Noch Anfang Juli sah es in Deutschland nach einem äußerst regenarmen Jahr aus. Laut Fred Hattermann, Hydrologe am renommierten Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, war das erste Halbjahr 2025 in ganz Deutschland überdurchschnittlich trocken. An der Klimareferenzstation des Deutschen Wetterdienstes in Potsdam sei es bis dahin sogar das trockenste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen vor 130 Jahren gewesen.
Doch dann regnete es einen Monat lang fast täglich. „Die ausgiebigen Niederschläge seit Anfang Juli waren gut: Im Oberboden gleicht der Regen derzeit das vorherige Defizit aus“, resümierte der Wissenschaftler im Gespräch mit unserer Redaktion. Der Boden habe sich „wie ein Schwamm aufgesaugt und ist wieder gut aufgefüllt, was für Vegetation und Landwirtschaft sehr gut ist“, sagte Hattermann. „Jetzt muss man sehen, wie viel von dem Regenwasser der vergangenen Wochen tiefer sickert und das Grundwasser erreicht.“ Die Grundwasserpegel sinken nach Angaben des Experten in vielen Regionen Deutschlands seit Jahren. „Aktuell ist der weitere Abfall zwar etwas gestoppt, es gibt aber dort oft noch keine Trendwende.“
Bund, Länder und Kommunen versuchen derweil, das Land auf Auswirkungen des Klimawandels einzustellen. Der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, sagte unserer Redaktion mit Blick auf die vergangenen Jahre, dass auch in Deutschland „die Folgen der Klimakrise immer drastischer“ würden. Seit 2018 gebe es häufiger Hitzewellen und Dürren, Starkregen und Hochwasser. Kommunen stünden vor der Herausforderung, wirksame Vorsorge vor Klimarisiken treffen zu müssen. Dafür benötigten sie auch die finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern.
Wie hängt das mit der Erderwärmung zusammen? Wärmere Luft kann etwa mehr Wasser halten, was zu heftigeren Niederschlägen führt. Daran sind in Deutschland weder Schienen, Straßen, Abwasserkanäle noch Deiche, Dächer, Stromleitungen angepasst. Gerade am Beispiel der Bahn, die ihr mehr als 33.000 Kilometer umfassendes Schienennetz auf größere Wassermassen vorbereiten muss, wird der Aufwand für Anpassungsmaßnahmen deutlich. Geplant sind auch mehr natürliche Wasserspeicher in Städten und auf dem Land: etwa Straßenbäume, Moore und Wälder, die bei heißen Temperaturen für Abkühlung sorgen und wenn es regnet, das Wasser für sich nutzen.
Im Haushaltsentwurf für den sogenannten Klimatransformationsfonds (KTF) hat die Bundesregierung für 2026 Mittel für ein neues Sonderprogramm Naturschutz und Klimaanpassung eingeplant. So sollen die Gelder in renaturierte Flussauen, in Moore und artenreiche Laubmischwälder fließen, die besser mit steigenden Temperaturen zurechtkommen als die vielerorts in Deutschland vorherrschenden Fichtenwälder. Um Städte und Landkreise zu unterstützen, sind laut Flasbarth dabei 500 Millionen Euro im Finanzplanungszeitraum des Klima- und Transformationsfonds (KTF) bis 2029 vorgesehen. Im ersten Jahr sollen 50 Millionen Euro fließen, ab 2027 150 Millionen Euro pro Jahr.
„Als langfristige Lösung verfolgt die Umweltministerkonferenz von Bund und Ländern das Ziel, eine Gemeinschaftsaufgabe Klimaanpassung im Grundgesetz zu verankern“, fügte Flasbarth hinzu. Da das Grundgesetz Bund und Ländern grundsätzlich getrennte Aufgaben zuweist, müssen „Gemeinschaftsaufgaben“ in die Verfassung aufgenommen werden, wenn der Bund etwa den Kommunen finanziell dabei hilft, Rückhaltebecken zum Schutz gegen Hochwasser zu betreiben.
Damit aber die Finanzierung klar eingegrenzt werden kann, braucht es einem Ministeriumssprecher zufolge eine in Bund und Ländern einheitliche Definition und Systematik der Ausgaben, die eindeutig der Klimaanpassung zuzurechnen sind. Ein Beispiel: Ein Förderprogramm für den Städtebau kann zwar Maßnahmen zur Entsiegelung und Abkühlung von Stadtvierteln beinhalten – wird aber derzeit nicht explizit als Klimaanpassungsmaßnahme benannt. Ab 2026 soll das systematisch erhoben werden.
Der regenreiche Juli kommt derweil vor allem den Pflanzen zugute, die aktuell Wasser aus dem Boden ziehen und wieder mehr Blätter bilden. Der Potsdamer Wissenschaftler Hattermann betonte: „Für Grundwasser ist Regen im Winter wichtig, wenn die Bäume keine Blätter haben: Dann füllen sich die Grundwasserspeicher auf.“ Generell bringe der Klimawandel Deutschland mehr Niederschlag, es verdunste aber auch mehr. Inzwischen sei es hierzulande gegenüber der vorindustriellen Zeit zwei Grad Celsius wärmer. „Pflanzen haben mehr Hitzestress und fangen zudem früher an zu wachsen. Das bedeutet, dass die Zeit der Grundwasserbildung im Winter kürzer wird.“ Auch Talsperren füllten sich nicht so schnell auf. Außerdem gebe es lang anhaltende Wetterlagen, weil der Jetstream – ein Band starker Höhenwinde – schwächer wird.
Sorgenkind bleibt weiterhin der Wald. Laut dem Waldzustandsbericht aus dem vergangenen Jahr ist nur noch jeder fünfte Baum gesund. Hydrologe Hattermann erläuterte: „Sind erst einmal die Kapillaren im Stamm unterbrochen, kann das nicht einfach mehr behoben werden.“ Wasser aus den Wurzeln gelange dann eventuell nicht mehr in die Baumkrone. Solche irreparablen Schäden gebe es noch aus den sehr trockenen Jahren 2018 bis 2022. „Wenn man im Wald den Himmel sieht, ist das nicht gut. Das ist gerade vielfach der Fall.“