen Lastenrädern unterwegs sind, staunen Passanten. Denn dank des elektrischen Antriebs schaffen sie auch Steigungen schnell. Gespannt schauen die Kleinen derweil in die Landschaft. „Wenn sie später mal selbst Radfahren lernen, haben sie weniger Angst“, nennt Thomas Rumpf einen weiteren Vorteil. Dass Radeln Kindern Spaß macht, weiß der Opa von seiner Enkelin. „Wenn sie zu Besuch ist, sind wir auch oft mit dem Lastenrad unterwegs.“

Nicht nur im Alltag als Tagesmutter kommt das Lastenrad bei Beate Sack zum Einsatz. „Ich habe gar kein Auto.“ Sie erledige alle Einkäufe mit dem Fahrrad. Die Bewegung tue gut, sind sich die drei Frauen einig. Heike Mehari erlebt, dass die Kleinen viel ausgeglichener sind, wenn sie Bewegung an der frischen Luft hatten.

ADFC kritisiert Infrastruktur für Radler

„Wenn wir Menschen zum Umstieg auf umweltfreundliche Mobilität bewegen wollen, ist das Lastenrad gerade für Familien eine gute Alternative“, ist Thomas Rumpf überzeugt. Allerdings bemängelt der Vorsitzende des ADFC, dass in Ostfildern das Radwegenetz nicht optimal ausgebaut sei. „An vielen Stellen wird es ziemlich eng, wenn sich Lastenräder und andere Radler oder Fußgänger begegnen.“

Hier wünscht er sich auch von der Kommunalpolitik ein Umdenken: „Ausreichend breite Radwege sind wichtig für die Sicherheit.“ Thomas Rumpf ist überzeugt, dass sich mehr Menschen für das Radfahren entscheiden würden, wenn die Infrastruktur besser wäre.

Kostenloses Leih-Lastenrad in Ostfildern

Das Lastenrad
Mit dem Lastenrad FLO (Freies Lastenrad Ostfildern) des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) können zwei Kinder bis fünf Jahre komfortabel transportiert werden. Außerdem können Lasten bis 90 Kilogramm emmissionsfrei vom einen Ort zum anderen gebracht werden. Dabei werden die Radler von einem E-Motor unterstützt. So sind Geschwindigkeiten bis 25 Stundenkilometer möglich. „Bei kürzeren Strecken ist man fast schneller am Ziel als mit dem Auto“, sagt Thomas Rumpf, der Vorsitzende des ADFC.

Kostenlos fahren
Das erste Lastenrad des ADFC haben die Radlerinnen und Radler privat finanziert; die Kosten für das zweite hat die Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) übernommen. FLO1 steht in Nellingen in der Uhlandstraße; FLO2 in der Parksiedlung am Herzog-Philipp-Platz. Um die Räder zu buchen, ist ein Account nötig. Zur Übergabe sind ein Ausweisdokument, 50 Euro Kaution und etwa 20 Minuten Zeit für die Übergabe und Probefahrt erforderlich. Informationen: http://lastenrad-ostfildern.de