Standdatum: 10. August 2025.

Autorinnen und Autoren:
János Kereszti

Dem Reporter war von Anfang an klar: Diese Reportage wird nicht einfach.

Bild: Radio Bremen

Ein Jahr lang hat buten un binnen-Reporter János Kereszti zu jungen Straftätern recherchiert, die die Polizei als „Junge Räuber“ bezeichnet. Seine Erfahrungen fasst er hier zusammen.

Es ist Frühjahr 2024. In einem anatolischen Restaurant in der Bremer Innenstadt sitze ich mit Mohamed, 20 Jahre, und Jawad, 19, an einem Tisch. Beide tragen Trainingsanzüge, gleiches Modell, gleiche Farbe. Sie sind enge Freunde, fast wie Brüder. Beide kommen aus Nordafrika und haben sich auf ihrer Reise durch Europa kennengelernt, wie sie sagen. Überprüfen kann ich das nicht, aber später werden es mir andere aus ihrem Umfeld genauso erzählen. Sie haben ohne Eltern tausende Kilometer auf eigene Faust zurückgelegt, Grenzen überquert und auch Gesetze gebrochen. Beide waren im Gefängnis. Diebstahl, versuchte gefährliche Körperverletzung, versuchter Raub mit Waffen.

Sie gehören zur Gruppe, die bei der Polizei als „Junge Räuber“ betitelt ist. Viel ist über diese Gruppe berichtet und gesprochen worden. Junge Straftäter, die in Gruppen Menschen überfallen und Goldketten, Uhren und Handys rauben. Aber mit ihnen hat noch kein Journalist geredet. Warum werden sie straffällig? Mit welchen Zielen und Träumen kommen sie nach Deutschland? Wie denken sie über ihre Taten?

Die ganze Y-Kollektiv-Dokumentation gibt es über diesen Link in der ARD-Mediathek zu sehen.

Ich erkläre Mohamed und Jawad, dass mich diese Fragen als Journalist interessieren und dass ich sie interviewen möchte. Wir hatten uns bereits vorher kennengelernt. Der Kontakt ist über Dritte zustande gekommen. Ich habe auch mehr als zehn andere junge Männer aus Nordafrika getroffen, aber zu Mohamed und Jawad hat sich genug Vertrauen aufgebaut, dass der Kontakt gehalten hat. Mohamed ist gerade erst aus dem Gefängnis entlassen worden. Er hat fast zwei Jahre abgesessen.

Eine Fernsehreportage? Sie zögern, aber schließlich sagen sie zu, weil sie ihre Geschichte erzählen wollen. Eine Geschichte, wie ich sie bei meiner Recherche auch von anderen jungen Nordafrikanern oft höre: Armut und Perspektivlosigkeit zu Hause, dann eine Flucht ohne Eltern nach Europa; in losen Gruppen durch Spanien, Frankreich und weitere Länder bis nach Deutschland. Sie haben gelernt sich durchzuschlagen, Formulare ausfüllen und Anträge ordnungsgemäß stellen eher nicht.

12 Monate Recherche mit vielen Rückschlägen

Mohamed und Jawad sehen sich als Opfer, geben gleichzeitig aber zu Straftaten begangen zu haben. Sie beklagen Chancen- und Perspektivlosigkeit in Deutschland. Deshalb seien sie kriminell geworden. Darüber wollen sie im Interview reden. Sie stimmen zu. Mir ist klar: Diese Reportage wird nicht einfach. Dass sie mich die nächsten zwölf Monate mit vielen Rückschlägen beschäftigen wird, ahne ich nicht.

Sino, ein 23-Jähriger, nach Deutschland migrierter Marokkaner, unterhält sich mit TV-Reporter János Kereszti über das Phänomen der "Jungen Räuber".

Sino, ein 23-Jähriger, nach Deutschland migrierter Marokkaner, unterhält sich mit TV-Reporter János Kereszti über das Phänomen der „Jungen Räuber“.

Bild: Radio Bremen

Es beginnt damit, dass Mohamed vor dem ersten Interview nicht mehr erreichbar ist, keine Reaktion auf meine Anfragen. Ich erfahre, er wurde wieder festgenommen. Er soll einem Mädchen ein Handy abgezogen haben und sitzt in U-Haft. Jawad und seine Freunde sind vorsichtig. Ein Interview am Hillmannplatz klappt, zusammen mit seinem Kumpel Sino.

Kampf um jede Drehminute

Danach reißt der Kontakt immer wieder ab. Verlässliche Verabredungen sind schwierig. Ich kämpfe um jede Drehminute. Auch um jeden Beleg, der die Aussagen der Jungs bestätigt oder widerlegt. Über die Monate merke ich, dass sie mir nur einen kleinen Einblick in ihr Leben geben. Das ist mehr als vielen anderen, aber ist es genug für eine Reportage? Im Frühjahr 2025, nach einem Jahr Arbeit und vielen Höhen und Tiefen, sind die Redaktion und ich der Meinung, dass wir genug für eine Veröffentlichung haben.

Sommer 2025, ich treffe Mohamed und Jawad wieder. Wir sprechen über den Film. Sie sind aufgebracht. Sich selbst in Verbindung mit ihrer kriminellen Vergangenheit zu sehen, stört sie. Sie sagen, das hätten sie doch hinter sich gelassen und seien nun auf dem richtigen Weg.

Dieses Thema im Programm:
Y-Kollektiv, 28. Juli 2025